Karl May: neuen Texten auf der Spur Der 175. Geburtstag des Schriftstellers steht bevor
Karl May zählt zu den meistgelesenen Schriftstellern weltweit. Am 25. Februar 2017 wird sein 175. Geburtstag gefeiert. In Braunschweig war May wohl nie. Dennoch gibt es an der TU Braunschweig einen Wissenschaftler, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Schriftsteller befasst: Professor Jürgen Wehnert vom Seminar für Evangelische Theologie und Religionspädagogik ist Theologe, Literaturwissenschaftler – und Karl-May-Forscher. Wenn es die Zeit erlaubt, sucht er nach noch unentdeckten Originaltexten Karl Mays.
Entdeckt hat Jürgen Wehnert den Autor Karl May als Zehnjähriger. Eine Augenerkrankung fesselte ihn ans Krankenhausbett. Ein netter Zimmernachbar las dem jungen Wehnert etwas vor und wählte dafür Geschichten von Karl May aus. Der Funke sprang über und das Interesse am Schriftsteller war geweckt.
Wehnert, der Theologie und Germanistik an der Universität Göttingen studiert hat, schrieb 1981 seine Magisterarbeit über das Thema „Gestalt und Verunstaltung der Werke Karl Mays.“ Teile daraus wurden bald darauf in seine erste Veröffentlichung über den Autor übernommen. Und das Interesse hält an: Heute ist Jürgen Wehnert Leiter des Karl-May-Archivs in Göttingen und langjähriges Mitglied in der Karl-May-Gesellschaft. Er ist sich sicher, dass Karl May nicht ausgeforscht ist: „Das Thema ist nach wie vor unerschöpflich. Erst im Jahr 2016 wurde May beispielsweise exhumiert, um seine Todesursache festzustellen: Er ist an einer Schwermetallvergiftung gestorben.“ Über die Ursache dieser Vergiftung lässt sich allerdings nur spekulieren.
Während die Forschung ihr Interesse an Karl May erst in den 1970er Jahren wirklich entdeckte und sich bis heute mit ihm beschäftigt, ist May als populärer Autor in der heutigen Zeit weniger gefragt. Wehnert sieht die Gründe dafür zum einen im kulturellen Wandel unserer Gesellschaft: „In Deutschland hat man Karl May zunächst als exotische Literatur verstanden. Das ist heute nicht mehr vermittelbar. Wenn man nach Amerika oder in den Orient möchte, ist man in wenigen Stunden da. Früher waren das Weltreisen. Und das ist sicherlich ein Grund, warum May früher eine derartige Resonanz hatte.“ Zudem habe May in den 1950er und 1960er Jahren oft als Schundliteratur gegolten und bot mit seinen für diese Zeit anstößigen Romanen für Heranwachsende einen besonderen Reiz. Nichtsdestotrotz ist Wehnert von den Schriftstellerqualitäten Mays überzeugt: „Er konnte genial schreiben. Man schwang sich beim Lesen einfach hinter seinem Helden in den Sattel und ritt in die Abenteuer. May konnte aus einem einzigen Bild in ganz kurzer Zeit eine komplette Geschichte entstehen lassen.“
Auf der Suche nach Karl-May-Texten
Dass May lange vor seinen berühmten Romanen wie „Der Schatz im Silbersee“ und „Winnetou“ eine Fülle von Texten publiziert hat, wissen nur wenige. „May hat früh als Redakteur für Zeitschriften gearbeitet und dort sowohl Gedichte als auch Erzählungen veröffentlicht“, erzählt Jürgen Wehnert. Längst nicht alle dieser Texte stehen heute der Öffentlichkeit zur Verfügung. Einige seien verschollen, andere befinden sich in Privatbesitz.
Wehnert hat sich die Suche nach diesen Texten zur Aufgabe gemacht: „Das Forschen nach den Texten ist zeitraubend, aber auch ein Abenteuer. Ich möchte so viele wie möglich aufspüren und vor allem ihre Digitalisierung sicherstellen.“ Der Verfall der alten Schriftstücke macht die Digitalisierung des literarischen May-Nachlasses dringend notwendig. Ein weiteres Projekt ist bereits geplant: Den 100. Band in der Reihe „Karl May’s Gesammelte Werke“ möchte Wehnert in absehbarer Zeit im Karl-May-Verlag, Bamberg, veröffentlichen. Ein Abschluss seiner Arbeit mit Karl May soll das aber nicht sein. Auch wenn er heute nicht mehr „Winnetou“ liest, der Karl-May-Forschung wird Wehnert erhalten bleiben.