18. Februar 2021 | Magazin:

Der Interaktion zwischen Virus und Zelle auf der Spur Christian Sieben ist neuer Juniorprofessor für Zellbiologie viraler Infektionen

Viren können sich nicht selbstständig vermehren. Deshalb dringen sie in tierische, pflanzliche oder menschliche Zellen ein und verwenden diese als „Wirtszellen“, um ihr Erbgut zu vervielfältigen. Wie genau Viren es schaffen, der Wirtszelle Signale zu senden und sie für ihre Zwecke zu nutzen, damit beschäftigt sich Professor Christian Sieben. Er leitet seit dem letzten Jahr die Arbeitsgruppe Nanoscale Infection Biology am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und wurde im Dezember 2020 zum Juniorprofessur für Zellbiologie viraler Infektionen an der Technischen Universität Braunschweig ernannt. Im Interview hat er uns erzählt, wie er seine Forschung mithilfe von Zirkuszelt und Orange verbildlicht, was ihn für viele Stunden ins Labor treibt und was er im Sommersemester an der Carolo-Wilhelmina lehren wird.

Christian Sieben ist neuer Juniorprofessor ür Zellbilogie viraler Infektionen und leitet die Arbeitsgruppe Nanoscale Infection Biology am HZI. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Professor Sieben, womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung? Und wie würden Sie Ihre Arbeit jemanden wie mir erklären, die nicht aus diesem Bereich kommt?

Stellen Sie sich ein Zirkuszelt und eine Orange vor, dann haben Sie in etwa den Größenunterschied zwischen einem einzelnen Virus und dessen Wirtszelle. In unserer Arbeit beschäftigen wir uns mit der Frage wie Viren es – trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe und Komplexität – schaffen, Wirtszellen für ihre Zwecke zu nutzen und sogar zu verändern. Durch ihre geringe Größe haben Viren einen sehr kleinen Wirkungsradius, um mit der Wirtszelle zu interagieren. Dies kann sich auf die Interaktion von wenigen Proteinen beschränken. Hier wollen wir verstehen, wie Viren es schaffen, durch einfache Interaktionen der Wirtszelle Signale zu senden und wie diese von der Zelle verstanden und umgesetzt werden.

Um solche Prozesse zu visualisieren, verwenden wir vor allem Methoden der hoch- und super-auflösenden Mikroskopie. Die spezifische Markierung von viralen und zellulären Proteinen erlaubt es uns dann, die Virusinfektion mit sehr hoher räumlicher Auflösung zu untersuchen. Dabei schauen wir uns sowohl einzelne Viren, aber auch einzelne Proteine bei deren Arbeit an.

Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?

Die Faszination, Viren bei der Arbeit zu beobachten, entwickelte sich während meiner Doktorarbeit. Ich kam aus der pflanzlichen Zellbiologie und hatte zwar viel mikroskopiert, jedoch noch keine Berührung mit Viren im wissenschaftlichen Sinn gehabt. Ich fing an, spezielle Mikroskopieverfahren zu verwenden, um die Virusinfektion auf der Ebene einzelner Viren zu untersuchen und lernte dabei viel darüber, wie Viren funktionieren und damit auch, wie man Infektionen verhindern kann. Am Ende dieser Zeit kamen dann die neueren Methoden der super-auflösenden Mikroskopie mehr und mehr in die biologischen Labore. Da ich mich bereits sehr dafür interessierte, mit welchen Strukturen Viren auf der Zelloberfläche in Kontakt kommen und wie diese organisiert sind, war es für mich ein logischer Schritt, mehr über diese neuen Techniken zu erfahren. Während meiner Zeit an der École polytechnique fédérale de Lausanne, einer Universität in der Schweiz, habe ich mich vor allem technisch weitergebildet, aber auch den Reiz in der quantitativen Biologie entdeckt. Vieles in der Zellbiologie lässt sich wirklich sehr genau quantifizieren, also mit Zahlen beschreiben, und in Lausanne habe ich gelernt, wie man Mikroskope und Software entwickelt, um dies zu bewerkstelligen. In meiner Gruppe am HZI möchte ich nun die verschiedenen Strömungen kombinieren, um die Infektion viraler Erreger besser zu verstehen.

Sie leiten eine Arbeitsgruppe am HZI und sind seit kurzem Juniorprofessor an der TU Braunschweig – wie lässt sich beides miteinander verbinden?

Für mich ist das eine super Kombination. Ich habe meine Arbeitsgruppe am HZI und kann mich dort voll der Wissenschaft widmen. Die Juniorprofessur an der TU Braunschweig gibt mir zusätzlich die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, eigene Lehrveranstaltungen zu entwickeln und dabei wichtige Erfahrungen zu sammeln. Die Uniumgebung ist mir durch meine vergangenen Positionen durchaus vertraut und auch ans Herz gewachsen. Die Anbindung an die TU Braunschweig war mir daher von Anfang an wichtig.

Die Forschung rund um Infektionskrankheiten und insbesondere Viren ist im Laufe der Corona-Pandemie sehr stark in die Öffentlichkeit gerückt. Welche Rolle spielt Wissenschaftskommunikation bei Ihrer Arbeit?

Ich finde Wissenschaftskommunikation enorm wichtig. Es gibt viel öffentliches Interesse an unserer Arbeit und wir sollten versuchen, diese und deren Ergebnisse verständlich zur Verfügung zu stellen. Das kostet viel Zeit und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden in dieser Hinsicht auch bislang kaum geschult. Ich habe daher viel Respekt vor meinen Kolleg:innen, die die Öffentlichkeit mit wissenschaftlichen Informationen rund um die SARS-CoV-2 Pandemie versorgen. Auch selbst versuche ich regelmäßig etwas (vor allem Bilder) aus meiner Arbeit zu posten, lese und höre aber vor allem viele Beiträge meiner Kolleg:innen. Twitter ist hier für mich ein sehr geeignetes Medium. Ich habe auch sehr gute Erfahrungen gemacht, meine praktische Arbeit interessierten Personen näherzubringen, zum Beispiel bei der Langen Nacht der Wissenschaften. Eine ähnliche Veranstaltung gibt es ja auch an der TU Braunschweig, die ich mir auf jeden Fall ansehen werde.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten aus?

Labor, Schreibtisch, Mikroskop.

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler?

Hier gibt es durchaus einige schöne Erlebnisse. Zu meinen Schwerpunkten gehört ja auch die Aufklärung zellulärer Strukturen aus mikroskopischen Bildern. Wenn so eine neue Struktur Form annimmt und zu erahnen ist, wie die Funktion dadurch unterstützt wird, ist das schon ein toller Moment. In gewissen Aspekten ähnelt unsere Arbeit ja der Detektivarbeit, wobei wir Experimente machen, um Hinweise zu bekommen, wie eine bestimmte Fragestellung zu beantworten ist. Die Mikroskopie begeistert mich nach wie vor und treibt mich für viele Stunden ins Labor. Einzelne Proteine in lebenden Zellen zu beobachten, war dabei ein markantes „Aha-Erlebnis“ und inspiriert mich weiterhin. Diese Begeisterung versuche ich in meiner Gruppe, aber auch in den Studierenden zu wecken. Auch mein vierjähriger Sohn hat bereits ein Mikroskop.

Ein Ausblick auf die Zukunft: Was sind Ihre Pläne?

Unser Ziel ist es, die Nanophysiologie der Infektion zu verstehen und damit einen völlig neuen Blickwinkel auf die Interaktion zwischen Virus und Zelle zu generieren. Die Virusinfektion ist ein dynamischer Prozess, bei dem zelluläre und virale Proteine ständig miteinander interagieren. Solche komplexen Vorgänge, die zum Beispiel zur Bildung eines neuen Viruspartikels führen, wollen wir in Struktur und Funktion untersuchen. Dazu entwickeln wir neuartige Verfahren, um diese Nanostrukturen zu visualisieren und nutzen moderne Ansätze zur gezielten Störung, um auch mechanistische Rückschlüsse ziehen zu können.

Was sind für Sie besondere Herausforderungen in diesem Jahr?

Durch die Etablierung meiner Gruppe während der SARS-CoV-2 Pandemie ergeben sich größere und kleinere Herausforderungen. Bisher lief aber alles ohne größere Probleme und auch die Unterstützung durch das HZI bzw. die TU Braunschweig lässt keine Wünsche offen. Die Umgebung ist neu für mich, damit auch viele Abläufe und auch die Arbeit des Gruppenleiters birgt einiges an neuen Aspekten, in die ich mich erstmal einarbeiten muss. Es macht Spaß und ich freue mich auf alles Weitere wie zum Beispiel die Aufnahme der Lehre im Sommersemester.

Wie wird Ihre Lehre aussehen und was möchten Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?

Ich übernehme zum Sommersemester 2021 zunächst ein Modul in der Biologie und denke über ein Konzept nach, auch im Wintersemester eine Veranstaltung zu gestalten. Das Lehrangebot in der Biologie mit dem Schwerpunkt Infektionsbiologie ist toll und ein Aushängeschild der TU Braunschweig. Dies möchte ich unterstützen, um den Studierenden ein spannendes und zeitgemäßes Studium mit optimalen Jobaussichten zu ermöglichen. Die Onlinelehre ist dabei neu für uns alle. Wir werden versuchen, die Veranstaltungen so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, um die Studierenden am Bildschirm zu halten. Dazu möchte ich noch sagen, habt keine Scheu auch virtuell auf uns, also die Dozentinnen und Dozenten, zuzugehen. Wir werden versuchen, für euch ein optimales Lernerlebnis zu generieren, sind dabei aber auch auf Feedback angewiesen.

Was möchten Sie noch hinzufügen?

Ich freue mich auf meine neuen Aufgaben, und darauf mit Kolleg:innen und Studierenden an der TU Braunschweig in Kontakt zu treten. Ich werde mich zwar hauptsächlich am HZI aufhalten, möchte jedoch versichern, dass ich immer ein offenes Ohr für diverse Fragen und andere Anliegen haben werde.