Kaufprämie für Elektroautos: viel Geld für wenig Wirkung Wirtschaftswissenschaftler untersuchen Auswirkung auf den Automobilmarkt
Die aktuell diskutierte Kaufprämie für Elektroautos rechnet sich nicht. Zu diesem Ergebnis kommen Wirtschaftswissenschaftler des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Braunschweig. Professor Thomas Spengler und sein Team erwarten durch die Kaufprämie zusätzlich etwa 23.000 und insgesamt 389.000 Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2020. Insgesamt 832 Millionen Euro müssten dafür ausgeschüttet werden. Eine nachhaltige Alternative zur Kaufprämie sehen die Forscher unter anderem in der Förderung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur oder der Weiterentwicklung der Batterietechnologie.
„Die geplante Kaufprämie für Elektroautos verfehlt ihre Wirkung. Unsere Simulationen zeigen, dass selbst bei einer Verdoppelung der Prämie das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen bis zum Jahr 2020 nicht erreicht werden wird“, erklärt Professor Thomas Spengler, Vorstandsmitglied des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Braunschweig.
Eine Kaufprämie von 5.000 Euro für private und 3.000 Euro für gewerbliche Käufer lautet der aktuelle Vorschlag, um das Ziel von einer Million Batterie- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Die Prämie soll ab Juli 2016 ausgeschüttet und jährlich um 500 Euro reduziert werden. Dafür wird mit Kosten von 1,3 Milliarden Euro gerechnet, die zu 40 Prozent von den Automobilherstellern getragen werden sollen. „Bislang ist völlig unklar, wie groß der Effekt einer Kaufprämie ist, wie sie aktuell in der Bundesregierung debattiert wird“, erklärt Dr. Karsten Kieckhäfer, der im Team von Professor Spengler Simulationsmodelle zur Analyse des Automobilmarkts erforscht und entwickelt.
Mit dem Markstimulationsmodell „AMaSi“ haben die Wirtschaftswissenschaftler nun untersucht, wie sich die vorgeschlagene Kaufprämie auf den deutschen Automobilmarkt auswirken kann. Analysiert wurden zwei konkrete Szenarien. Ein Basisszenario ohne Fördermaßnahmen, das angewendet auf die vergangenen Jahre die realen Verkaufszahlenmit hoher Genauigkeit abbildet. Demnach sei bis zum Ende des Jahres 2020 mit einem Bestand von 366.000 Elektrofahrzeugen zu rechnen, erklärt Kieckhäfer. In einem zweiten, optimistischen Szenario, bei dem die Experten von einer stärkeren Wirkung von Werbemaßnahmen und Mundpropaganda ausgehen, rechnet das Forscherteam mit 713.000 Elektroautos. Karsten Kieckhäfer erklärt: „Die Anwendung unseres Modells auf den deutschen PKW-Markt zeigt, dass ohne aktives Eingreifen seitens der Hersteller und der Politik sowie ohne eine starke Veränderung des Kundenverhaltens das Ziel der Bundesregierung deutlich verfehlt werden wird.“
Mit der Kaufprämie werden nach den Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler bis zum Jahr 2020 im Basisszenario etwa 23.000 und im optimistischen Szenario 47.000 Elektroautos mehr verkauft, was zu einem Bestand von 389.000 beziehungsweise 760.000 Fahrzeugen führe. In beiden Fällen wird die Millionenmarke nicht geknackt. Allerdings, erklärt Kieckhäfer, betrage die Summe für das optimistische Szenario 1,49 Milliarden Euro und übersteige damit das geplante Budget. Selbst eine Verdopplung der Kaufprämie auf 10.000 Euro, so die Braunschweiger Forscher weiter, würde im Basisszenario zu einem Bestand von nur 459.000 und im optimistischen Szenario von 886.000 Fahrzeugen im Jahr 2020 führen und somit ebenfalls unter der Millionenmarke liegen. Die Kosten von 3,82 Milliarden Euro und 7,28 Milliarden Euro übersteigen dann das geplante Budget um ein Vielfaches.
Die Gestaltung eines attraktiveren Fahrzeugangebots sieht das Team um Professor Spengler als nachhaltige Alternative zur Kaufprämie: Investitionen in Ladeinfrastruktur sowie in die Weiterentwicklung der Batterietechnologie zur Verbesserung der Reichweite und Senkung der Produktionskosten, erläutert Spengler, wirkten im Gegensatz zur Kaufprämie auch über das Jahr 2020 hinaus und schafften die notwendigen Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg der Elektromobilität. Kurzfristig, ergänzt der Professor, könnte die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen weiteren Schwung bekommen, wenn auch in der öffentlichen Beschaffung verstärkt auf Elektrofahrzeuge gesetzt werde.
Der „Automotive Market Simulator“ AMaSi
Seit dem Jahr 2003 werden am Lehrstuhl für Produktion und Logistik des Instituts für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion der TU Braunschweig Simulationsmodelle zur Analyse des Automobilmarkts erforscht und entwickelt. Diese werden im Rahmen von Forschungsprojekten, darunter fünf Promotionsprojekte, mit Förderungen aus öffentlicher und privater Hand, weiterentwickelt.
Mit dem Modell „Automotive Market Simulator“ AMaSi wird das Zusammenspiel der Entwicklung des Angebots an konventionellen und alternativ angetriebenen Fahrzeugen, der Neufahrzeugverkäufe und der Lade- und Tankstelleninfrastruktur abgebildet. Unter Berücksichtigung weiterer externer Rahmenbedingungen wie etwa der Entwicklung der Strom- und Treibstoffpreise können mit Hilfe des Modells Fragestellungen zur Marktdiffusion von Elektrofahrzeugen beantwortet werden. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Analyse des Einflusses von Hersteller- und politischen Maßnahmen auf die Entwicklung der Absatz- und Bestandszahlen. Das hybride Modell vereint die Vorteile der Ansätze „System Dynamics“ (SD) und „Agentenbasierte Simulation“ (ABS). Übergeordnete Zusammenhänge, wie das Zusammenspiel von Infrastruktur und Fahrzeugbestand, die Entwicklung von Batterietechnologie und -kosten werden mit Hilfe von „System Dynamics“ abgebildet. Kaufentscheidungen werden über „Agenten“ abgebildet, die unterschiedliche Kundensegmente repräsentieren. Dabei wird nicht explizit zwischen privaten und gewerblichen Kunden unterschieden. Für die Berechnungen wurde ein konstanter Mix aus 60% gewerblichen Kunden und 40% Privatkunden unterstellt.