12. Oktober 2020 | Magazin:

Juniorverbund erforscht seltene Stoffwechselkrankheit Wie Krebsstoffwechsel helfen kann, Morbus Canavan besser zu verstehen

Morbus Canavan ist eine angeborene, unheilbare Stoffwechselerkrankung, bei der das Aminosäurederivat N-Acetylaspartat (NAA) aufgrund eines fehlerhaften Enzyms im Gehirn nicht abgebaut werden kann. Das hat schwerste Entwicklungsstörungen, Behinderungen und eine kurze Lebenserwartung für die Betroffenen zur Folge. Um die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und neue Ansätze für eine mögliche Behandlung zu finden, untersucht der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Juniorverbund PeriNAA den NAA-Stoffwechsel und entwickelt für diesen ein dynamisches Computermodell. An dem Verbund beteiligt ist auch Andre Wegner vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig. Zum Einsatz kommt dabei jetzt ein neues, hochauflösendes Massenspektrometer.

Teilprojekt an der Carolo-Wilhelmina: Dr. Andre Wegner erforscht zusammen mit den beiden Promovierenden Tobias Ludwig und Marcel Kretschmer den NAA-Stoffwechsel. Bildnachweis: Max Furhmann/TU Braunschweig

Obwohl N-Acetylaspartat (NAA) in hohen Mengen im menschlichen Gehirn vorkommt, ist seine funktionale Rolle bis heute nur wenig verstanden. Lange ging man davon aus, dass es nur im Gehirn vorkommt. Verschiedene Forschergruppen haben aber in den letzten Jahren gezeigt, dass der NAA-Stoffwechsel auch eine wichtige Rolle außerhalb des Gehirns spielt, zum Beispiel in Fettzellen, Immunzellen, der Lunge und in Krebszellen.

NAA-Stoffwechsel in Krebszellen

Hier setzt Andre Wegner mit seinem Team an. Krebszellen zweckentfremden in der Regel bereits vorhandene zelluläre Mechanismen. „Deshalb glauben wir, dass die Funktion von NAA in Krebszellen die gleiche ist wie im Gehirn. Wir wollen zunächst verstehen, welche Rolle NAA im Krebsstoffwechsel spielt und das dann schrittweise auf Canavan-Mausmodelle und schlussendlich auf Canavan-Patientinnen und Patienten übertragen“, so Wegner. Um mehr über den NAA-Stoffwechsel in Krebszellen zu erfahren, untersucht das Team Stoffwechselprodukte, so genannte Metabolite.

Mithilfe des Massenspektrometers untersucht das Team die Stoffwechselprodukte. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Vom Massenspektrometer zum Computermodell

Dafür müssen die Forschenden den Stoffwechsel der Krebszellen stoppen. „Wir nehmen die Metabolite aus der Zelle heraus und messen ihre Level im Massenspektrometer. Über das Massenspektrum können wir dann bestimmen, um welche Stoffe es sich handelt“, erklärt Wegner. Das neue Massenspektrometer im Labor der Abteilung Bioinformatik und Biochemie kann die Masse von Molekülen auf vier Nachkommastellen genau messen. Dadurch können deutlich mehr Stoffe bestimmt werden.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können die Level der Stoffwechselprodukte aber immer nur zu einem Zeitpunkt messen. Um die Dynamiken im N-Acetylaspartat Stoffwechselprozess abzubilden, entwickeln  deshalb Forschende des Helmholtz Zentrums München in einem weiteren Teilprojekt ein dynamisches Computermodell, basierend auf den Braunschweiger Daten aus dem Massenspektrometer. Mithilfe des Computermodells werden Hypothesen bezüglich der Funktion von NAA in Stoffwechsel- und Signalprozessen erstellt, die dann experimentell validiert werden sollen.