Mit Geschichten aus dem Leben für Mathe begeistern Professor Dirk Langemann zum LehrLEO-Award
Der LehrLEO ist wieder unterwegs auf dem Campus. Studierende können noch bis zum 3. Februar Lehrveranstaltungen aus dem Sommersemester 2018 und dem laufenden Wintersemester, die sie besonders begeistert haben, für die LehrLEO-Awards nominieren. Gleich fünfmal wurde „Ingenieurmathematik I“ von Professor Dirk Langemann und seinem Team aus dem Institut Computational Mathematics im Jahr 2018 für den Preis vorgeschlagen. Auch in den vergangenen Jahren wurden seine Veranstaltungen immer wieder ins Rennen um die Trophäe geschickt. 2018 hat Professor Langemann den LehrLEO-Award in der Kategorie „Beste grundständige Lehre“ erhalten. Kurz vor Nominierungsschluss haben wir mit ihm über die Herausforderungen der Lehre gesprochen.
Sie waren mehrmals für den LehrLEO-Award nominiert, 2018 haben Sie ihn zum ersten Mal bekommen. Waren Sie überrascht?
Ja! Ich war ja fast jedes Jahr nominiert, und ich war immer beim Tag der Lehre dabei. Die Veranstaltungen, die den Award bekommen haben, waren alle sehr anerkennenswert. Das muss ich neidlos sagen. Deshalb habe ich mich so gefreut und das ganze Team – zu dem auch 25 bis 30 Tutorinnen und Tutoren gehören – mit mir, dass wir den Award 2018 gewonnen haben.
Es ist eine wunderschöne Anerkennung. Die Tatsache, dass es die Auszeichnung überhaupt gibt, zeigt, dass die Lehre gut angesehen ist. Sie ist ein wichtiger Teil der Universität. Vielleicht in der Außenwahrnehmung sogar der Wichtigste.
Was bedeutet für Sie das Thema Lehre?
Die Begeisterung an der Schönheit des Faches – in meinem Fall Mathematik – weiterzugeben. Ich denke, dass das ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit an der Universität ist. Die Universität ist zu wesentlichen Teilen dazu da, Wissen weiterzugeben, mit jungen Leuten zu diskutieren. Und die Art der Vermittlung hat wieder Rückwirkungen auf die Überlegungen in der Forschung.
Inwiefern?
Man hat eine Sache nur dann wirklich durchgängig verstanden, wenn man es absolut wasserdicht erklären und anderen nahebringen kann. Da wir ja Überlegungen aus der aktuellen Forschung immer in die Lehre einfließen lassen, testen wir gewissermaßen unsere Forschungsansätze auch dadurch, dass wir sie anderen erklären.
Welche Herausforderungen gibt es bei grundständigen Lehrveranstaltungen wie „Ingenieurmathematik I“?
Eine große Herausforderung ist, dass so viele Studierende die Angebote gar nicht erst annehmen oder aufgrund von Fehlinformationen aus höheren Semestern oder aus dem Internet wegbleiben. Deshalb bemühen wir uns, möglichst breit Informationen und Lehrangebote weiterzugeben. Wir haben drei Bücher geschrieben, die die Veranstaltungen begleiten. Diese sind natürlich als E-Book verfügbar. Wir haben die großen und kleinen Übungen. Wir haben das Angebot „Reden über Mathematik“ und viele Materialien online. Und wir versuchen, die Studierenden dahingehend zu unterweisen, wie man erfolgreich lernt.
Wie motiviert man Studierende zu Beginn ihres Studiums für Mathe-Grundlagen?
Man muss Dinge erzählen, die die Studierenden nacherleben können, die sie weitererzählen, die sie als Gewinn betrachten. Gern mit Geschichten aus dem Leben. Ich versuche zu jedem mathematischen Begriff irgendeine Verbindung in das Alltagsleben zu bringen. Ich vertrete die Meinung, dass wir alle im Alltag logisch agieren. Wir benutzen die gleiche Logik, um Wissenschaft zu betreiben, so wie wir auch mit derselben Denkweise, mit der wir Alltagsprobleme lösen, letztendlich abstrakte Probleme lösen.
Können Sie für eine solche Veranschaulichung ein Beispiel geben?
Die Stetigkeit einer Funktion wird in der Schule als Möglichkeit erklärt, mit einem Bleistift eine Linie durchzuzeichnen. Man kann es aber auch an einer Veranschaulichung zwischen der Wasserhahnstellung und der Wassertemperatur erläutern. Wenn das unstetig wäre, wäre das Duschen ausgesprochen ungemütlich oder gefährlich. Ich glaube, die Studierenden mögen diese Verdeutlichungen.
Ihre Vorlesung ist mit über rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine sehr große Veranstaltung. Wie begeistern Sie so viele Studierende?
Ob ich wirklich 800 begeistere, das möchte ich nicht für mich einnehmen. Aber ich denke doch, dass ich eine Veranstaltung anbieten kann, die interessant anzuhören ist und bei der man hoffentlich einige Überlegungen mitnehmen kann. Ich stehe zwar als Einzeldarsteller auf der Bühne, inszeniere aber ein gedachtes Zwiegespräch mit Ingenieurstudierenden, die vor allem in der großen Veranstaltung meine Hauptansprechpartner sind, und mir als Lehrenden und Mathematiker. Dadurch greife ich hoffentlich Fragen auf, die sich die Studierenden auch stellen.
Wie entwickeln Sie Ihre Lehrveranstaltungen weiter?
Ich arbeite immer wieder an der Vermittlung, hole mir Feedback ein, bitte Freunde und Kolleginnen und Kollegen, von Zeit zu Zeit die Veranstaltung anzuhören, mir etwas dazu zu sagen.
Ich lese Lehrbücher und diskutiere sie im Team. Ich ziehe Vergleiche zu anderen Lehrsituationen. Ich versuche, selbst Dinge zu lernen. Eine Sache, an der ich arbeite, ist das Unverstehen zu verstehen.
Wie machen Sie das?
Ich versuche etwas zu lernen, was mir nicht liegt, wie zum Beispiel das Skifahren. Ich stelle mir vor, dass das Gefälle von einem Skilehrer zu mir noch weitaus größer sein muss als das der Lehrenden der Ingenieurmathematik zu den schwächeren Studierenden. Mir geht es darum, eine Sache auszuprobieren, die in ganz anderen Begriffen, anderen Denkweisen und Erklärungen funktioniert.
Wie hat Ihnen das Skifahren-Lernen in Ihrer Lehre geholfen?
Ich höre von relativ vielen Kollegen, die nicht verstehen können, wie man bestimmte Erklärungen nicht verstehen kann. Beim Skifahren bringe ich mich in die Situation, ein Lernender zu sein und zwar ein solcher Lernender, der nicht bei allem vom alleinigen Zugucken schon sagt: Ja, das mache ich nach, das kann ich genauso. Das bringt den Lehrenden ein bisschen mehr in die Gedankenwelt des Lernenden.
Und wenn man versucht, in einem fremden Tätigkeitsbereich eine Frage zu formulieren, merkt man, wie schwierig es ist, eine sinnvolle Frage zu stellen. Dann wird einem noch deutlicher, wie schwierig es ist, für den kenntnisreichen Lehrenden darauf zu antworten.
Was meinen Sie, warum Sie so gut ankommen bei den Studierenden, zum Beispiel auch bei profs@turntables?
Das ist mir ja schon fast etwas peinlich. Ich glaube, dass sich die Studierenden dort auch selbst etwas feiern. Ich spiele nicht wirklich die Sachen, die in meiner Jugend im Radio liefen, sondern ich bereite mich vor und möchte Party machen.
Insgesamt hat es, glaube ich, etwas damit zu tun, dass die Studierenden mich relativ häufig sehen und dass ich mich bemühe, die Distanz nicht allzu groß werden zu lassen. Dass ich mich auch selbst wieder jung fühle, wenn ich mit den jungen Leuten diskutiere und rede. Und hoffentlich merken die Zuhörerinnen und Zuhörer auch, dass ich wirklich Freude daran habe, die Vorlesung zu halten.