24. April 2024 | Presseinformationen:

Raumsonde BepiColombo lüftet den Schleier der Venus Unser Nachbarplanet verliert Sauerstoff und Kohlenstoff in den Weltraum

Gemeinsame Presseinformation mit dem Institut für Weltraumforschung (IWF) Graz

Ein internationales Forscher*innen-Team unter der Leitung des französischen Laboratory of Plasma Physics (LPP/CNRS) beschreibt in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ neue Erkenntnisse über die Atmosphäre der Venus. Mit Hilfe von Beobachtungen der Raumsonde BepiColombo, an der auch das Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik (IGEP) sowie das Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze (IDA) der TU Braunschweig beteiligt sind, konnten in der magnetischen Umgebung des Planeten erstmals Kohlenstoff- und Sauerstoffionen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse sind jetzt in Nature Astronomy erschienen.

Geheimnisvoller Planet Venus

Unser Nachbarplanet Venus besitzt im Gegensatz zur Erde kein eigenes Magnetfeld. Daher wechselwirkt der von der Sonne ausgehende Teilchenstrom, auch Sonnenwind genannt, direkt mit der oberen Venus-Atmosphäre und entreißt dieser dabei geladene Teilchen, die so in den Weltraum entweichen können. Frühere Messungen von Raumsonden wie Venus Express hatten bereits gezeigt, dass diese Ionen hauptsächlich aus Sauerstoff und Wasserstoff bestehen. Die Massenauflösung der damals verwendeten Instrumente reichte jedoch nicht aus, um zwischen Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff zu unterscheiden.

Merkursonde BepiColombo fliegt an Venus vorbei

Auf ihrem Weg zum Merkur braucht die Raumsonde BepiColombo Vorbeiflüge an Erde, Venus und Merkur selbst sowie ein elektrisches Antriebssystem, um gegen die gewaltige Anziehungskraft der Sonne letztendlich in die Merkurumlaufbahn einschwenken zu können. Am 10. August 2021 flog die Raumsonde zum zweiten und letzten Mal an der Venus vorbei.

Bei dieser Gelegenheit näherte sich BepiColombo auf 552 Kilometer an die Oberfläche des Planeten an. Viele der Instrumente an Bord waren während des Vorbeiflugs aktiv und sammelten einzigartige Daten aus der Umgebung der Venus. Unter anderem entdeckte das Ionenmassenspektrometer (MSA) des IDA einen Strom von niederenergetischen Kohlenstoff- und Sauerstoffionen. „Die Magnetfeldmessungen ergänzen diese Partikelmessungen wunderbar und zeigen, dass diese Teilchen tatsächlich aus der Venusmagnetosphäre herausfließen“, freut sich Koautor Daniel Heyner, Mitglied in der IGEP-Magnetometergruppe. Das IGEP hat die Magnetfeldsensoren in Braunschweig gebaut und ist für deren Betrieb einschließlich der Datenverarbeitung zuständig.

Manche Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass die Venus vor 700 Millionen Jahren noch flüssiges Wasser auf der Oberfläche hatte. Durch einen katastrophalen Treibhauseffekt hätte sich die Oberfläche aber so aufgeheizt, dass sämtliches Wasser verdunstet und aus der Atmosphäre entwichen sei. Heutzutage besteht die Venusatmosphäre zu etwa 97 % aus Kohlenstoffdioxid. Die Entdeckung des Kohlenstoff-Teilchenstroms durch die Raumsonde BepiColombo liefert wichtige Informationen über die Zusammensetzung und die Dynamik der Magnetosphäre der Venus und könnte dazu beitragen, auch die bisherige und zukünftige Entwicklung ihrer Atmosphäre zu erklären. Die vom Planeten entweichenden Elektronen erzeugen ein elektrisches Feld, das vermutlich die Kohlenstoff- und Sauerstoffionen mitreißt und aus der Venusatmosphäre schleudert.

Das IGEP an Bord von BepiColombo

Die Doppelraumsonde BepiColombo ist eine Kooperation zwischen der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA. Das IGEP ist an den Magnetfeldmessgeräten auf beiden Raumsonden – Mio (Magnetosphärischer Orbiter) und MPO (Planetarer Orbiter) beteiligt. Finanziert wurden die IGEP-Beiträge von der Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt.

„Es ist schön, dass die jahrelange und intensive Arbeit an unseren Magnetometern bereits erste Früchte trägt, bevor BepiColombo überhaupt am Ziel angekommen ist. Gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen am Institut bin ich schon sehr gespannt, was die Instrumente über die Magnetosphäre des Planeten Merkur und sein Inneres herausfinden werden“, so Daniel Heyner.

„Wissenschaftler auf der ganzen Welt freuen sich über diese Messungen von BepiColombo während des Venusvorbeiflugs. Die neuen Daten ermöglichen weitergehende Forschungen über die Entwicklung von Planetenatmosphären, Magnetosphären und ihre Wechselwirkung mit dem Sonnenwind“, zeigt sich Professor Ferdinand Plaschke, Leiter der Arbeitsgruppe am IGEP, erfreut.

Warum ist Weltraumforschung wichtig

BepiColombo ist die erste europäische Mission zum Merkur, die in Kooperation mit der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) unter der Leitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA durchgeführt wird. Die Doppelraumsonde wurde am 20. Oktober 2018 gestartet und befindet sich auf einer siebenjährigen Reise zum kleinsten und am wenigsten erforschten terrestrischen Planeten in unserem Sonnensystem. Wenn sie Ende 2025 beim Merkur ankommt, werden die Hightech-Instrumente an Bord trotz Temperaturen von über 350 °C mindestens ein Jahr lang hochgenaue Daten sammeln, auf die man auf der Erde schon sehnlich wartet.

Merkur ist der einzige Planet im Sonnensystem, der wie die Erde eine feste Oberfläche hat und mit dem flüssigen Kern in seinem Inneren ein Magnetfeld erzeugt. Dieses Magnetfeld und seine Beeinflussung durch den Sonnenwind wird mit den Messgeräten der beiden BepiColombo-Satelliten präzise vermessen, um so den inneren Aufbau des Merkurs zu untersuchen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Erdkern zu erforschen und dadurch die innere Struktur unseres Heimatplaneten Erde besser zu verstehen.