30. November 2022 | Magazin:

Die optimale Luftzufuhr Tim Wittmann forscht auf dem Gebiet der Luftversorgungssysteme für Wasserstoff-Brennstoffzellen in Flugzeugantrieben

Wasserstoff-Brennstoffzellen zählen zu den Technologien mit besonderem Potenzial, wenn es um nachhaltige Antriebe von Flugzeugen geht. Tim Wittmann, Doktorand am Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen (IFAS) der TU Braunschweig, forscht an einer Systemauslegung für die Luftversorgung von Brennstoffzellen in großen Flughöhen. Zusätzlichen Schub für seine Arbeit lieferte ein Forschungsstipendium des Exzellenzcluster SE²A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation an der TU Braunschweig.

 

Timm Wittmann forscht an einem Luftversorgungssystem von Brennstoffzellen in großen Flughöhen. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Herr Wittmann, was sind die Vorteile eines mit Wasserstoff-Brennstoffzellen angetriebenen Flugzeugs?

Dieses Antriebskonzept ist nahezu emissionsfrei. Die Brennstoffzelle wandelt Wasserstoff mit Hilfe von Sauerstoff direkt in elektrische Energie für den Elektromotor um. Als einziges Abfallprodukt entsteht Wasserdampf.

Sie konzentrieren sich in Ihrer Forschung auf das Luftversorgungssystem. Warum?

Das Luftversorgungssystem ist ein wichtiger Teil des Brennstoffzellensystems. Es versorgt die Brennstoffzelle mit verdichteter, befeuchteter und erwärmter Umgebungsluft. Außerdem sorgt es dafür, das bei der Brennstoffzellenreaktion entstehende Flüssigwasser abzuführen. Während das Tanksystem den Wasserstoff unter nahezu konstantem Druck bereitstellen kann, variieren die Umgebungsbedingungen in großem Maße mit der Flughöhe. Insbesondere in großen Flughöhen sind Umgebungsdruck und -temperatur zu niedrig – dort oben ist die Luft dünn und kalt – um damit eine Brennstoffzelle effizient zu betreiben. Daher muss die Umgebungsluft, bevor sie in der Brennstoffzelle genutzt wird, durch Kompression verdichtet und erwärmt werden. Wir haben untersucht, welche Betriebsparameter und Systemarchitekturen hier optimal sind. Vor allem in großen Flughöhen ist das eine komplexe Optimierungsaufgabe.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben ein analytisches Modell mit breitem Parameterraum aufgebaut. Zwei zentrale Aspekte unserer Modellierung sind die möglichst exakte Berechnung der Brennstoffzellenspannung in Abhängigkeit von Druck, Temperatur, Sauerstoffstöchiometrie und Feuchtigkeit sowie die Berücksichtigung der Kondensation in der Turbine. Auf Grundlage unseres Modells haben wir optimale Betriebsparameter und Systemarchitekturen für zwei Anwendungsfälle bestimmt: für ein Passagierflugzeug in sieben Kilometer Flughöhe sowie für ein unbemanntes Flugzeug für Telekommunikationsdienste in 18 Kilometer Flughöhe.

Welche Betriebsparameter sind denn optimal?

Die optimale Luftzufuhr für eine Brennstoffzelle ist abhängig von der Stromdichte der Brennstoffzelle und der Flughöhe. Die Stromdichte ist das Maß für die Belastung der Brennstoffzelle. Je höher die Stromdichte, desto kompakter und leichter ist die Zelle. Allerdings ist auch der Wirkungsgrad schlechter. Bei kurzen Flugstrecken ist eine höhere Stromdichte besser. Diese benötigt höhere Drücke und Sauerstoffkonzentrationen. Bei langen Flugstrecken muss die Brennstoffzelle besonders effizient sein. Die Stromdichte ist also geringer, genauso wie die optimalen Drücke und Sauerstoffkonzentrationen. Zur Kondensation in der Turbine lässt sich sagen, dass sie das Luftversorgungssystem vor Temperaturen unter dem Gefrierpunkt schützt. Die freigesetzte Kondensationswärme steigert die Turbinenleistung und verbessert somit den Wirkungsgrad. Zudem hat unsere Modellierung gezeigt, dass das Luftsystem nicht zwingend einen Wärmetauscher zur Luftkühlung benötigt. Hierfür kann auch die Verdampfungsbefeuchtung genutzt werden. Das vereinfacht das System und spart Gewicht – in der Luftfahrt zählt bekanntlich jedes Kilogramm.

Sie leisten mit Ihrer Forschung so etwas wie Pionierarbeit, oder?

Timm Wittmann möchte mit seiner Forschung dazu beitragen, dass klimaneutrales Fliegen möglich wird. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Wir können zwar auf Grundlagenforschung für den Automobilbereich zurückgreifen. Aber der Einsatz der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie für Luftfahrtanwendungen ist komplexer. Zudem wird in vielen Publikationen in der Systemauslegung das Luftversorgungssystem nicht explizit betrachtet. Da sind wir mit unserer Forschung ganz vorn mit dabei.

Ihre Forschungsergebnisse sind auch für das Exzellenzcluster SE²A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation wichtig.

Ja, das Thema Energiespeicherung und -umwandlung in Flugzeugen gehört zu den  Forschungsschwerpunkten des Clusters SE²A an der TU Braunschweig. Der Cluster hat mir daher ein Forschungsstipendium ermöglicht. Als Gastdoktorand habe ich sechs Monate am National Fuel Cell Research Center der University of California in Irvine geforscht. Dort habe ich auch meine Kenntnisse in der Elektrochemie weiter vertiefen können. Dieses Fachgebiet spielt für Luft- und Raumfahrtingenieur*innen eine zunehmend wichtigere Rolle, wenn es um nachhaltige Antriebstechnologien mit Batterie oder Brennstoffzelle geht.

Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?

Ich sehe es als Glücksfall an, in der aktuellen Zeit forschen zu können. Es geht nicht mehr nur darum, mit neuen Technologien weitere wenige Prozent Verbesserung zu erzielen. Wir haben die Chance und auch die Aufgabe, revolutionäre Technologien zu entwickeln, mit denen klimaneutrales Fliegen überhaupt möglich wird. Mit meiner Forschung leiste ich also einen kleinen Beitrag zur Dekarbonisierung der Luftfahrt. Die Wasserstoff-Brennstoffzelle als Antriebstechnologie könnte in circa 15 bis 20 Jahren zum Einsatz kommen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Denn diese Lösung muss nicht nur technisch machbar sein, sondern auch die hohen Sicherheitsstandards, die in der Luftfahrt gelten, erfüllen.