Klinische Pharmazie: „Das Gegenteil von one-size-fits-all“ Stephan Scherneck zum Professor berufen
Seit sechs Jahren forscht und lehrt Stephan Scherneck an der TU Braunschweig als Juniorprofessor. Zum 15. April 2021 wurde er zum Professor für Klinische Pharmazie berufen. Am Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie untersucht er im TU-Forschungsschwerpunkt „Infektionen und Wirkstoffe“ Stoffwechselerkrankungen, insbesondere verschiedene Formen des Diabetes mellitus. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen, um die Entstehung der Stoffwechselstörung besser zu verstehen und therapeutische Ansatzpunkte abzuleiten. Für uns hat Professor Scherneck Fragen zu seiner Arbeit, zu seinen Plänen und zur Lehre beantwortet.
Wie würden Sie Ihre Arbeit einer fachfremden Person erklären?
Klinische Pharmazie beschäftigt sich mit der Arzneimitteltherapie des individuellen Patienten. Hier ist also neben einer leitliniengerechten Standardtherapie von Interesse, ob beispielsweise eine Schwangerschaft vorliegt oder es sich um eine Patientin mit eingeschränkter Organfunktion handelt. Hier müssen mitunter Dosierungsanpassungen erfolgen oder es muss ein anderer Arzneistoff gewählt werden. Man kann es auch so formulieren: Klinische Pharmazie ist das Gegenteil von „one-size-fits-all“.
Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich insbesondere mit den Ursachen von Stoffwechselstörungen in der Schwangerschaft und neuen Therapieoptionen. Hier haben wir einen starken Anstieg der Patientenzahlen. Viele Mechanismen in der Krankheitsentstehung sind noch unverstanden. Unser Forschungsansatz beruht dabei sowohl auf der Verwendung von geeigneten Modellen als auch der Untersuchung von humanen Kohorten.
Sie sind jetzt Professor für Klinische Pharmazie. Was packen Sie als nächstes an?
Es liegt mir sehr am Herzen, die bereits bestehende, sehr gute Zusammenarbeit mit dem Klinikum Braunschweig in Forschung und Lehre weiter zu intensivieren. Hier sind wir in einem sehr produktiven Austausch. Ebenso hervorzuheben ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik (PVZ). Zweifelsohne stellt auch das dritte Corona-Semester nach wie vor eine große Herausforderung dar, obwohl wir schon viel Erfahrung mit dem Online-Unterricht gesammelt haben.
Was hat Sie allgemein dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Die Kombination von Grundlagenforschung und klinischer Anwendung hat mich schon immer fasziniert. Dafür bietet dieses Gebiet ideale Voraussetzungen. Das Interesse für experimentelles Arbeiten kam schon im Kindesalter. Vermutlich war Neugier hier die klassische Triebfeder.
Welche Rolle spielt Wissenschaftskommunikation bei Ihrer Arbeit?
Die Kommunikation von Forschungsergebnissen zum Thema Arzneimittel und deren Wirkung ist von enormer Bedeutung, das wird gerade in der Pandemie deutlich. Wir entwickeln in unserer Arbeitsgruppe zwar keine Impfstoffe, dennoch ist dies ein Paradebeispiel, wie Kommunikationsprozesse suboptimal ablaufen können. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen breiten Bevölkerungsschichten verständlich vermittelt werden.
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler?
Das kann ich nicht eindeutig festmachen. Nicht jeder Erkenntnisgewinn ist ein schönes Erlebnis, aber jedes erwartet unerwartete Ergebnis eines Versuchs, das den eigenen Horizont erweitert, bereitet doch eine gewisse Freude.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Ich glaube, hierfür gibt es kein Patentrezept. Mir sind Interaktionen mit den Studierenden in Lehrveranstaltung genauso wichtig wie die Förderung des selbstständigen Arbeitens. Die Klinische Pharmazie ist ein Fach, wo sich ständig neue Erkenntnisse ergeben und in die Lehre einfließen. Hier ist entsprechend viel Eigeninitiative erforderlich.
Was möchten Sie künftigen Postdoktorand*innen und Juniorprofessor*innen mit auf den Weg geben?
Zu Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn sagte ein renommierter Pharmakologe: „Sie haben einen schönen Beruf!“ Dem kann ich mich bis heute anschließen. Zudem hat sich bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den letzten Jahren viel bewegt. Mit der Einführung der Tenure-Track-Professur ist aus meiner Sicht in Deutschland ein nachhaltiger wissenschaftlicher Karriereweg etabliert worden, der großes Zukunftspotential hat und viele Vorteile für den wissenschaftlichen Nachwuchs bietet. Die Anzahl der vorhandenen Stellen ist zwar noch gering, ich habe aber die Hoffnung, dass hier in Zukunft ein deutlicher Aufwuchs stattfinden wird.