Borderline: Therapie lohnt sich nicht nur für Betroffene Erste Studie zu Gesamtkosten der Borderline-Persönlichkeitsstörung veröffentlicht
Psychologinnen und Psychologen der Technischen Universität Braunschweig haben erstmals die Gesamtkosten der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) in Deutschland berechnet. Die Studie weist eine Summe von jährlich 8,69 Milliarden Euro aus, mit der vor allem das Gesundheitssystem und die Wirtschaft direkt und indirekt belastet werden. Wenn sich nur die Hälfte der Betroffenen behandeln ließe, könnten gezielte Investitionen in spezielle Behandlungsprogramme rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr einsparen. Die Ergebnisse der Studie hat das Forscherteam um Dr. Christoph Kröger in der Fachzeitschrift „Behaviour Research and Therapy“ veröffentlicht.
„Borderline“ – Seltene Krankheit mit großem Schaden
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist nicht nur für die Betroffenen mit großen Schäden verbunden, wie ein Forscherteam der Technischen Universität Braunschweig nun mit einer aktuellen Studie zeigen kann. „Die BPS verursacht, obwohl sie selten ist, hohe Kosten für das Gesundheitssystem, zum Beispiel durch häufige Krankenhausaufenthalte und Aufnahmen in der Notfallambulanz“, erklärt Dr. Christoph Kröger. „Für die Gesellschaft ergeben sich weitere Kosten, beispielsweise durch Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung. Dazu kommen krankheitsbedingte Fehltage, sofern die Betroffenen noch erwerbstätig sind“, so der Leiter der Psychotherapieambulanz der TU Braunschweig. Insgesamt, so die aktuelle Studie, gehe man von einer Summe von 8,69 Milliarden Euro im Jahr aus, mit der sich die Folgen der Erkrankungen unmittelbar und mittelbar auf das Gesundheitssystem, die Sozialkassen und die Wirtschaft auswirkten. „Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass wir es nicht nur mit einem medizinischen Problem zu tun haben, sondern wir uns als Gesellschaft, vor allem in Fragen der Früherkennung und Therapie, den Betroffenen verstärkt zuwenden müssen“, appelliert Kröger.
Therapie lohnt sich ab dem ersten Patienten
Eine international anerkannte und empfohlene Psychotherapie sei die sogenannte Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT). Studien haben vielfach zeigen können, dass die Kombination aus Einzeltherapien, Gruppentherapien und Telefoncoaching den Betroffenen dabei helfe, die Leiden zu verringern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Das Braunschweiger Forscherteam hat daher im Rahmen der Studie eine Kosten-Nutzen-Analyse für die als besonders aufwendig geltende Therapie durchgeführt. Dafür haben die Psychologinnen und Psychologen berechnet, inwieweit die Verbesserung typischer Symptome der BPS durch die DBT die Kosten senkt. So haben sie beispielsweise belegt, dass sich mit der Reduktion von schwerem selbstverletzendem Verhalten auch die Kosten für die Behandlung der Patienten und Patentinnen im Krankenhaus reduzieren lasse, da etwa Krankentransporte und Notfallbehandlungen seltener nötig seien.
„Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Investition in die DBT-Behandlung finanziell gesehen, bereits ab dem ersten Patienten lohnt. Unabhängig davon, wie viele Betroffene bereit wären, sich behandeln zu lassen, fällt die Kosten-Nutzen-Relation bei einer erfolgreichen Therapie stets positiv aus“, erläutert Eva-Maria Wunsch. „Nach unseren Schätzungen könnten für jeden investierten Euro rund 1,52 Euro pro Jahr gespart werden“, ergänzt die angehende Psychotherapeutin. Rechne man dieses Ergebnis auf die deutsche Bevölkerung hoch, so Kröger und sein Team, könnten jedes Jahr Einsparungen von rund 1,5 Milliarden Euro für Gesundheitssystem, Gesellschaft und Wirtschaft erzielt werden, wenn sich nur jeder zweite Betroffene behandeln ließe. „Mit unseren Studienergebnissen möchten wir Entscheidungs- und Kostenträgern aufzeigen, dass es sich für die Betroffenen und für die Gesellschaft im besten Sinne ‚lohnt‘, derartig aufwendige und damit auch kostenintensive Therapien in Deutschland zu verbreiten und zu finanzieren“, fasst Dr. Christoph Kröger zusammen.
Zur Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine relativ seltene psychische Erkrankung. So gehen Experten davon aus, dass ca. 0,5 bis 1,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von ihr betroffen sind. „Betroffene berichten von Gefühlen, die Achterbahn fahren und nicht zu steuern sind. Häufig sind die zwischenmenschlichen Beziehungen von Höhen und Tiefen geprägt. Meist weisen Betroffene noch zusätzlich Essstörungen und Angststörungen auf“, erklärt Dr. Kröger. Unter anderem wegen dieser Begleiterscheinungen, so der Studienleiter weiter, werde die Krankheit meist nicht sofort erkannt und entsprechend therapiert. Für die Betroffenen bedeute dies in der Regel eine Spirale, aus der sie sich selbst nicht befreien könnten: „Die Betroffenen leiden so stark unter ihrer Störung, dass sich 70 Prozent selbst verletzen und etwa 80 Prozent mindestens einen Suizidversuch in ihrem Leben unternehmen“, erläutert der Leiter der Psychotherapieambulanz der TU Braunschweig.