TU Braunschweig: Mehr Investition in Psychotherapie könnte die Kosten im Gesundheitswesen senken
Rund 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden jährlich an einer Angststörung, circa 12 Prozent sind an einer affektiven Störung wie beispielsweise einer Depression erkrankt. Psychische Erkrankungen verursachen enorme Kosten für das Gesundheitswesen: Nach Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) wurden alleine im Jahr 2008 insgesamt 29 Milliarden Euro für die Behandlung ausgegeben. Hinzu kommen Kosten, die dadurch entstehen, dass Patienten arbeitsunfähig sind oder frühzeitig in Rente gehen. Eine Studie des Instituts für Psychologie der TU Braunschweig zeigt nun: Pro investiertem Euro für die Psychotherapie könnten zwischen zwei und fünf Euro eingespart werden.
In der Studie werden die Kosten einer zusätzlichen Mehrbehandlung von Angsterkrankungen und affektiven Störungen dem prognostizierten finanziellen Nutzen gegenübergestellt. Inwieweit sich die zusätzliche Behandlung für das gesamte Gesundheitswesen finanziell lohnt, hängt davon ab, wie viele Menschen sich überhaupt psychotherapeutisch behandeln lassen und eine Therapie erfolgreich abschließen würden. Die Forscher gingen bei ihrer Prognose davon aus, dass sich 33 beziehungsweise 50 Prozent aller Patienten mit Angststörungen oder affektiven Störungen behandeln ließen. Außerdem legten sie der Rechnung eine voraussichtliche Heilungsrate von 78 Prozent bei Angststörungen und von 59 Prozent bei affektiven Störungen zugrunde. Wenn sich ein Drittel der Betroffenen behandeln ließe, könnten jedes Jahr 3,1 Millionen der Patienten gesund werden. Bei einer Behandlungswilligkeit von 50 Prozent wären es sogar 4,8 Millionen Menschen pro Jahr.
„Nimmt man eine durchschnittliche Behandlungsdauer von 25 Sitzungen an, dann könnten – je nach Behandlungsquote – innerhalb eines Jahres zwischen ein und zwei Milliarden Euro durch die Behandlung affektiver Störungen und sogar rund 8 bis 12 Milliarden Euro bei Angststörungen eingespart werden“, erklärt Dr. Christoph Kröger, Geschäftsführender Leiter der Psychotherapieambulanz der TU Braunschweig. Denn je mehr Patienten erfolgreich behandelt werden, desto weniger Krankengeld muss ausgezahlt werden, und es entstehen weniger Ausfälle durch Arbeitsunfähigkeit. Gleichzeitig wird stationären Behandlungen vorgebeugt und es gehen weniger Menschen in Frührente.
Bei den Schätzungen konnte nicht berücksichtigt werden, dass die verschiedenen Ausprägungen der Störungen und zusätzlich auftretende Krankheiten unterschiedliche Kosten verursachen. Außerdem beziehen sich die Ergebnisse nur auf Angst- und affektive Störungen und sind nicht auf andere psychische Störungen übertragbar. „Dennoch kann diese Kosten-Nutzen-Analyse einen Beitrag in der Debatte um die Bedarfsplanung und Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen leisten. Mit einer unkomplizierten und zeitnahen Bewilligung von Kurzzeittherapien ließen sich die Arbeitsfähigkeit und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern“, sagt Dr. Christoph Kröger.