In der 2. Stunde Glücksunterricht Pilotprojekt der TU Braunschweig startet nach den Herbstferien an Braunschweiger Grundschulen
Nicht nur Mathe, Deutsch und Sport: In 16 Braunschweiger Grundschulen steht demnächst „Glücksunterricht“ auf dem Stundenplan. Möglich wird dieses etwas andere Schulfach durch das GlüGS-Projekt, das Tobias Rahm vom Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig gemeinsam mit der Buchautorin Carina Mathes ins Leben gerufen hat. Lehramtsstudierende werden die „Glücksstunden“ ab November in den Schulen unterrichten.
Nachdem Tobias Rahm für sein Dissertationsprojekt bereits ein Training zur Steigerung des Wohlbefindens für Lehrkräfte entwickelt hat, sind jetzt die Schüler*innen an der Reihe. „Wenn wir uns eine Welt mit weniger Depressionen und Stress und stattdessen mehr Mitgefühl, Wertschätzung und psychischer Gesundheit wünschen, sind unsere Schulen wahrscheinlich der beste Ansatzpunkt“, erläutert der Diplompsychologe. „Erkenntnisse aus dem Fachgebiet der Positiven Psychologie legen nahe, dass Menschen mit einem hohen Wohlbefinden unter anderem kreativer und produktiver sind, besser Probleme lösen können, ein stärkeres Immunsystem und eine höhere Widerstandskraft gegen psychische Beanspruchungen aufweisen.“ Glückliche Menschen leben sogar länger, so Rahm. Außerdem lasse sich das individuelle Glückserleben durch Training gezielt verbessern.
Von Emotionen bis Gesundheit
Weltweit gibt es bereits viele Projekte, die in der einen oder anderen Art, „Glückskompetenzen“ in Schulen vermitteln. Als Vorzeigeprojekt in der Positiven Bildung wird häufig das Beispiel der Geelong Grammar School in Australien gebracht. Hier haben Schüler*innen von der Vorschule bis zur Abschlussklasse jede Woche zwei Schulstunden, in denen es um die Themenbereiche Emotionen, Engagement, Beziehungen, Sinnerleben, Zielerreichung und Gesundheit geht. In Neu-Delhi, Indien, haben eine Million Kinder täglich eine Stunde Glücksunterricht.
Auch in Deutschland gibt es verschiedene Projekte, die Wissen und Kompetenzen für ein glücklich-gelingendes Leben in den Mittelpunkt stellen. Eines davon sind die beiden Bücher „Curriculum Schulfach Glückskompetenz“ der Autorin Carina Mathes. In vielen Schulstunden und Projekten hat die ausgebildete Logopädin ein leicht anzuwendendes Curriculum mit Hintergründen, anregenden Geschichten, Elterninformationen, Arbeitsblättern und Bastelanleitungen entwickelt.
Schulfach Glück in der Lehrkräfteausbildung
Jetzt wollen Tobias Rahm und Carina Mathes das Programm in die Lehrkräfteausbildung integrieren und die Auswirkungen wissenschaftlich evaluieren. Gut ausgestattet mit Stundenplanungen und Unterrichtsmaterialien gehen die 35 angehenden Lehrer*innen von November 2022 bis Januar 2023 zu zweit in eine der 16 teilnehmenden Braunschweiger Grundschulen und wirken gemeinsam mit der Klassenlehrkraft im Unterricht mit.
In den Stunden geht es um Fragen wie: Was für Gefühle gibt es? Welche sind besonders wertvoll? Wie kann man mehr davon haben? Anhand der Geschichte „Der gelbe Rucksack“ sammeln die Kinder persönliche schöne Momente, die sie später auf den Klassenrucksack aus Pappe schreiben. Bei der Stunde zu Dankbarkeit schicken sich die Schüler*innen gegenseitig Postkarten mit Komplimenten. Weitere Themen sind Hilfsbereitschaft, emotionale Ansteckung, sich seiner selbst bewusst sein, Perspektiven wechseln sowie Entspannung und Achtsamkeit, die alle spielerisch-kreativ mit Geschichten, im Dialog mit den Studierenden und untereinander und in kleinen Übungen vermittelt werden. Auch die Familien werden durch wöchentliche Informationsbriefe mit Anregungen für zu Hause einbezogen.
Auftaktveranstaltung am Campus Nord
Probleme, interessierte Schulen zu finden, gab es keine. „Ich habe beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung angefragt und ganz schnell das Angebot bekommen, auf der Dienstbesprechung für Braunschweigs Grundschulleitungen für das Projekt zu werben“, berichtet Tobias Rahm.
Am 7. Oktober findet die Auftaktveranstaltung am Campus Nord statt. Nach den Herbstferien beginnen für gut 300 Schüler*innen die wöchentlichen Glücksstunden bis zum Ende des Schulhalbjahrs. Eine zweite Runde ist für das zweite Schulhalbjahr geplant. Auf die Forschungsergebnisse freut sich Tobias Rahm bereits jetzt und wiederholt eine Frage des Psychologieprofessors und Gründungsvaters der Positiven Psychologie, Martin Seligman: „Was wünschen wir uns für unsere Kinder? Die wenigsten antworten darauf mit ‚Rechnen können‘ oder ‚gute Rechtschreibung‘, sondern mit Begriffen wie Glück und Zufriedenheit.“
Weitere Informationen: www.tu-braunschweig.de/gluecksforschung