Gegen das Feuer im Gehirn DFG-Forschungsgruppe entwickelt Therapiekandidaten gegen Autoimmune Enzephalitis
Bei einer autoimmunen Enzephalitis, einer seltenen, aber schwerwiegenden und mitunter lebensbedrohlichen Entzündung des zentralen Nervensystems, richtet sich die körpereigene Abwehr gegen das zentrale Nervensystem. Zum ersten Mal beschrieben wurde diese Krankheit im Jahr 2007. Am häufigsten tritt die anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis auf. Bei dieser Autoimmunerkrankung ist ein Protein gestört, das bei der Signalübertragung im Gehirn eine wichtige Rolle spielt: der Glutamat-Rezeptor vom NMDA-Typ, kurz NMDA-Rezeptor. Gegen diese Erkrankung haben Forschende aus Braunschweig, Jena, Leipzig und Berlin ein neues potentielles Therapeutikum entwickelt.
Bei der anti-NMDA Rezeptor-Enzephalitis stören Antikörper die Signalübertragung im Gehirn: Der Rezeptor, an den die Neurotransmitter Glutamat und Glycin binden, wird durch die Antikörperbindung in die Zelle aufgenommen. Somit kommt es zu einer verminderten Signalübertragung an Neuronen des zentralen Nervensystems. Bei den Betroffenen treten Psychosen wie Halluzinationen, epileptische Anfälle und Bewusstseinstrübungen bis zum Koma auf. Patient*innen beschreiben die Erkrankungssymptome wie ein ‚Feuer im Gehirn‘, das sie nicht beeinflussen können. Die interdisziplinäre und ortsübergreifende DFG-Forschungsgruppe „SYNABS“ widmet sich der Erforschung dieser Erkrankung.
„Es ist unser Ziel, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und unter Einsatz moderner Biotechnologie neue und zielspezifische Therapieansätze zu entwickeln“, sagt der Sprecher der Gruppe, Professor Christian Geis vom Universitätsklinikum Jena. Mit einem translationalen Forschungsansatz konnte die Gruppe jetzt ein potentielles Therapeutikum entdecken. Das Molekül besteht aus einem Teil des NMDA-Rezeptors und einem konstanten Teil eines menschlichen Antikörpers. Die krankheitserregenden Antikörper binden dann an dieses Fusionskonstrukt und nicht mehr an die NMDA-Rezeptoren.
„Die Funktionsfähigkeit dieses Moleküls konnten wir in verschiedenen in vitro-Versuchen und in vivo zeigen. Mit den bisherigen Therapien kommt es trotz Behandlung bei 25 Prozent der Erkrankten zu langen Krankenhausaufenthalten – zum Teil mit monatelangem Koma – auf der Intensivstation mit lebensgefährlichen Komplikationen“, sagt Stephan Steinke, Doktorand an der TU Braunschweig im SYNABS-Konsortium.
„Wir haben nun ein Leadmolekül für die therapeutische Entwicklung zur Behandlung dieser Erkrankung“, sagt Professor Michael Hust vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik an der TU Braunschweig und Mitglied in der DFG-Forschungsgruppe. „Wir haben als nächstes vor, dieses therapeutische Konzept auf andere Formen aus dem Erkrankungsspektrum der Autoimmunenzephalitiden zu übertragen.“
Die TU Braunschweig hat in diesem Projekt das Wirkstoffmolekül entwickelt und biochemisch analysiert. Die Partner am Universitätsklinikum Jena und der Medizin der Universität Leipzig haben die DFG-Forschungsgruppe initiiert und haben die Analyse an Nervenzellen und in vivo Studien durchgeführt. Die Partner an der Charité und Freien Universität in Berlin haben die Autoimmunantikörper von Patient*innen identifiziert.