Mehr fliegen mit weniger Treibstoff Forschung im Fokus: Energiewende in der Luftfahrt
Günstigere Tickets, 700 neue Routen: 2016 beförderten die Airlines weltweit 3,7 Milliarden Passagiere – ein neuer Rekord. Im Vergleich zu 2015 ist das ein Plus von 6,3 Prozent, so die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung (IATA). Und der Luftverkehr wird weiter wachsen. Damit die Umwelt dabei nicht auf der Strecke bleibt, wurden der Branche mit dem Flightpath 2050 der Europäischen Kommission ambitionierte Ziele gesetzt: Bis 2050 sollen der Kraftstoffverbrauch und der Kohlendioxidausstoß um 75 Prozent pro Passagierkilometer reduziert werden – im Vergleich zum Jahr 2000. Der Stickoxidausstoß soll um 90 Prozent sinken, der Lärm um 65 Prozent.
Weniger Gewicht, weniger Widerstand
„Der Treibstoffverbrauch eines Flugzeugs lässt sich verringern, indem man reduziert – zum Beispiel das Gewicht mittels leichterer Werkstoffe und Bauweisen oder den Widerstand an Rumpf und Flügeln mittels einer verbesserten Aerodynamik“, sagt Dr. Yaolong Liu, der am Institut für Flugzeugbau und Leichtbau der TU Braunschweig am Gesamtentwurf von Flugzeugen forscht. Liu gehört zum Team „Systemplattformen“ im Forschungsprojekt „Energiewende in der Luftfahrt“, das sich auf die technischen Veränderungen am Flugzeug konzentriert.
Weniger Widerstand ist ein Ziel der Wissenschaftler, und damit rückt die Laminartechnologie in ihren Fokus. „Weniger als fünf Prozent der Oberfläche eines Passagierflugzeugs ist derzeit laminar. Hier steckt noch viel Potenzial, auch wenn es die Grenzschichtforschung bereits seit über 50 Jahren gibt und Versuche im Windkanal oder mit Forschungsflugzeugen bereits vielversprechende Ergebnisse geliefert haben“, sagt Teammitglied Nils Beck, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig.
Optimierung an den Oberflächen
Laminar ist eine Strömung, wenn sie gleichmäßig ist – im Gegensatz zur turbulenten Strömung, deren Verwirbelungen Oberflächenreibung verursachen und Energie kosten. Je gleichmäßiger die Luft Flügel und Rumpf umströmt, desto geringer ist der Widerstand. Ein geringer Luftwiderstand wiederum reduziert Treibstoffverbrauch und Schadstoffemissionen. Beck: „Eine laminare Strömung erhält man, indem man Form und Oberflächen optimiert. Oder – und das ist unser Ansatz – indem man ein aktives System entwickelt und einbaut. Es saugt einen Teil der Strömung ab, dämpft so aerodynamische Instabilitäten und verhindert, dass eine laminare Strömung turbulent wird.“ Mehr als 30 Prozent Treibstoff ließen sich mit dieser Laminar Flow Control-Technologie einsparen.
„Bisher folgten auf Phasen hoher Treibstoffpreise immer wieder starke Einbrüche beim Ölpreis. Hierdurch fehlte den Herstellern die langfristige Motivation, Laminartechnologien zur Serienreife weiterzuentwickeln“, sagt Beck. „Wir aber warten nicht darauf, bis der Ölpreis wieder steigt, sondern setzen jetzt auf das Thema.“ Denn die Entwicklungen von heute stecken in den Flugzeugen von morgen. „Innovationszyklen in der Luftfahrt dauern länger als in anderen Branchen, weil die Technologien auch wegen der hohen Sicherheitsanforderungen komplex sind.“
Text: Nicole Geffert