Perfekt: Extrembedingungen für Bohrtest Forschungsbohrung auf dem Bodensee erfolgreich beendet
Von Mitte Mai bis Mitte Juli 2019 entnahmen vier Bohrexperten auf der neu entwickelten Plattform „HIPERCORIG“ Seesedimentenproben aus über 200 Metern Wassertiefe auf dem Bodensee. Neben Forscherinnen und Forschern der Technischen Universität Braunschweig und der Universität Konstanz waren Studierende aus Braunschweig, Bern und Bochum im Einsatz. Ihr Ziel war, das neue Bohrsystem zu testen und damit Seesedimente durchgehend zu gewinnen und zu beproben. Zwei je 24 und 22 Meter lange Kernstrecken – mehr als doppelt so tief wie bisher möglich – konnten auf diese Weise zwei Kilometer südwestlich vor Hagnau geborgen werden. Auch die Technik konnte dabei erheblich verbessert werden.
Große Herausforderungen waren vor Ort die große Wassertiefe, starke Wasserströmung sowie sandige Sedimentschichten anstatt feiner Tone. Dazu kamen heftige Gewitter mit Starkregen und ein lokales Unwetter, die den Seespiegel um einen Meter anschwellen ließen. In der Folge löste sich ein Anker, die Plattform versetzte sich leicht und schließlich riss die Verrohrung des Bohrlochs ab.
Härtetest
Diese Extrembedingungen dienten als Härtetest der Anlage, die unmittelbar daran angepasst wurde. Den sandigen Sedimenten wurde eine verbesserte Bohr- und Spültechnik entgegengesetzt, bis schlussendlich die Sedimentkerne im Stundentakt an die Oberfläche befördert werden konnten. Der Versatz der Plattform konnte mit Hilfe der Kameras eines Tauchroboters des Instituts für Seenforschung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg korrigiert werden. Die zum Bohrsystem gehörenden Führungselemente am Seeboden wurden ebenso umgebaut, sodass sie den Bohrstrang besser einführen konnten.
Zudem sollen künftig neue Winden und sicherere Hebewerkzeuge Verluste der Bohrgerätschaften ausschließen, die bei dem Test auf dem Bodensee erhebliche Zeitverluste verursachten. Insgesamt war die Bohrkampagne der perfekte Test: „Es wurden viele Lektionen gelernt, und es wurde sich durchgebissen nach dem Motto: ‚Besser jetzt auf dem Bodensee, als während nachfolgender Einsätze am anderen Ende der Welt‘“, so Professorin Antje Schwalb von der TU Braunschweig.
Plattform als Wendeboje
Die Arbeiten auf dem Bodensee wurden von Anwohnern und Wassersportlern mit großem Interesse und Neugier begleitet. Manchem Segler diente die Plattform als Wendeboje. Für die hervorragende Unterstützung sei insbesondere gedankt: Bürgermeister Frede und Hafenmeister Müller in Hagnau, Hafenmeisterin Willer von Hagnau-West, Herrn Burger vom Landratsamt Bodenseekreis, den Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Konstanz und dem Institut für Seenforschung für den sehr aufschluss- und hilfreichen Einsatz des Forschungsschiffs „Kormoran“ mit Tauchroboter.
Wie es weitergeht
Der Verlauf des Tests erlaubt nun auch die Betriebskosten realistisch zu erfassen, die Kostenschätzungen für zukünftige Einsätze möglich machen. Den letzten Schliff erhält „HIPERCORIG“ nun bei seinem Hersteller in Mondsee. Anschließend wird die Anlage beim Internationalen Geothermiezentrum (GZB) an der Hochschule Bochum gelagert. Eine Ausschreibung auf Nutzung und Einsatz des Geräts wird in Kürze veröffentlicht. Dann kann „HIPERCORIG“ weltweit auch an Einsatzorte in schlecht zugänglichen Regionen transportiert werden.Die Sedimentkerne sind nach einer ersten Beprobung an der Universität Konstanz hinsichtlich leicht flüchtiger sowie biologisch empfindlicher Bestandteile an der Universität Bern untergebracht. Dort wird im Oktober 2019 die gemeinsame weitere Beprobung, die sogenannte „Core Sampling Party“, stattfinden, an der insgesamt elf Institutionen beteiligt sein werden. Nun kann die Forschung beginnen!