Fünf Tage voller Spannung: Sebastian Ehmanns Forschungsgeschichte Teil 6
Sebastian Ehmann, Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik, schreibt uns regelmäßig über seine Arbeit an Bord des internationalen Forschungsschiffs JOIDES Resulution. Hier kommt Teil 6 seiner Aufzeichnungen.
Meine Hoffnung aus dem letzten Eintrag hat sich erfüllt: Ich konnte endlich Messungen in einer Bohrung durchführen und werde auf jeden Fall nicht mit lehren Händen nach Hause kommen. Allerdings war der Weg noch etwas steiniger als erwartet. Die eigentlich auf 30 Stunden angesetzten Messungen haben etwas länger als geplant gedauert.
Eigentlich wollten wir Dienstag Mittag vor knapp zwei Wochen mit den Messungen anfangen. Allerdings gab es Probleme beim Abwerfen des Bohrkopfes, der sich nicht vom Gestänge lösen wollte. Deswegen musste das komplette Gestänge nach oben gezogen werden, was einige Zeit dauert. Oben angekommen war dann aber kein Bohrkopf mehr dran, obwohl wir mit einer Kamera beobachtet hatten, dass er noch am Gestänge war, als wir aus der Bohrung herauskamen … Da konnten wir nur hoffen, dass er nicht ausgerechnet in die Bohrung gefallen war.
Auf jeden Fall wurde dann das Gestänge wieder in die Bohrung herabgelassen und nach Zusammenbau der ersten Sonden gegen nachts um vier Uhr mit dem Befahren der Bohrung begonnen. Die Wassertiefe an der Stelle der Bohrung beträgt etwa 1.5 Kilometer, da dauert es, je nach Geschwindigkeit, mindestens 1.5 Stunden, bis man den offenen Bereich der Bohrung erreicht hat. Eine typische „Reisegeschwindigkeit“ ist 3.500 Fuß pro Stunde, also in etwa 18m pro Minute. Als wir dann aus dem Gestänge in die offene Bohrung wollten, kamen nur eine handvoll Meter weit und die Sonde kam nicht mehr weiter voran.
Nachdem wir auch durch Auf- und Abbewegungen der Sonde das Hindernis nicht überwinden konnten, wurde diese dann an die Oberfläche gebracht um danach dasselbe Spiel mit dem Bohrgestänge zu spielen, es also auf- und abzubewegen, um die Bohrung wieder freizubekommen. Nachdem das Gestänge dann weiter nach unten bewegt werden konnte, haben wir einen neuen Versuch mit den Messgeräten gestartet, nur um festzustellen, dass die Sonde nun etwas weiter unten nicht mehr weiterkam …
Beim nächsten Versuch hat es dann endlich geklappt, wir konnten das Bohrloch bis zum Ende problemlos befahren und die ersten Messungen durchführen. Ein paar technische Probleme haben die Messungen dann noch verzögert (Jurie, ein Elektroniker hier, ist echt Gold wert) und Wiederholungsmessungen nötig gemacht, was alles noch etwas in die Länge gezogen hat. Letztlich waren wir dann Samstag Abend gegen 21 Uhr fertig. Zur Erinnerung: Der eigentliche Beginn der Messungen war Dienstag Mittag. Viel geschlafen haben wir, bis auf ein längeres Nickerchen von etwa sechs Stunden am Anfang, nicht (wir sind Kerry, ein Ingenieur von Schlumberger (rechts), Louise, eine Wissenschaftlerin der Uni Leicester (Mitte), und ich, links im Bild). Wobei ich von uns noch am meisten schlafen konnte, da ich hauptsächlich für meine Sonde zuständig bin und bei den anderen nicht immer gebraucht werde.
Gelohnt hat sich der Aufwand dann aber: wir haben jetzt eine riesige Menge verschiedenster Daten. Dichtemessungen mit Gammastrahlen, Porositätsmessungen mit Neutronen, Messungen der natürlichen Radioaktivität, elektrische Widerstandsmessungen der Bohrlochumgebung, Ultraschallbilder der Bohrlochwand, den Durchmesser und Verlauf der Bohrung, seismische Daten des Gesteins und die Magnetfeldmessungen für meine Doktorarbeit. Die letzten Tage waren wir damit beschäftigt, die Daten zu sichten und bisher sieht auch alles ganz gut aus!
Zu den Messungen habe ich ein paar Bilder beigefügt. Das Zielfernrohr, durch das ich auf einem der Bilder (ganz oben)schaue, dient dazu, meine Sonde parallel zum Schiff auszurichten. Die Faserkreisel, die die Rotationen der Sonde um alle Achsen messen, messen auch die Erdrotation mit. Damit die dann später aus den Daten korrigiert werden muss, brauche ich die genaue Orientierung der Sonde am Anfang der Messung.
Wenn ich „meine“ Sonde sagen, meine ich das Göttinger Bohrlochmagnetometer, das natürlich nicht mir gehört. Es wurde an der Uni Göttingen entwickelt, wird aber inzwischen in Kooperation von meinem Institut, dem Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik in Braunschweig mitbetrieben.
Zur Auflockerung jetzt wieder ein bisschen was vom Leben auf dem Schiff. Letzte Woche gab es eine Wahl für das offizielle-inoffizielle Expeditionslogo, dass heute auf T-Shirts gedruckt wurde. Auf einem Foto sind alle Entwürfe zu sehen, gewonnen hat dann Nummer 4. Was sich meiner Meinung nach auch ziemlich gut als Poster eignen würde (auch wenn man auf dem Foto nicht alle Details erkennt).
Das nächste Foto zeigt Jörg Geldmacher, den Staff Scientist, an seinem Geburtstag, wie er stolz seinen Geburtstagskuchen präsentiert. In dem Vulkan war flüssige Schokolade, die dann beim Anschneiden einen kleinen Vulkanausbruch simuliert hat – unsere Köche sind wirklich absolute spitze. Dazu hat er ein kleines Geburtstagsständchen gespielt bekommen, deswegen bin ich auch wieder mit auf dem Foto zu sehen (noch dabei von links nach rechts: Thomas Gorgas, ein Techniker, Lisa Strong, die Videos über die Expedition dreht und Jason Sylvan, ein Mikrobiologe).
Als kleinen ‚Action-Shot‘ gibt es noch ein Bild, dass beim Zusammenbau des Bohrgestänges entstanden ist. Ab und zu baut sich Druck im Gestänge auf, so dass dann beim Öffnen der Verbindungen Wasser (oder Bohrschlamm) aus dem Gestänge sprudelt. Da hilft nur in Deckung zu gehen.
Zu den Fotos muss ich diesmal sagen, dass ich die nicht selbst aufgenommen habe (bis auf das der Logos und des sprudelnden Wassers), sondern dass sie vom Schiffsfotographen Bill Crawford aufgenommen wurden. Solange ich sage, dass die Fotos der IODP-USIO gehören, darf ich die aber verwenden.
Und da ich gerade schon beim Fotos klauen bin, kommt noch ein weiteres von Cedric Hamelin dazu, das im Wesentlichen ihn und Godfrey Fitton zeigt. Ich finde, das Bild drückt ziemlich gut aus, dass wir hier, trotz etwas Stress, eine ziemlich gute Zeit verbringen und uns auch nach 6 Wochen, in denen wir uns maximal 100m voneinander entfernen konnten, nicht auf den Geist gehen.
In diesem Sinne, Mast- und Schotbruch!
P.S. Wir mussten nach den Messungen wieder das Bohrgestänge absprengen, da es sich festgesetzt hatte. Aber was dabei passiert, habe ich ja schon einmal beschrieben 😉