2. Oktober 2019 | Presseinformationen:

Strategien für eine nachhaltige Urbanisierung Auftakt für Internationales Forschungsprojekt „EAST-CITIES“

Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. In wenigen Ländern schritt die Urbanisierung in den vergangenen Jahren so voran wie in China. Diese rasante Entwicklung birgt große Chancen – wie eine Verbesserung des Lebensstandards – hat jedoch auch negative Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen und die Umwelt. Hier setzt das internationale Forschungsprojekt „EAST-CITIES – Establishing and Achieving Sustainability Targets in Eastern Chinese Cities“ an. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und China unter Leitung der Technischen Universität Braunschweig und der Tongji University, Shanghai, wollen gemeinsam die nachhaltige Entwicklung von Stadtregionen untersuchen.

Die Urbanisierung Chinas kann als eines der größten Projekte der Menschheit angesehen werden. Noch nie zuvor waren so viele Menschen in Städten und städtischen Regionen beheimatet. Noch nie zuvor haben so viele Menschen in so kurzer Zeit eine so deutliche Verbesserung ihres Lebensstandards und ihrer sozioökonomischen Möglichkeiten erlebt. Gleichzeitig führt die fortschreitende und rasante Urbanisierung in China zu ökologischen Problemen, die mit einer Minderung der Lebensqualität einhergehen. Die Forscherinnen und Forscher wollen neue Ansätze für eine nachhaltige Stadtentwicklung entwickeln, die auf einem besseren Verständnis regionaler Siedlungsformen am Übergang von Stadt zu Land und ihren Wechselwirkungen fußen.

Das interdisziplinäre EAST-CITIES-Forschungsteam der Tongji University Shanghai, der Technischen Universität Braunschweig, der Leibniz Universität Hannover (LUH) sowie GESIS Leibniz Institut für Sozialwissenschaften konzentriert sich gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern in China auf die ganzheitliche Entwicklung von „mittelgroßen“ Stadtregionen von bis zu 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Stadtregion Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong wurde als Forschungsgebiet ausgewählt. Mit ihren rund 5 Millionen Einwohnern ist die Stadt eine sogenannte sekundäre Großstadt. In ihrem unmittelbaren Einzugsbereich leben weitere 2,5 Millionen Einwohner. Für die nächsten Jahre wird noch ein Bevölkerungszuwachs von über 1 Million Menschen erwartet.

Unerwünschten Auswirkungen von Urbanisierung entgegenwirken

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen fachübergreifend Strategien entwickeln, um unerwünschten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen aktueller Urbanisierungsmuster entgegenzuwirken. Dazu wird im Forschungsprojekt das Know-how für die vielfältigen, komplexen, maßstabs- und sektorübergreifenden Herausforderungen zusammengeführt. Unter anderem nachhaltige Architektur und Stadtplanung, nachhaltige Mobilität in Stadtregionen und Ressourcenmanagement, urbane Produktion und Landwirtschaft. Die Forschungsarbeiten schließen dabei die verschiedenen städtischen und ländlichen Siedlungstypen und die miteinander verbundenen Infrastruktursysteme und Landschaften ein. „Bislang wurden in der Stadtforschung sehr stark die Mega-City-Regionen mit über 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner fokussiert. Dabei wachsen in China insbesondere die vielen mittelgroßen Städte mit 5 bis 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner besonders stark. Indem wir uns nun mit dem Beispiel Qingdao ganz bewusst den mittelgroßen Städten und insbesondere der Stadt-Land-Problematik widmen, schließen wir eine Lücke in der Betrachtung nachhaltiger Regionen“, so die Projektleiterin der Forschungsgruppe in Deutschland, Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow vom Institute for Sustainable Urbanism (ISU).

Gemeinsame Projektwoche in Shanghai und Qingdao

Erste Ergebnisse der laufenden Forschungstätigkeiten werden im Rahmen einer gemeinsamen Projektwoche vom 8. bis 12. Oktober 2019 vor Ort vorgestellt und diskutiert. Eine Delegation aus 15 Forscherinnen und Forschern der TU Braunschweig und des L3S Research Centers der Leibniz Universität Hannover wird nach Shanghai und Qingdao reisen und gemeinsam mit ihren chinesischen Partnerinnen und Partnern das Untersuchungsgebiet erkunden.

Das Forschungsprojekt „EAST-CITIES – Establishing and Achieving Sustainability Targets in Eastern Chinese Cities“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Derzeit in der Definitionsphase (2019-2020) beträgt die Fördersumme bei Bewilligung im geplanten Projektzeitraum von 2020 bis 2024 ca. 3,7 Millionen Euro. Übergeordnete Fragestellung und Ziel des fünfjährigen Projektes ist die Entwicklung von Strategien, um Wachstum und Entwicklung von negativen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu entkoppeln.

Projektteam

Das deutsche Projektteam besteht aus drei Forschungsclustern: Mitgliedern des Forschungsschwerpunkts Stadt der Zukunft der TU Braunschweig, des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik und des L3S Forschungszentrum der Leibniz Universität Hannover. Hinzu kommt ein Projektteam in China aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der Tongji University Shanghai und weiteren chinesischen Partnern.

Die beteiligten Mitglieder des Forschungsschwerpunktes Stadt der Zukunft (SDZ) der TU Braunschweig bündeln Forschungsarbeiten in den Bereichen nachhaltige Architektur, Stadtplanung und -gestaltung (Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow, Institute for Sustainable Urbanism), Energiedesign und Ressourcen in der baulich-räumlichen Umgebung (Dipl.-Ing. Thomas Wilken, Institut für Gebäude- und Solartechnik), Verkehrsplanung (Prof. Dr. Thomas Bernhard Siefer, Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb) und Siedlungswasserwirtschaft (Prof. Dr. Thomas Dockhorn, Institut für Siedlungswasserwirtschaft) sowie urbane Produktion (Prof. Dr. Christoph Herrmann, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik).

Das zweite Cluster besteht aus Mitgliedern des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik (NFF). Die Forschungsbereiche des NFF konzentrieren sich auf die nachhaltige Mobilität in Stadtregionen. Relevante Kompetenzen des NFF für das Projekt EAST-CITIES sind die Entwicklung innovativer, flexibler, CO2-armer Mobilitäts- und Fahrzeugkonzepte (Prof. Dr. Thomas Vietor, Institut für Konstruktionstechnik).

Das L3S Forschungszentrum der Leibniz Universität Hannover ergänzt SDZ und NFF in dem Projekt. L3S-Mitglied und Principal Investigator Prof. Dr. Stefan Dietze (L3S/ GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) bringt Expertise und Toolsets für die Erfassung großer Datenmengen, Informationsextraktion und Datenanalyse ein, darunter eine Cluster-Computing-Infrastruktur (Hadoop), die eine leistungsstarke Datenverarbeitung und -analyse ermöglicht.

Die Forschungsgruppe an der Tongji University Shanghai besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des College of Architecture and Urban Planning (CAUP), des Clean Energy Automotive Engineering Center (CEAEC), der School of Automotive Engineering, Department of Comprehensive Transportation Information und des Department of Transportation Management Engineering und des UNEP TONGJI Institute of Environment for Sustainable Development (IESD) des College of Environmental Science and Engineering. IESD forscht in den Themenbereichen Klimawandel, Katastrophen und Konflikte, Ökosystemmanagement, Umweltmanagement, Schadstoffen, Ressourceneffizienz und Umweltbedingungen. Als nationales Forschungs- und Entwicklungszentrum für Brennstoffzellenfahrzeuge und Antriebsstrangsysteme des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie (MOST) etabliert CEAEC die technische Plattform für die Entwicklung und Bewertung von Fahrzeugen mit umweltfreundlichen Energien.

Weitere regionale Partner sind der Chinesisch-Deutsche Ökopark (SGEP) und das Unternehmen energydesign Shanghai. Zudem bringt die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) ihre Expertise ein.