22. Juli 2015 | Magazin:

Forschungsprojekt »NEDS« geht fürs Netz an den Start Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Psychologie und Elektrotechnik mit zwei Teilprojekten beteiligt

Bis zum Jahr 2050 könnte ganz Deutschland mit Strom aus regenerativen Energiequellen versorgt sein: Das niedersächsische Verbundprojekt NEDS (Nachhaltige Energieversorgung Niedersachsen) will dazu beitragen, dass das ehrgeizige Vorhaben möglichst schnell Realität wird. Erstmals sollen dabei auch Nachhaltigkeitskriterien Berücksichtigung finden. An dem Vorhaben, das jetzt gestartet ist, sind unter der Federführung der Leibniz Universität Hannover auch die Technische Universität Braunschweig, die Universität Oldenburg, das Institut für Informatik Oldenburg und die Georg-August-Universität Göttingen beteiligt. In den nächsten vier Jahren werden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Szenarien und Entwicklungspfaden einer nachhaltigen Stromversorgung für das Jahr 2050 in Niedersachsen befassen. NEDS wird mit 2,5 Millionen Euro aus dem „Niedersächsischen Vorab“ der VolkswagenStiftung finanziert.

 

Untersuchungen von bisherigen Optimierungsmodellen hatten vor allem das Ziel, die Kosten zu minimieren und ließen den Aspekt der Nachhaltigkeit gänzlich außer Acht. Andere Systemanalysen berücksichtigten nur ausgewählte Netzgebiete und bezogen sich auf einzelne Verbrauchs- und Erzeugungstechnologien. Darüber hinaus existieren globale Modellansätze, die sich auf CO²-Emissionen beziehen und sich mit Verteilungseffekten durch die Energiewende beschäftigen. NEDS hat sich die Aufgabe gestellt, die Erkenntnislücken zu schließen und die Parameter speziell im Hinblick auf die Gegebenheiten des Landes Niedersachsen zu untersuchen. Ziel ist es, im Projekt unterschiedliche Szenarien mit Interessenvertretern aus Politik, Wirtschaft, Umwelt und Soziales sowie Verbrauchern zu diskutieren und zu analysieren.

Zur Erstellung eines verlässlichen, sicheren und technisch realisierbaren Stromversorgungssystems werden in NEDS verschiedene Nachhaltigkeitskriterien definiert und analysiert. Dem Projekt liegt ein möglichst umfassender Nachhaltigkeitsbegriff zugrunde, der von technischen Aspekten bis zu psychologischen Fragen, etwa der Akzeptanz bestimmter Technologien, reicht. Natur und Umwelt sollen so weit wie möglich geschont werden.

Dabei werden die Bedürfnisse der heutigen Bevölkerung wie der zukünftigen Generationen bis über das Jahr 2050 hinaus einbezogen. Diese Nachhaltigkeitskriterien werden in einem umfassenden, interdisziplinären Ansatz entwickelt, der den Zustand der Natur, die Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie sozioökonomische Auswirkungen und gesellschaftliche Akzeptanz berücksichtigt. „Ich freue mich sehr, dass wir im Angesicht der großen Herausforderungen durch die Energiewende mit diesem Projekt die Möglichkeit haben, ein technisch umsetzbares und unter Nachhaltigkeitskriterien optimales Energieversorgungssystem für Niedersachsen interdisziplinär zu erforschen und zu überprüfen,“ sagt Prof. Lutz Hofmann, Sprecher des Projekts und Vorstandsmitglied des Energie Forschungszentrum LiFE 2050 der Leibniz Universität Hannover.

Prof. Niko Paech der Universität Oldenburg ergänzt: „Das Projekt NEDS erscheint mir deshalb so wichtig, weil es nicht nur auf den technischen Wandel fokussiert, sondern auch den notwendigen sozial-ökologischen Wandel des niedersächsischen Energiesystems einbezieht“. Für den Herbst ist ein öffentliches Symposium in Hannover geplant, zu dem auch interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen werden. Mit den zuvor aufgestellten Kriterien und deren Gewichtungen werden zunächst Modelle entwickelt, an Hand derer Szenarien und Entwicklungspfade einer nachhaltigen Stromversorgung untersucht werden können. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dann einer multikriteriellen Bewertung unterzogen. „Mit den Methoden der multikriteriellen Entscheidungsunterstützung können sehr verschiedene Technologien im Hinblick auf mehrere Zielsetzungen untersucht werden. Damit können technische und ökonomische Aspekte simultan mit solchen der Nachhaltigkeit und der Akzeptanz berücksichtigt werden“, erklärt Prof. Jutta Geldermann von der Georg-August-Universität Göttingen. Prof. Dr. Michael Hübler, Leibniz Universität Hannover, ergänzt: „Das Projekt NEDS ermöglicht es uns, Nachhaltigkeit mit ihren diversen Facetten in den Blickpunkt einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsbetrachtung der zukünftigen Elektrizitätsversorgung zu rücken.“

Für Prof. Bernd Engel und Prof. Frank Eggert von der Technischen Universität Braunschweig liefert das Projekt die Möglichkeit, Integrationsprozesse von innovativen Technologien im Haushaltsbereich zu untersuchen. Durch die Einbeziehung des Bürgers bei dezentraler Erzeugung und Speicherung werden Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen nachhaltigem Nutzerverhalten und der daraus resultierenden Last- und Erzeugungssituation am Hausanschluss gesammelt. Zusätzlich wird das intelligent gesteuerte Haus ganzheitlich technisch und ökonomisch bewertet. Im Rahmen des Projektes besteht die Möglichkeit, nachhaltiges Verhalten theoretisch besser zu verstehen sowie die fördernden und hemmenden Faktoren zu analysieren. Damit ermöglicht NEDS über den Bereich der Gestaltung eines Energieversorgungssystems hinaus auch psychologische Erkenntnisse zur Gestaltung gesellschaftlicher Veränderung. Neben den Interaktionen von Individuen mit neuen technischen Möglichkeiten, wie „Smart Home“ oder „Smart Grid“, befasst sich die Analyse mit sozialen Prozessen, die bei der Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft zu berücksichtigen sind.

Prof. Michael Sonnenschein, Universität Oldenburg, und Prof. Sebastian Lehnhoff, OFFIS, sehen im Projekt einen wichtigen Baustein: „Die Energieinformatik als Querschnittsdisziplin schafft Wissen und Systemintelligenz durch adäquate Vernetzung und Orchestrierung der interdisziplinär aufgestellten Modelle und Szenarien einer nachhaltigen Stromversorgung, die das Alleinstellungsmerkmal von NEDS ausmachen.“

(Mit Material der Pressemitteilung der Leibniz Universität Hannover vom 22. Juli 2015)

 

Weitere Informationen

  • Die Pressemitteilung „NEDS geht fürs Netz an den Start“ der Leibniz Universität Hannover vom 22. Juli 2015 finden Sie hier.

 

Kontakt

Prof. Dr. phil. habil. Frank Eggert
Institut für Psychologie
Abteilung für Psychologische Methodenlehre und Biopsychologie (IPMB)
Technische Universität Braunschweig
Spielmannstraße 19
38106 Braunschweig
Tel: 0531/391 3145
E-Mail: ipmb@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/ipmb

Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel
Institut für Hochspannungstechnik und Elektrische Energieanlagen – elenia
Technische Universität Braunschweig
Schleinitzstraße 23
38106 Braunschweig
Tel: 0531/391 7737
E-Mail: elenia@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/elenia