Aus der Arbeit der Senatskommission zur geschlechtergerechten Sprache Im Gespräch mit Professorin Miriam Langlotz und Professor Holger Hopp
Bis Ende Juni beschäftigt sich eine Senatskommission mit Mitgliedern aller Statusgruppen der TU Braunschweig mit geschlechtergerechter Sprache. Derzeit diskutiert sie eine mögliche neue Leitlinie „Sprache und Diversität“, die dem Senat als handhabbare Praxis vorgeschlagen werden könnte. Professorin Miriam Langlotz und Professor Holger Hopp, die die Kommissionsleitung innehaben, berichten im Interview mit Bianca Loschinsky über die Arbeit der 14 Mitglieder.
Frau Professorin Langlotz, Herr Professor Hopp, Sie leiten die Senatskommission, die sich mit den „Empfehlungen für einen geschlechterbewussten Umgang mit Sprache“ von 2016 beschäftigt. Was genau ist die Aufgabe der Kommission?
Prof. Miriam Langlotz: Die Kommission hat von den Senatorinnen und Senatoren den Auftrag erhalten, bis Ende Juni zu prüfen, ob sich aufgrund der Entwicklung in den vergangenen vier Jahren, insbesondere der Änderungen im Personenstandsgesetz, die Notwendigkeit ergibt, den Leitfaden von 2016 anzupassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das Präsidium daraufhin die Verwendung des Gendersterns für Ordnungen und vergleichbare Dokumente an der TU Braunschweig empfohlen hat, da es sich hierbei um eine gendersensible Schreibweise handelt, die auch Personen inkludiert, die sich in einem zweigeschlechtlichen Kategoriensystem nicht wiederfinden.
Wer ist an der Kommission beteiligt?
Prof. Holger Hopp: Es sind Vertreterinnen und Vertreter aller Statusgruppen der Universität beteiligt, so dass ein universitätsübergreifender Dialog stattfinden kann. Der Kommission gehören insgesamt 14 Personen aus allen Fakultäten und der Verwaltung sowie der Studierendenschaft an. Die Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Wrobel gehört als beratendes Mitglied der Kommission an.
Es gibt ein Bewusstsein über alle Fakultäten und alle Kommissionsmitglieder hinweg, dass wir etwas ändern müssen. Das Ausmaß der Änderungen ist natürlich Gegenstand der Diskussion. Bereichernd ist, dass nicht nur fachlich geprägte Perspektiven, die Frau Professorin Langlotz als Sprachdidaktikerin und ich als Sprachwissenschaftler mitbringen, vertreten sind, sondern auch Positionen aus dem Universitätsalltag, die sich vornehmlich mit der Handhabbarkeit, der Umsetzung und der Akzeptanz beschäftigen. Die Aufgabe der Kommission ist nicht eine kohärente wissenschaftliche Position zu formulieren, sondern eine handhabbare Praxis in einem Leitfaden zu skizzieren, die auch umgesetzt wird.
Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?
Prof. Langlotz: Wir haben den Auftrag im Januar erhalten und das erste Mal am 2. März getagt. Im ersten Schritt haben wir diskutiert, inwiefern der Leitfaden von 2016 einfach angepasst werden kann, indem nichtbinäre Geschlechteridentitäten mit aufgenommen werden können. Uns erscheint jedoch, dass der Leitfaden von 2016 grundsätzlich sehr stark der Binarität und der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verhaftet ist und das als immanente Argumentationslogik nutzt. Diese Perspektive nimmt in der Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit ebenfalls noch eine wichtige Rolle ein, daher wollen wir sie nicht ersetzen. Wir haben als Kommissionsleitung derzeit den Auftrag der Senatskommission, eine alternative Leitlinie zum Thema „Sprache und Diversität“ zu entwickeln. Wir wollen damit eine übergeordnete Perspektive auf einen breiteren Diversitätskontext einnehmen und damit einen umfangreicheren Rahmen für genderbewusste Sprache schaffen. Dies diskutieren wir in der Senatskommission und unterbreiten es dann gegebenenfalls als Vorschlag dem Senat.
Ziel könnte dann sein, dass die Empfehlungen von 2016 weiter Bestand haben und den damaligen Stand der Diskussion abbilden. Wir erarbeiten eine weitere Leitlinie „Sprache und Diversität“, die viele Gedanken der Leitlinie von 2016 aufnimmt, aber auch neuere Entwicklungen berücksichtigt.
Die neue Leitlinie wäre also eine Ergänzung?
Prof. Hopp: Da wollen wir als Senatskommission – so der jetzige Stand der Dinge – eigentlich keine Empfehlung geben, sondern es als Vorschlag einbringen. Uns als Senatskommission obliegt nicht die Entscheidung, was damit geschieht. Wir wurden gebeten zu schauen, inwieweit es die Notwendigkeit gibt, Empfehlungen zur Aktualisierung und gegebenenfalls konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Wir haben den Auftrag, dies bis Ende Juni zu tun.
Orientieren Sie sich an anderen Leitlinien?
Prof. Langlotz: Wir haben uns natürlich vorher angeschaut: Was sind die kürzlichen Entwicklungen rechtlicher Natur, die gesellschaftspolitische Diskussion, aber auch wie vollziehen andere Universitäten und öffentliche Institutionen im näheren oder ferneren Umkreis geschlechterbewussten Umgang mit Sprache? Wir orientieren uns in gewissem Maße auch daran, zum Beispiel an den 2019 veröffentlichten Empfehlungen zur geschlechtersensiblen Verwendung von Sprache der TU9.
Prof. Hopp: Wir haben für unsere Diskussionen auch einige Kuriositäten gesammelt, zum Beispiel mit falschen und unsystematischen Verwendungen des Gendersterns. Manches ist nicht lernbar, und es gibt keine Regeln dazu. Das ist unter anderem auch schwierig für Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Wenn wir jedoch aktuelle Entwicklungen zur genderinklusiven Sprache konsequent mitgehen, müssten wir viele Studiengänge umbenennen. So müsste zum Beispiel das Bauingenieurwesen zum Bauingenieur*innenwesen werden, da sozialpsychologische Studien zeigen, dass sich Bewerberinnen nicht so sehr angesprochen fühlen. In der Diskussion ist es uns daher wichtig, dass wir diverse Optionen vorschlagen, damit wir situations-, modalitäts-, und adressatengerecht effizient, regelbasiert und zugleich inklusiv oder neutral sprechen und schreiben können.
Genderstern, Doppelpunkt, Beidnennung. Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Prof. Hopp: Das, was auch die TU9 als erste Empfehlung ausspricht, sind geschlechtsneutrale Formulierungen. Angefangen bei den schon weit verwandten Partizipien „die Studierenden“ im Plural, „das Team“, „die Führungskraft“ bis hin zu unpersönlichen Formulierungen, Passiv- oder Infinitivkonstruktionen. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, geschlechtsneutral zu sprechen und zu schreiben, immer dann wenn das natürliche oder soziale Geschlecht der adressierten Person entweder unbekannt oder unwichtig ist. Gerade im universitären Kontext arbeiten wir sehr viel mit Rollen- oder Funktionsbezeichnungen: Studierende, Dekanat, usw. Insofern erscheint das auch als ein sehr guter und gangbarer Weg, geschlechtersensibel zu sprechen oder vor allem rechtschreibkonform zu schreiben, auch wenn es nicht im engeren Sinne geschlechterinklusiv ist.
Natürlich gibt es auch sprachsystematische Argumente dagegen: So drücken Partizipien gewöhnlich eine Verlaufsform aus. Eine Anwesende ist anwesend, solange sie anwesend ist. Wie ist das dann mit den Studierenden, wenn sie gerade nicht studieren?
Können Sie bereits einen Einblick geben, wie mögliche Empfehlungen zu „Sprache und Diversität“ aussehen könnten?
Prof. Langlotz: Wir möchten unterschiedliche Varianten des geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs skizzieren und dann Empfehlungen geben, welche Varianten in welchen Situationen und in welchen Modalitäten – geschriebene, gesprochene Sprache – Vor- und Nachteile haben, ohne etwas vorzuschreiben. Eine mögliche Leitlinie „Sprache und Diversität“ will Vorschläge machen und ihrem Titel getreu Diversität auch programmatisch vertreten und sagen: Wir können Sprache divers benutzen, und dafür haben wir sprachliche Kompetenzen. Deshalb gibt es nicht nur einen einzigen Weg, der eingeschlagen werden soll. Da ist es auch sehr wichtig, dass verschiedene Perspektiven für die Verwaltung oder Öffentlichkeitskommunikation aufgezeigt werden. Hier gibt es etwa einen anderen Sprachgebrauch als in einem Seminar oder einer wissenschaftlichen Hausarbeit.
Prof. Hopp: Sowohl geschlechtsneutrale Formulierungen, wie geschlechterinklusive Varianten – darunter fällt auch der Genderstern – haben ihre Berechtigung und auch vermeintlich althergebrachte Formen wie die Beidnennung, die nur binäre Geschlechtsidentitäten mit berücksichtigt, ist in vielerlei Kontexten oder auch im gesprochenen Diskurs sicherlich noch angebracht. Diese vielfältigen Möglichkeiten möchten wir mit konkreten Anwendungsbeispielen illustrieren, ähnlich wie das auch der Leitfaden von 2016 tut, aber noch stärker auf die tatsächliche Nutzungspraxis bezogen.
Insgesamt möchten wir eine ausgleichende, handhabbare Leitlinie für die universitäre Praxis, die durch alle Fakultäten und die Verwaltung Akzeptanz finden kann, formulieren. Aber selbst wenn es eine neue Leitlinie gibt, ist die Diskussion sicherlich nicht abgeschlossen. Es ist ein Prozess, der sich weiterentwickelt, gerade weil es im Moment in den Medien und der gesellschaftspolitischen Diskussion auch im Fluss ist. Deshalb wird die Kommission in der Leitlinie auch nicht nur eine einzige Empfehlung geben, weil wir dann spätestens in vier Jahren wieder eine neue benötigen.