Post aus … Irvine Doktorand Tim Wittmann berichtet von seinem Auslandsaufenthalt in Kalifornien, USA
Hier lebe ich momentan:
Ich lebe aktuell in Irvine, im Großraum Los Angeles. Irvine ist eine in den 60er Jahren von einer Firma gegründete Planstadt. Die ganze Stadt sieht aus wie ein Werbeprospekt. Alles ist sauber, gepflegt und sicher. Irvine wirkt dadurch aber auch recht künstlich und steril. Der Pazifik ist nur wenige Kilometer entfernt. Dort gibt es kilometerlange Strände, Promenaden und ganz viel kalifornischen Lifestyle.
Das mache ich in Irvine:
Ich bin Gastdoktorand am National Fuel Cell Research Center der University of California, Irvine. Hier arbeite ich an einer Systemauslegung für die Sauerstoffversorgung von Brennstoffzellen in großen Flughöhen. Als Luft- und Raumfahrtingenieur ist es für mich enorm spannend in die Welt der Elektrochemie einzutauchen und mich intensiv mit Brennstoffzellen auseinanderzusetzen. Am Ende meines Aufenthalts werde ich mit einer Veröffentlichung einen kleinen Baustein zur Dekarbonisierung der Luftfahrt beitragen.
Mein Aufenthalt dauert insgesamt:
Mein Aufenthalt in Irvine dauert sechs Monate und wird durch den Exzellenzcluster SE²A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation ermöglicht.
Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:
Wie alle Doktorand*innen habe ich durch die Pandemie viele Menschen nicht getroffen, viele Konferenzen nicht besucht und viele Dinge nicht gelernt. Der Aufenthalt in Kalifornien ist für mich die fantastische Möglichkeit, das nachzuholen.
Leben vor Ort
So wohne ich in Irivne:
Irvine ist sagenhaft teuer und auf Grund der dünnen Bebauung mit Einfamilienhäusern gibt es auch nur wenig Mietangebote. Mittlerweile habe ich ein Zimmer mit eigenem Bad im Haus einer älteren, sehr aktiven und fröhlichen Dame. Mit ihr verstehe ich mich sehr gut. Wir trinken öfter ein Glas Wein und ich war auch schon zu Gast in ihrem Lesezirkel. Für mich ist das eine tolle Gelegenheit, die Uni-Blase zu verlassen. Dort treffe ich zwar viel spannende Menschen, aber nur die wenigsten stammen aus Kalifornien.
Was unterscheidet das Arbeiten in Kalifornien von dem in Deutschland?
Im Gegensatz zur TU Braunschweig ist die UC Irvine eine richtige Campus-Universität. Alle Gebäude sind rings um einen großen, wunderschönen Park angeordnet. Ich genieße es, jeden Tag durch diesen Park zu gehen. Das Promovieren funktioniert hier anders als in Deutschland. Doktorand*innen sind hier eher hochqualifizierte Studierende als Mitarbeitende der Universität. Sie belegen Kurse, schreiben Prüfungen und sind selbst kaum in die Lehre involviert.
Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:
Ganz klar Sonne, Palmen und Strand. Südkalifornien erfüllt wirklich die bekannten Klischees. Was mich überrascht hat, sind die vielen Berge direkt an der Stadtgrenze. Aus meinem Bürofenster sehe ich den 3069 Meter hohen Mount San Antonio. Der ist höher als die Zugspitze! Teilweise kann ich selbst mit dem Fahrrad zu Wanderungen aufbrechen, die mich viele Stunden durch Sandsteincanyons und Kakteenwälder führen.
Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:
Ohne Auto ist man hier kein Mensch. Man tritt vor die Tür und fühlt sich wie auf einer vom Verkehr umtosten Insel. Zum Glück ist Uber relativ günstig und Irvine hat als große Ausnahme eine passable Fahrradinfrastruktur. Ich musste daher kein eigenes Auto kaufen und miete nur für Wochenendtrips einen Wagen. Ich freue mich schon jetzt wieder auf den Nahverkehr in Braunschweig!
Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes:
Der russische Angriffskrieg hat mich sehr beschäftigt. Ich habe am Strand unter Palmen für die Ukraine demonstriert. Das war ein surreales Erlebnis. Abgesehen davon musste ich mich an die neun Stunden Zeitverschiebung nach Deutschland gewöhnen. Wer mit Freunden und Familie Kontakt halten möchte, tut das am kalifornischen Vormittag. Dementsprechend muss man dann abends länger im Büro bleiben. Ansonsten ist es sehr leicht in Kalifornien anzukommen.
Das nehme ich von hier mit nach Hause:
Das offensichtlichste Andenken ist meine Sonnenbräune. Ich werde mir aber auch noch einige Dinge im riesigen Merchandise-Shop der UC Irvine besorgen.
Gut zu wissen
Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:
Kalifornien hat es in seiner kurzen Geschichte noch nicht geschafft, viele eigene Gerichte zu entwickeln. Beliebt ist „Chowder“. Das ist eine dicke Fischsuppe mit Muscheln. Typisch kalifornisch ist für mich die riesige Vielfalt an Streetfood und Restaurants mit Essen aus der ganzen Welt. Man kann hier wochenlang jeden Tag etwas Neues ausprobieren. Natürlich gibt es auch sehr viele Fastfood-Ketten. Ich habe eine breit angelegte, wissenschaftliche Studie durchgeführt und kann sagen: Die besten Burger gibt es bei In-n-Out!
Welches Fettnäpfchen sollte man in Kalifornien vermeiden?
Richtige Fettnäpfchen gibt es nicht. Allerdings muss man sich mit den anderen Regeln und Gesetzen vertraut machen. Zum Beispiel würde öffentliches Biertrinken im Uni-Park das Interesse der bewaffneten Campuspolizei wecken.
Diesen Tipp gebe ich anderen Studierenden, die ins Ausland gehen möchten:
Such dir Freunde, mietet euch ein Auto und fahrt in die Natur! Der amerikanische Südwesten ist das absolute Traumland für Roadtrips. Die Nationalparks sind für mich das Beste, was Kalifornien zu bieten hat. Wer Städte sehen möchte, sollte Los Angeles meiden und meine neue große Liebe San Francisco besuchen.
Pandemie
Diese besonderen Vorkehrungen habe ich im Vorfeld wegen des Corona-Virus getroffen:
Als angestellter Doktorand muss man neben den amerikanischen Einreisebedingungen auch ganz viele dienstrechtliche Fragen klären. Das war ein ziemlich komplexer Prozess mit vielen Aufs und Abs. Ansonsten natürlich: Impfen und Maske tragen!
So beeinflusst das Corona-Virus meinen Aufenthalt:
Bei meiner Abreise war Deutschland mitten in der Omikron-Welle. Vor dem Abflug war ich daher extrem vorsichtig, um mich nicht doch noch anzustecken. In Kalifornien war Omikron dagegen schon abgeflaut und Corona für mich plötzlich ganz weit weg. Am Arbeitsplatz gab es noch einige Wochen eine Maskenpflicht, aber draußen unter den Palmen konnte man schon wieder das Leben genießen.