29. November 2023 | Magazin:

Biotechnologie trifft Ethik Interdisziplinärer Austausch über die Bedeutung von Metaphern in der Wissenschaft

Im Braunschweiger Haus der Wissenschaft trafen sich Ethiker*innen aus Philosophie und Theologie mit Biolog*innen zum interdisziplinären Workshop „How Metaphors shape Biotechnology“. Fachleute aus ganz Deutschland kamen zusammen, um die Auswirkungen von Metaphern auf die Biowissenschaften zu diskutieren.

Die wissenschaftliche Forschung verwendet Metaphern, um die Wahrnehmung der Forschung selbst zu steuern (erkenntnistheoretische Kapazität von Metaphern) und um die öffentliche Wissenschaftskommunikation zu gestalten (diskursive Kapazität). Beispiele für solche Metaphern in der Biologie sind Begriffe wie „Antikörper“ für Immunglobuline, „Genetische Information“ für DNA, oder „Genschere“ für CRISPR/Cas9.

Die Verwendung von Metaphern ist in der Naturwissenschaft unerlässlich, um abstrakte und nicht physisch erfassbare Phänomene zu beschreiben – schließlich können wir die Moleküle der belebten Welt nicht wirklich sehen, denn sie sind selbst für Mikroskope zu klein. Wir brauchen also Metaphern, die wir aus unserer realen, fassbaren Welt schöpfen, um diese zu beschreiben und überhaupt Hypothesen formulieren zu können.

Teilnehmende des Workshops „How Metaphors shape Biotechnology“. Bildnachweis: Ron Hartmann/TU Braunschweig

Metaphern sind für die Formulierung wissenschaftlicher Hypothesen unerlässlich

Die Wahl einer bestimmten Metapher ist aber immer ein Kompromiss – das Bedeutungsspektrum der gewählten Metapher ist stets etwas anderes als die damit beschriebenen biologischen Vorgänge oder Substanzen. Damit entsteht für die Forschenden ein Problem, aber auch eine Chance: Die Wortwahl kann das Denken des Forschenden beeinflussen. Sie kann damit auch die Richtung der künftigen Forschungen ändern, da sie von Aspekten im biologischen System ablenkt, die wegen der Ungenauigkeit der Metapher nicht mehr assoziativ damit in Zusammenhang gebracht werden – oder Aspekte perspektiviert, die zukunftsweisende Erkenntnisse hervorbringen. Metaphern können freilich nie sämtliche Aspekte des tatsächlichen biologischen Phänomens exakt beschreiben.

Ohne Metaphern können moderne wissenschaftlicher Ergennisse nicht allgemeinverständlich erklärt werden

Metaphern sind weiterhin sehr wichtig, um wissenschaftliche Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln und so die öffentliche Wahrnehmung zu prägen und ihre Akzeptanz oder Ablehnung zu beeinflussen. Dies wurde nicht zuletzt in der Corona-Pandemie deutlich. Dieser Aspekt verdeutlicht ganz besonders die Verantwortung, die die Wissenschaft hat, wenn sie Vergleiche und Metaphern nutzt, um die komplexen Vorgänge der modernen Biologie allgemeinverständlich zu beschreiben. Die Auseinandersetzung mit der zentralen Rolle der Metaphern bei der Erkenntnisgewinnung und ihrer Bedeutung in der Wissenschaftskommunikation ist deshalb für alle Naturwissenschaften von großer Bedeutung, wurde systematisch aber bisher nur unzureichend erforscht.

Interdisziplinärer Workshop von Biowissenschaftler*innen und Ethiker*innen

Um diese heuristisch-epistemologischen, (wissenschafts-)kommunikativen, kreativen und kritischen Aspekte des Einsatzes von Metaphern in den Biowissenschaften zu diskutieren und ein Forschungsnetzwerk zu bilden, traf sich am 23. und 24. November 2023 eine Gruppe etablierter Expert*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen verschiedener deutscher Universitäten im Haus der Wissenschaft in Braunschweig. Die Veranstalter Stefan Dübel (Professor für Biotechnologie und Direktor des Instituts für Biotechnologie, TU Braunschweig) und Stefan Heuser (Professor für Systematische Theologie und Ethik, TU Braunschweig) freuten sich, dass zahlreiche Wissenschaftler*innen die Einladung zu Vorträgen angenommen hatten.

Neben der Auseinandersetzung mit klassischen Ansätzen der Metaphernforschung und dem aktuellen metapherntheoretischen Forschungsstand diskutierten die Teilnehmenden die Funktionen von Metaphern in aktuellen biowissenschaftlichen Feldern wie Antikörperforschung, biohybride Systeme und Epigenetik, warfen Fragen der Biologiedidaktik und der Wissenschaftskommunikation auf und bezogen sich auch auf den Metapherngebrauch im KI-Diskurs. Geplant ist, die erfolgreiche Zusammenarbeit fortzusetzen. Dabei soll insbesondere die interdisziplinäre Arbeit an zentralen Metaphern in den Biowissenschaften und an deren Beitrag zur Vermittlung und Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnis vorangetrieben werden.

Der Workshop wurde organisiert vom Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik (Professor Stefan Heuser) und dem Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik (Professor Stefan Dübel) im Rahmen des Seedfunding Programms “Interdisciplinary Collaboration” der Technischen Universität Braunschweig.