Asteroiden – Kann uns die Wissenschaft vor Einschlägen schützen? Im Gespräch mit Professor Jürgen Blum
Auf einer Pressekonferenz in Berlin erklären internationale Wissenschaftler heute, warum wir mehr über erdnahe Asteroiden wissen sollten. Ihr Ziel ist es, die Erde vor dem Einschlag von gefährlichen Asteroiden zu schützen. Mit der „Asteroid Impact Mission“ (AIM), einer geplanten europäischen Weltraummission, wollen sie neue Erkenntnisse liefern. Die Forscher wollen berechnen und erproben, ob und wie man Asteroiden ablenken kann, die auf der Erde einzuschlagen drohen. Einer der Experten ist Professor Jürgen Blum, Leiter der Forschungsgruppe “Planetenentstehung und Kleine Körper” am Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik.
Herr Professor Blum, müssen wir uns Sorgen machen? Angeblich gibt es 15.000 gute Gründe, uns auf eine Kollision von Asteroiden mit der Erde vorzubereiten …
Zunächst einmal: Nein, es besteht gar kein Grund zur Sorge. Die guten Gründe stehen für jeden der 15.000 bekannten Asteroiden, die der Erde aufgrund ihrer Umlaufbahn zeitweise ziemlich nahe kommen. Aber die größten und gefährlichsten haben wir schon jetzt gut im Blick. Es existieren wohl mehrere zehntausend weitere erdnahe Asteroiden, deren Durchmesser mehr als 140 Meter beträgt und die der Erde gefährlich werden könnten. Die NASA hat sich vorgenommen, in den nächsten Jahren 90 Prozent von ihnen zu orten. Jedes der bekannten Objekte ist in Risikotabellen verortet und bewertet – wie bei einer Versicherung. Keins davon gilt für die nächsten hundert Jahre als besonders riskant.
Dass ein Asteroid das Leben auf der Erde bedroht, ist ja ein beliebtes Motiv in Hollywood-Filmen. Historisch verbinden wir das Aussterben der Dinosaurier mit diesem Szenario. Aber seither ist ja nicht viel passiert. Warum wollen Sie gerade jetzt diese Mission starten?
Die erdnahen Asteroiden sind aufgrund ihrer eigenen Umlaufbahn mal sehr weit von der Erde entfernt und dann wieder relativ nah. Die himmelsmechanischen Bedingungen sind genau jetzt besonders günstig, denn im Jahr 2022 werden der Asteroid Didymos und sein Mond so in Erdnähe sein, dass wir sie relativ einfach erreichen und neben den Raumsonden auch von der Erde aus beobachten können. Unser besonderes Interesse gilt dem Didymos-Mond, der ein ideales Forschungsobjekt ist. Solche Bedingungen gibt es allerdings nicht oft. Wenn wir diese Gelegenheit nicht nutzen, müssen wir bestimmt 20 Jahre lang auf die nächste warten.
Kann die Wissenschaft vorausberechnen, wann es zur Kollision kommen würde? Und wie viel Zeit bliebe dann noch, um einen Plan zu entwickeln?
Das System der Asteroiden ist im Grunde chaotisch. Kleine Ereignisse können relevante Änderungen auslösen. So können wir ihre Bahn nur für die nächsten etwa hundert Jahre so genau vorhersagen, dass wir eine Kollision mit der Erde ausschließen können. Das Phänomen lässt sich mit der Wettervorhersage vergleichen. Präzise berechnen kann man es nur auf wenige Tage, irgendwann kann man nur noch mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Hundert Jahre klingt da vergleichsweise viel, aber in meinem Fach ist das eine kurze Zeit. Immerhin: Die Körper, die wir jetzt sehen, können uns in dieser Zeit nicht gefährlich werden.
Kleinere Körper schlagen immer wieder mal auf der Erde ein, meist aber ohne großen Schaden anzurichten. Große Kollisionen wie vor 65 Milliarden Jahren, die zum Massensterben ganzer Arten führten, gibt es statistisch in vielen Millionen Jahren nur einmal. Sie sind also extrem unwahrscheinlich, aber auch da hätten wir nur hundert Jahre, um sie vorauszuberechnen und möglichst zu verhindern.
Der Didymos-Mond, den wir untersuchen wollen, hat einen Durchmesser von nur 150 Metern. Es ist auf seiner jetzigen Bahn komplett ungefährlich. Wenn aber ein vergleichbarer Asteroid auf die Erde träfe, würde er einen mehrere Kilometer großen Krater hinterlassen und eine riesige Staubwolke produzieren. Das könnte uns zwar nicht komplett das Licht ausknipsen, aber lokal einen sehr großen Schaden anrichten.
Was sind eigentlich Asteroiden?
Die großen Asteroiden mit Durchmessern von einhundert Kilometern oder mehr sind Überbleibsel aus der Entstehungszeit unseres Planetensystems. Man könnte sagen, sie haben es nicht geschafft, selbst Planeten zu werden. Die kleineren sind Bruchstücke aus Kollisionen zwischen den größeren. Die haben ja die Angewohnheit, genau das miteinander zu machen, was sie mit der Erde tun können – sie kollidieren und gehen dabei zu Bruch.
Was kann man denn tun, um einen Asteroiden auf Kollisionskurs vom Einschlag abzuhalten?
Dazu gibt es mehrere Ideen. Wir wollen mit AIM die aus unserer Sicht effektivste erproben. Zunächst müssen wir unser Objekt genauestens vermessen. Dann wollen unsere Partner im Rahmen der NASA-Mission DART eine 300 Kilogramm schwere Sonde in den Mond schießen, um dessen Bahn zu verändern.
Und genau hier liegt die Schwierigkeit. Denn man kann ein Objekt zu wenig ablenken – dann würde es nach wie vor mit der Erde kollidieren. Es kann aber auch sein, dass man es zu viel beeinflusst, mit der Folge, dass es bei der nächsten oder übernächsten Begegnung dann erst recht einschlagen würde. Wir suchen also das richtige Maß. Dieses Problem kann man nicht im Fallturm-Experiment oder alleine durch Rechnersimulation lösen, sondern man braucht realistische Experimente wie das von uns geplante, denn der Didymos-Mond ist ein typischer Asteroid, sodass wir aus den Erkenntnissen, die wir dort gewinnen, sehr gute Schlüsse für die Zukunft ziehen können. Man kann sagen, wir forschen für die Sicherheit der nächsten Generationen, die noch nicht geboren sind.