Für den „Elchtest“ ohne Elch: TU Braunschweig und Daimler AG entwickeln Fahrsimulator der Superlative
Gesucht: ein Antrieb für einen neuartigen Fahrsimulator, der auch extreme Verkehrs- und Fahrsituationen nachbilden kann. So kann man die Aufgabe zusammenfassen, für die die Daimler AG einen zuverlässigen Entwicklungspartner gesucht hatte. An der Technischen Universität Braunschweig ist das Unternehmen fündig geworden. Das Ergebnis ist ein weltweit einmaliger Fahrsimulator der neuen Generation. Die Hochpräzisionsmaschine ist der Antrieb einer 12,5 m langen Bewegungsachse des großen Simulators. Sie kann große PKW und auch schwere LKW-Cockpits äußerst realitätsnah so beschleunigen und bewegen, wie es z.B. bei hochdynamischen Fahrmanövern, wie Spurwechseln oder Ausweichmanövern vorkommt. Dabei weicht das Cockpit nicht einmal um die Dicke eines Papierblatts von seiner berechneten Position ab.
Anfang Oktober wurde die Anlage in Sindelfingen in Betrieb genommen. Ein kleinerer, dreizehn Meter langer Prototyp der Versuchsanlage wurde dem Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) der TU Braunschweig jetzt von der Daimler AG übergeben. Mithilfe der Versuchsanlage können die Braunschweiger Wissenschaftler nun weitere Konzepte für neue Hochleistungsantriebe auch für andere hochdynamische Linearanwendungen entwickeln und prüfen. Mögliche Anwendungen sind nicht nur Simulatoren, sondern zum Beispiel neue Antriebe für Achterbahnen, Crashtestanlagen und Werkzeugmaschinen.
Bisherige Fahrsimulatoren sind bereits sehr gut, wenn es um das Nachbilden von Standardsituationen geht. Besonders gefährliche Verkehrsmanöver können sie jedoch nur teilweise darstellen. „Es reicht nicht, wenn die Testplattform den Wagen in die Kurven legen und ruckeln kann“, erklärt Institutsleiter Prof. Wolf -Rüdiger Canders. „Beim ‚Elchtest‘ zum Beispiel kann ein Fahrzeug ausbrechen und auch ein schwerer Laster ins Schleudern geraten. Damit der Fahrer diese Manöver im Simulator als realistisch wahrnimmt, muss die gesamte Anlage mit sehr großen Kräften vorwärts und seitwärts bewegt werden.“ Das IMAB entwickelte speziell hierfür einen vollkommen neuen Linearmotor. Dieser kann den 22 Tonnen schweren bewegten Teil des Simulators mit 220 Kilonewton Schub beschleunigen, dies entspricht etwa dem Startschub eines Boeing 747 Triebwerkes.
„Bei diesem Auftrag mussten wir bis an die Grenze des physikalisch Machbaren gehen“, so Canders. „Höchste Dynamik und Steifigkeit sind gefragt, um schwere Lasten wie ein LKW-Cockpit präzise so bewegen und beschleunigen zu können, wie es in tatsächlichen Extremsituationen der Fall ist.“ Dabei soll dem Fahrer über Videoprojektion und Beschleunigungsempfinden ein realitätsnaher Fahreindruck vermittelt werden, dazu ist ein ruckelfreier Antrieb notwendig.
Der Linearmotor wurde vom IMAB berechnet und dann von einem Spezialunternehmen gebaut. Für die Antriebsregelung wurde mit den Institut für Regelungstechnik der TU Braunschweig kooperiert. Zu Testzwecken wurde auf der Anlage in Braunschweig zunächst nicht ein komplettes Fahrzeug, sondern nur ein Autositz montiert. Ingenieure und Testfahrer der Daimler AG konnten sich auf diesem „Schleudersitz“ von der Qualität der Antriebsmaschine überzeugen. Der Druck, den die Beschleunigung auf die Versuchspersonen ausübt, reicht dabei bis zum dreifachen der Erdanziehungskraft. „In Qualität und Performance einmalig“, lautet das Urteil der Experten. Die Bewegungsgüte sei extrem hoch, der Ablauf frei von unerwünschtem Ruckeln oder Vibrationen.
Technische Universität Braunschweig
Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen
Prof. Wolf-Rüdiger Canders
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