Ausgezeichnet: In Dissertation Virus-Abwehrreaktionen mathematisch modelliert Heinrich-Büssing-Preisträgerin Dr. Cordula Reisch im Interview
Dr. Cordula Reisch beschreibt in einem mathematischen Modell, wie die T-Zellen des Immunsystems mit den Viren von Leberentzündungen ringen. Die mathematischen Ergebnisse machen es der Medizin möglich, Einflussfaktoren für chronische Leberentzündungen mit lebensgefährlichen Spätfolgen zu identifizieren. So können mit Hilfe des Modells Behandlungspläne für Patienten hinterfragt und überarbeitet werden. Für ihre Forschung im Rahmen der Dissertation erhält sie den Heinrich-Büssing-Preis 2020.
Wie würden Sie Ihr Forschungsthema in wenigen Sätzen erklären?
In meiner Dissertation bin ich mit mathematischen Mitteln der Frage nachgegangen, wann virale Leberentzündungen wie Hepatitis B und C chronisch verlaufen. Dazu habe ich die Dynamik von T-Zellen als Zellen des Immunsystems und Viren durch ein kontinuierliches Modell beschrieben. Die Lösungen des mathematischen Systems lassen sich als ausheilende und chronische Krankheitsverläufe interpretieren. Weiterentwickelte mathematische Resultate erlauben Vorhersagen über das Auftreten von einem der beiden Lösungstypen. Aus medizinischer Sicht sind so Aussagen über Einflussfaktoren für chronische Leberentzündungen mit lebensgefährlichen Spätfolgen möglich.
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere Ihrer Ergebnisse?
Meine Arbeit verknüpft abstrakte mathematische Resultate mit biologischen Vorgängen. Dadurch werden die abstrakten Theorien greifbarer und gleichzeitig erfolgt ein Erkenntnisgewinn in einem Gebiet der Biologie, das noch nicht vollends verstanden ist. Das untersuchte mathematische Modell hat durch die Beschreibung der biologischen Gegebenheiten besondere Elemente. Derartige Modelle sind verhältnismäßig neu und noch unerforscht. Das Wechselspiel zwischen Anwendung und Mathematik bereichert daher beide Fachwissenschaften.
Wie lassen sich Ihre Ergebnisse praktisch anwenden? Wird das bereits gemacht oder daran gearbeitet?
Mit den mathematischen Modellen wird stark von der biologischen Beschreibung abstrahiert. Folglich bilden die Modelle eine neue Denkumgebung, in der neue Hypothesen getestet werden können. Die Realität ist natürlich komplexer. Eine praktische Anwendung erfolgt daher noch nicht. In aktuellen Arbeiten testen wir das Modell aus der Dissertation mittels verschiedener Behandlungspläne für Hepatitis B und C und nähern uns so einer Anwendung im Bereich der individuellen Therapie.
Was empfanden Sie als das Schönste an Ihrer Dissertation?
Eine schwierige Frage. Während meiner Promotionszeit habe ich stark von verschiedenen Konferenzen und dem Austausch mit anderen Wissenschaftlern dort profitiert. Die gesamte Zeit am Institut für Partielle Differentialgleichungen war für mich persönlich und wissenschaftlich bereichernd und ich möchte sie nicht missen. Bei der Dissertation selbst war es schön zu sehen, wie unterschiedliche Aspekte der Arbeit beim Schreibprozess nach und nach zusammenwachsen. Unterschiedliche Teilprojekte der Promotion ließen sich zu einem Gesamtbild mit verschiedenen Facetten verbinden. Die Dissertation selbst stellt den Abschluss der Arbeit mehrerer Jahre dar. Wenn man zurückblickt und auf die entstandene Arbeit stolz sein kann, ist das wohl das schönste Gefühl, auch wenn dadurch eine tolle Zeit zu Ende geht.
Wo arbeiten Sie jetzt?
Ich arbeite weiterhin, jetzt als PostDoc, am Institut für Partielle Differentialgleichungen an der TU Braunschweig. Die Mischung aus selbstbestimmter Forschung und dem Austausch mit den Kollegen bieten mir eine optimale Möglichkeit, meine weitere Karriere zu planen.
Was hat Ihre jetzige Arbeit mit Ihrem Dissertationsthema zu tun?
Momentan führe ich das Thema aus der Dissertation fort, arbeite aber auch in neuen, spannenden Projekten. Dadurch kann ich mein Wissen weiterhin anwenden, es gleichzeitig aber auch auf neue Probleme übertragen.
Was ist Ihre größte Leidenschaft neben der Wissenschaft?
Beruflich gesehen ist das sicherlich die Lehre. Neben dem Mathematikstudium habe ich auch ein Masterstudium für das Lehramt am Gymnasium abgeschlossen. An der TU Braunschweig kann ich das gewonnene Wissen bei meinen Lehrveranstaltungen einsetzen und begrüße den Austausch mit den Studierenden. Neben dem beruflichen Alltag spiele ich leidenschaftlich gerne Volleyball. Meine Mannschaft etabliert sich gerade in der Regionalliga und bietet mir mit vielen unterschiedlichen Charakteren einen wunderbaren Ausgleich zur Arbeit in der Wissenschaft.