IFF entwickelt Navigationssystem für »Enceladus Explorer« Raumfahrtprojekt entnimmt erstmalig unberührte Wasserprobe aus den Blood Falls der Antarktis
Ein interdisziplinäres Team aus Navigationsexperten des Instituts für Flugführung der Technischen Universität Braunschweig war in den vergangen drei Jahren maßgeblich an der Entwicklung des Navigationssystems für den kürzlich in der Antarktis erfolgreich getesteten „Enceladus Explorer“ beteiligt. Aufgabe der auf den Namen „Eis-Maulwurf“ getauften Sonde ist es, sich durch meterdicke Eisschichten zu schmelzen und möglichst reine Wasserproben zu entnehmen. Die im Rahmen des Verbundprojektes entwickelten Schlüsseltechnologien sollen künftig einer Weltraummission zum Saturnmond Enceladus zugutekommen.
Seit den ersten Hinweisen auf flüssige Ozeane unter den dicken Eispanzern einiger Monde des äußeren Sonnensystems wird darüber spekuliert, ob sich dort eigenständiges Leben entwickelt haben könnte. In diesem Zusammenhang ist der kleine Saturnmond Enceladus von besonderem Interesse, der aus Spalten an seinem Südpol Wassereispartikel in den Weltraum schleudert. Von der NASA-Sonde Cassini konnten darin einfache organische Verbindungen nachgewiesen werden. Eine Landemission zur genaueren Untersuchung dieser Wasservorkommen wäre ein entscheidender Schritt zur Beantwortung der Frage nach dortigem Leben, stellt aber aufgrund der Abgelegenheit und den extremen Bedingungen eine große technische Herausforderung für zukünftige Raumfahrtmissionen dar.
Schlüsseltechnologien für Weltraummission zum Saturnmond Enceladus
Eine wesentliche Schlüsselkomponente für eine solche Mission ist eine frei durch das Eis steuer- und navigierbare Einschmelzsonde, die vor sich in das Eis „sehen“ kann und ihre Position darin genau kennt. Mit dem durch das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) initiierten und geförderten Verbundvorhaben „EnEx – Enceladus Explorer“ wurde in den vergangenen drei Jahren ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen. In EnEx arbeiteten Ingenieure und Wissenschaftler von sechs deutschen Hochschulen (FH Aachen, RWTH Aachen, TU Braunschweig, Universität Bremen, Universität der Bundeswehr München, Universität Wuppertal) eng zusammen, um Schlüsseltechnologien für eine solche Mission zu entwickeln und sie in einem dem Enceladus-Szenario möglichst ähnlichen Feldversuch auf der Erde zu erproben. Zu diesen Schlüsseltechnologien zählen ein autonomes (bzw. hier im ersten Entwicklungsschritt noch halbautonomes) und robustes Navigations- und Detektionssystem sowie ein Dekontaminierungs- und Probenentnahmesystem. Diese wurden speziell für den Einbau in eine am Fachbereich für Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen entwickelte Einschmelzsonde, genannt EnEx-IceMole (EnEx-Eismaulwurf), konzipiert und integriert.
Der Weg zum Saturn führt über die Antarktis
Im November/Dezember 2014 wurde ein Feldversuch in Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern in der Antarktis durchgeführt, deren Projekt MIDGE (Minimally Invasive Direct Glacial Exploration) parallel von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) gefördert wurde. Ziel der Zusammenarbeit zwischen EnEx- und MIDGE-Forschern war es, mit einem minimal-invasiven Verfahren erstmalig eine unkontaminierte sich unter dem Eis befindliche (subglaziale) Wasserprobe aus den sog. Blood Falls (Blutfällen) in der Antarktis zu entnehmen. Dies ist dem EnEx/MIDGE-Team nun während der letzten Tage Ihres Aufenthalts an den Blood Falls gelungen. In einer Eistiefe von 16 Metern konnten sie subglaziales Wasser finden, mit dem EnEx-IceMole anfahren und kontaminationsfrei eine Probe entnehmen. Die amerikanischen Kollegen analysieren nun die vermutlich über eine Million Jahre von der Außenwelt abgeschlossen gewesene Wasserprobe mit den darin enthaltenen Mikroorganismen, und wie sich diese an die in subglazialen Seen gegebenen extremen Bedingungen angepasst haben.
Eine große Herausforderung für die Entnahme der Probe lag in der Klassifizierung des Feldtestgebietes als international besonders geschütztes Gebiet (ASPA, Antarctic Specially Protected Area), was mit sehr strengen Auflagen verbunden war und eine mehrfache schrittweise Sterilisierung der Sonde erforderte. Diese wäre natürlich auch für den extraterrestrischen Einsatz unbedingt notwendig, um nicht den Eismond mit irdischen Mikroorganismen zu verseuchen. Mit der erfolgreichen Probenentnahme konnten die EnEx-Verbundpartner zeigen, dass die entwickelten Technologien grundsätzlich funktionieren und potenziell auch auf Enceladus eingesetzt werden könnten. Die in EnEx begonnenen Arbeiten sollen in weiteren Forschungsvorhaben innerhalb der „EnEx – Enceladus Explorer“ Initiative des DLR Raumfahrtmanagements fortgeführt werden.
IFF-Navigationsexperten geben dem „Eis-Maulwurf“ Orientierung
Die Entwicklung eines Navigationssystems für die Eissonde war gerade in Hinblick auf den Einsatz im Rahmen einer Weltraummission von besonderer Bedeutung. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Neuroinformatik der Universität Bremen und dem Institut für Raumfahrttechnik und Weltraumnutzung der Universität der Bundeswehr München, arbeitete ein interdisziplinäres Forscherteam aus Navigationsexperten der TU Braunschweig daran, dem „Eis-Maulwurf“ Orientierung im Eis zu geben und damit eine teilautonome Fahrt zur Probenentnahme zu ermöglichen. Am Institut für Flugführung der TU Braunschweig wurden dafür Hard- und Software, unter anderem ein Verfahren zur Ziel- und Lagebestimmung der Sonde sowie eine Basisstation, entwickelt. Eine Anwendung der Sonde und damit des Navigationssystems im Rahmen einer Weltraummission birgt jedoch noch eine Reihe weiterer Herausforderungen. Vor allem die gegenüber der Erde besonderen magnetischen Bedingungen auf dem Saturnmond Enceladus sollen in Folgeprojekten am Institut für Flugführung in die weiteren Arbeiten einbezogen werden.
Weitere Informationen
- Die Pressemitteilung „Raumfahrt am Südpol – EnEx-Sonde entnimmt erstmals ’saubere‘ Wasserproben“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt vom 09. Februar 2015 finden Sie hier.
- Die Pressemitteilung „Erforschung des Eismondes Enceladus – TU Braunschweig entwickelt Technik für Navigation und Ortung im außerirdischen Eis“ der TU Braunschweig vom 25. April 2012 finden Sie hier.
- Weitere Informationen zum Verbundprojekt auf den Seiten des DLR-Raumfahrtmanagements finden Sie hier.
Kontakt
Dipl.-Ing. Sabine Macht
Institut für Flugführung
Technische Universität Braunschweig
Hermann-Blenk-Straße 27
38108 Braunschweig
Tel.: 0531/391-9839
E-Mail: s.macht@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/iff