Die Erinnerung wach halten Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus an der TU Braunschweig
Mehr als 50 Angehörige der damaligen TH Braunschweig wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von der Hochschule vertrieben, entlassen, diskriminiert, verfolgt, ermordet. Die Opfer waren Studierende, Professoren, Assistenten, Arbeiter. Um diesen Menschen zu erinnern, fand am 9. November 2018 – der Tag, an dem sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal jährte – eine Gedenkveranstaltung an der Carolo-Wilhelmina statt.
An der Stolperschwelle vor dem Altgebäude hielten Studierende sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inne, als Greta Bodó vom AStA-Vorstand die Namen aller Opfer vorlas. „Wir sehen uns als Vertretung der Studierendenschaft verpflichtet, dass niemals jemand vergessen wird“, hatte der AStA in seiner Einladung zum Gedenken geschrieben. „Wir alle sind Mitglieder dieser Hochschule, wir alle sollten durch eine lebendige Erinnerungskultur und unser Handeln im Alltag diesem Verblassen entgegentreten“, betonte Sören Meier vom AStA in seiner Ansprache vor der Kranzniederlegung. Erneut könne mit Angst und Ausgrenzung Politik betrieben werden, erneut werde die Entlassung von Lehrenden gefordert, weil sie nicht in das politische Weltbild der Hetzenden passen, erneut folgen – getrieben von solchen verbalen Angriffen – nicht selten Taten. „Es obliegt uns, sich diesem entgegenzustellen.“
Zivilcourage zeigen
Die Präsidentin der TU Braunschweig, Professorin Anke Kaysser-Pyzalla, erinnerte daran, dass von den Hochschulen in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft kein Widerstand ausgegangen sei. „Ich wünsche mir, dass wir alle dazu gelernt haben“, mahnte sie. Heute gebe es wieder Ansätze. Lehrende würden auf Internetplattformen denunziert. Auch an der TU Braunschweig gab es rechtsextreme Schmierereien, die Stolperschwelle wurde mehrfach übermalt. „Das ist absolut verabscheuungswürdig“, sagte die Präsidentin. Sie appellierte an alle, Zivilcourage zu zeigen und das Andenken zu schützen.
Die Stolperschwelle an der Freitreppe vor dem Altgebäude hält seit 2014 die Erinnerung an die zahlreichen Opfer des Nationalsozialismus wach. Diese hatte der Kölner Bildhauer Gunter Demnig in Kooperation mit dem Verein „Stolpersteine für Braunschweig e.V.“ verlegt. Die Stolperschwelle trägt die Inschrift: „In Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus an unserer Hochschule. Diskriminiert, entlassen, vertrieben, verfolgt, ermordet.“
Verhaftet und gefoltert
Von den 51 von der TH Braunschweig vertriebenen und entlassenen Menschen flohen 15 ins Ausland, fünf blieben auch nach dem Krieg im Exil. Insgesamt kehrten nur elf Dozenten nach dem Krieg an die TH Braunschweig zurück. Sechs waren 1945 nicht mehr am Leben. So wie Michael Wolfson. Der Lektor für russische Sprache wurde im Juni 1933 auf Grund seiner jüdischen Abstammung und seines jüdischen Glaubens entlassen. Michael Wolfson wurde 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 24. August desselben Jahres starb.
Gustav Schmidt, Vorsitzender der Sozialistischen Studentengruppe, wurde wegen seiner politischen Überzeugung nicht in den Schuldienst übernommen. Im Rahmen einer „Sühneaktion“ für einen erschossenen SS-Mann wurde er mit rund 400 anderen Personen verhaftet und gefoltert. Gustav Schmidt starb am 4. Juli 1933, ermordet von der SS.
Auch Ilse Rüder – 1908 erste Pharmaziestudentin und seit 1913 Assistentin an der TH Braunschweig – wurde 1933 aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen. Sie war Mitglied in der SPD und engagierte sich in der Friedensgesellschaft. Sie starb am 24. August 1936. Vermutlich nahm sie sich das Leben.