Mit Diamant-Quantensensoren einzelne Moleküle vermessen Fragen an Professor Nabeel Aslam
Seit Anfang Oktober 2022 ist Nabeel Aslam Juniorprofessor am Institut für Physik der kondensierten Materie der Technischen Universität Braunschweig. Zuletzt forschte Professor Aslam für vier Jahre an der Harvard Universität an Quantensensoren im Diamanten. Diese Forschung setzt er nun an der TU Braunschweig fort und fügt so dem Forschungsschwerpunkt Metrologie und dem Exzellenzcluster QuantumFrontiers eine neue Facette hinzu. Im Interview erzählt Professor Aslam, wie er einzelne Atome im Diamanten nutzt und was ihn zur Wissenschaft inspiriert hat.
Sind Sie gut in Braunschweig und an der Carolo-Wilhelmina angekommen?
Es war auf jeden Fall eine Herausforderung, mit meiner Frau und unseren zwei Kindern aus den USA nach Deutschland zurückzuziehen. Der Ruf kam für uns sehr kurzfristig, sodass wir erst drei Tage vor Schulbeginn hier ankamen. Mittlerweile fühlen wir uns heimisch und erkunden Braunschweig und Umgebung mit dem Rad.
Auch an der Uni wurde ich herzlich aufgenommen. Gleich in den ersten Tagen meines Amtsantritts fand die jährliche Klausurtagung statt. Dort habe ich die Professor*innen meiner Fakultät kennengelernt und konnte umgehend über mögliche Kooperationen innerhalb der Uni sprechen.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Was mich an der TU Braunschweig angesprochen hat, sind die vielen Aktivitäten im Bereich der Quantentechnologien und der Forschungsschwerpunkt auf Metrologie. Mit QuantumFrontiers ist hier ein Exzellenzcluster zur Quantenforschung und zusätzlich gibt es das Quantum Valley Lower Saxony. Bei meiner Forschung zur Quantensensorik kommen beide Aspekte – Quantentechnologie und Metrologie – zusammen. In diesem Bereich passe ich mit meinem Fokus auf Quantensensoren in Diamanten perfekt hinein.
Außerdem lockte die enge Verbindung der TU Braunschweig zur Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Als Forscher im LENA bin ich direkt im gemeinsam betriebenen Forschungszentrum für Nanometrologie. Entsprechend habe ich schon gemeinsame Interessen mit PTB-Kolleg*innen ausgemacht und freue mich da zu kooperieren.
Sie forschen also an Quantensensoren in Diamanten. Was hat es damit auf sich?
Es handelt sich dabei um einzelne Atome im Diamanten, die wir im Team mit Lasern auslesen können. Für uns ist dabei vor allem der Spin (Eigendrehimpuls) der zugehörigen Elektronen interessant. Über den Spin können wir mit großer Präzision Magnetfelder ausmessen. Als kleinstmöglichster Sensor überhaupt kommen wir damit besonders nah an die Felder, die wir ausmessen wollen. Wir stehen also buchstäblich an der Grenze des Messbaren.
Diese Sensoren sind potentiell sehr variabel einsetzbar. Man könnte damit auf der einen Seite Materialien mit besonderen Oberflächen untersuchen oder sehr dünne Materialien. Auf der anderen Seite stellen die Quantensensoren einen Präzisionssprung in den Lebenswissenschaften dar. Zum Beispiel in der Magnetresonanztomographie dem MRT, wo man sich fragt: Woraus setzt sich die Probe zusammen? Wie hoch ist die Auflösung? Bisher arbeitet ein MRT mit Millimeter-Auflösung, mit ein paar Tricks kommt man auf etwa einhundert Mikrometer. Zellen sind aber typischerweise nur wenige Mikrometer groß und Moleküle sind noch einmal zirka tausendfach kleiner.
An dieser Stelle kommen unsere Quantensensoren ins Spiel. Mit Sensoren auf der Atomlängenskala können wir nah an die Proben herankommen und dann sehr präzise messen. Wir sehen dann nicht nur einzelne Zellen, sondern einzelne Moleküle bis hin zu den magnetischen Eigenschaften einzelner Atome. Wir befinden uns gerade genau an dem Punkt, an dem wir in Richtung Anwendung arbeiten. Das Ziel für die kommenden zehn Jahre ist, diese Technologie anderen Disziplinen wie Chemie, Biologie und Materialwissenschaften zugänglich zu machen.
Was hat Sie dazu inspiriert, Wissenschaftler zu werden?
Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie die Natur funktioniert. Hinzu kam Inspiration durch meinen persönlichen Hintergrund. Meine Eltern sind nach Deutschland geflüchtet, da wir als Teil der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde in Pakistan verfolgt und benachteiligt werden. Ein Mitglied dieser Gemeinde war Professor Abdus Salam. Er schaffte es aus einem kleinen Dorf im damaligen Britisch-Indien zu Weltruhm in der Wissenschaft. Er kam für sein Studium und seine Promotion an die renommierte Cambridge Universität. In den Folgejahren entwickelte er eine vereinheitlichte Theorie für die schwache und elektromagnetische Wechselwirkung. Dafür wurde er mit dem Nobelpreis in Physik ausgezeichnet. Als Kind, das mit so einer Geschichte aufgewachsen ist, wollte ich auch immer so ein Wissenschaftler werden.
Zu Beginn meines Studiums ließ sich noch nicht absehen, ob ich tatsächlich Wissenschaftler werden kann. Als ich aber erfuhr, dass es diese einzelnen Atome im Diamanten gibt, die wir als Sensoren nutzen könnten, habe ich mich begeistern lassen. Für mich klang das nach Science-Fiction! Diese Begeisterung hat mich von Mainz über Stuttgart nach Harvard und jetzt nach Braunschweig getragen.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Gute Lehre ist für mich, zu zeigen, warum ein Thema spannend ist. Entsprechend werde ich in den Vorlesungen den Bezug zur aktuellen Forschung suchen. Im Wintersemester halte ich eine Vorlesung zu meinem Thema, der Quantensensorik. Dort sprechen wir über die Herausforderungen, die überwunden werden müssen, damit dieses Forschungsfeld Anwendung in der Praxis findet. Dafür werden wir ins Labor gehen und uns zusammen Experimente anschauen. Des Weiteren werden die Studierenden aktuelle Forschungsliteratur lesen und diskutieren. Man muss eben erstmal lernen, mit wissenschaftlichen Publikationen umzugehen, um die Ergebnisse peu à peu zu verstehen.