9. September 2021 | Magazin:

Für eine brandsichere Stadt der Zukunft Professor Jochen Zehfuß zum neuen Zentrum für Brandforschung

Neue digitale Bauweisen, mehr Holzbauten, verstärkter Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, innovative Energiespeicher im Gebäude: Bei all diesen Änderungen im Bauwesen muss natürlich auch die Brandsicherheit gewährleistet werden. Dazu forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im neuen Zentrum für Brandforschung (ZeBra) der TU Braunschweig. Wir haben mit Professor Jochen Zehfuß, Leiter des Fachgebiets Brandschutz im Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB), über die besonderen Forschungsmöglichkeiten des ZeBra gesprochen.

Professor Jochen Zehfuß, Leiter des Fachgebiets Brandschutz im Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB). Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Herr Professor Zehfuß, im neuen Zentrum für Brandforschung – dem ZeBra – soll das Brandverhalten innovativer Bauweisen und Produkte erforscht werden. Können Sie beschreiben, warum das ZeBra so einzigartig ist?

Braunschweig ist bereits jetzt ein „Mekka“ des Brandschutzes: Wir haben eine Vielzahl von Brandöfen zur Untersuchung des Feuerwiderstandsverhaltens von Bauteilen – so viele wie keine andere Brandversuchsanstalt in Mitteleuropa. In unseren bisherigen Arbeiten stand jedoch meistens das Verhalten von Bauteilen bei einem Brand im Fokus, weniger der Brandverlauf als solches.

Im Zuge des Klimawandels, der Nachhaltigkeitsdiskussion, der Energiewende aber auch der Digitalisierung steht unsere Gesellschaft vor einer großen Transformation, die auch und gerade das Bauwesen betrifft. Das Bauwesen ist für einen großen Anteil des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Deshalb werden jetzt verstärkt Bauweisen unter Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen entwickelt. Hinzu kommt die digitale Fertigung von Bauteilen, mit der diese materialsparender und damit ressourceneffizient erstellt werden. Doch wie verhalten sich diese neuen Bauteile und Produkte im Brand? Sind unsere bisherigen Prüfverfahren überhaupt noch anwendbar? Diesen Forschungsfragen werden wir im ZeBra nachgehen.

Die Experimentierhalle des Zentrums für Brandforschung hat eine Fläche von 24 x 30 Metern und eine Raumhöhe von 22 Metern. In ihr werden mehrere Großgeräte untergebracht. Bildnachweis: iBMB/TU Braunschweig

Welche besonderen Forschungsmöglichkeiten bietet das neue Forschungszentrum?

Im ZeBra werden wir zwei Großkalorimeter haben. Wie muss man sich diese vorstellen? Im Grunde bestehen die Kalorimeter aus großen Hauben mit einer Fläche von zwölf mal zwölf Metern, über die die Brandgase aufgefangen und mit bis zu 70 Kubikmeter pro Sekunde abgesaugt werden. Über Messtrecken im Abgasstrom können wir die freigesetzten Gase analysieren und über die Sauerstoffreduktion auf die Wärmefreisetzungsrate schließen.

Im Freikalorimeter können wir beliebige Brandlasten ­– beispielsweise unterschiedliche Konfigurationen von Lagerregalen, aber auch Autos und sogar Busse ­– untersuchen. Das zweite Kalorimeter ist mit einem viergeschossigen Brandhaus gekoppelt. Hier können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für verschiedene Bauweisen Fassadenkonstruktionen und vertikale Brandausbreitungen über mehrere Geschosse erforschen. Auch neue Löschanlagen oder Brandbekämpfungsstrategien von Feuerwehren können im Realmaßstab erprobt werden.

Darüber hinaus haben wir noch weitere Kalorimeter in kleineren Maßstäben, um Batteriebrände zu untersuchen und Daten für Brandsimulationsmodelle (z.B. Zündtemperaturen) zu gewinnen. Denn ein wichtiger Bestandteil des Forschungszentrums ist neben der experimentellen Forschung auch die Brandmodellierung – mit dem Ziel, effizient und genau rechnende Modelle zu entwickeln. Da gehen experimentelle und theoretische Forschung Hand in Hand.

Wie oft werden Sie Versuche im ZeBra machen?

Die spektakulären Großversuche werden wir seltener durchführen. Denn diese sind ja auch mit immensen Kosten verbunden. Die Forschungssystematik des ZeBras soll dazu führen, dass wir mit Kleinversuchen oder Modellen das Brandverhalten immer besser beschreiben können und damit einen wichtigen Baustein für eine sichere Stadt der Zukunft schaffen.

Großversuche im Realmaßstab werden aber nicht zu ersetzen sein, um die Modelle zu überprüfen. Wir rechnen mit ca. fünf Großversuchen im Jahr. Die kleineren Versuche werden deutlich häufiger durchgeführt werden, im Durchschnitt haben wir mit 20 bis 30 Versuchen im Jahr kalkuliert. Wenn in der Bauausführung alles nach Plan läuft, können wir bereits in einem Jahr den ersten Versuch machen!