16. August 2019 | Magazin:

Zwischen Uni und Profi-Sport Student Fares Badawi nimmt an Judo-WM in Tokio teil

Judo ist sein Leben: Seit seinem achten Lebensjahr trainiert Fares Badawi den Kampfsport, erst in Syrien, jetzt in Deutschland. Momentan bereitet er sich auf die Judo-Weltmeisterschaft vor, die ab dem 25. August in Tokio stattfindet. Parallel dazu studiert der 23-Jährige den Bachelor Bauingenieurwesen im 4. Semester an der Technischen Universität Braunschweig. Wir haben mit ihm über den Kampfsport und sein Studium gesprochen.

TU-Student und Judoka Fares Badawi hofft auf die Chance, bei Olympia teilnehmen zu können. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Du trittst bei der Judo-Weltmeisterschaft (WM) im Einzel und für das fünfköpfige Flüchtlingsteam der International Judo Federation (IJF) an. Wie bereitest Du Dich darauf vor?

Zurzeit trainiere ich ungefähr zwei Stunden pro Tag, fast jeden Tag in der Woche. Nicht nur Judo, sondern auch Kraft- und Konditionstraining. Das gehört auch dazu. Viele denken bei Judoka erst einmal an große, breite Typen. Beim Judo geht aber es nicht nur um Kraft, sondern auch um Technik, Geschwindigkeit und Ausdauer. Manchmal versuche ich auch zwei Mal am Tag zu trainieren: morgens ein bisschen laufen und abends dann zum Judo. Aber im Moment schaffe ich das zeitlich nicht immer, vor allem wenn man noch etwas anderes neben dem Sport macht, wie studieren.

Die Weltmeisterschaft findet in Tokio statt. Bist Du schon aufgeregt?

Ich freue mich auf jeden Fall sehr, an der WM teilnehmen zu können und nach Tokio zu fliegen, weil Japan ja auch das Heimatland des Judos ist. Ein wenig aufgeregt werde ich erst auf der Matte sein, vorher gar nicht. Sobald der Kampf beginnt, verschwindet alles, dann blende ich alles aus und fokussiere mich nur auf den Gegner. Aufgeregt bin ich zum Beispiel eher bei Klausuren. Am 19. August ist meine nächste Klausur, dann schreibe ich Stahlbau 1.

Du hast auch die Chance, Dich als Kandidat für das internationale Flüchtlingsteam für die Olympischen Sommerspiele 2020 zu qualifizieren.

Ja. Ich habe zuletzt beim Grand Prix in Budapest gekämpft. Das war mein erstes internationales Turnier nach einer langen Pause. Ich habe zwar den ersten Kampf verloren, aber ich habe mich gut präsentiert. Mein Gegner war kein einfacher Gegner. Am Ende wurde mein Kampf vom IJF, dem internationalen Judoverband, analysiert. Meine Leistung hat sie überzeugt, so dass sie mich für die WM nominiert haben. Jetzt wird der IJF gucken, wie ich mich bei der WM schlage und dann könnte es sein, dass sie mich in das Olympia-Team aufnehmen.

Du hast bereits in Syrien Judo gemacht und es bis ins U-18-Nationalteam geschafft. 2015 bist Du aufgrund der Kriegssituation in deiner Heimat nach Deutschland gekommen. Wie ging es für Dich in Göttingen dann weiter?

Drei Tage, nachdem ich in Göttingen angekommen war, habe ich nach einem Judo-Club gegoogelt und einen gefunden. Dann habe ich direkt wieder mit Judo angefangen. Dass ich bei einer deutschen Familie gewohnt habe, war optimal, um die Sprache zu lernen. Außerdem habe ich Sprachkurse besucht und auch beim Judo durch den Kontakt zu den anderen viel Deutsch gelernt. Mein Trainer hat viel mit mir gesprochen, mir viel beigebracht und war sehr geduldig. Ungefähr nach zwei Monaten konnte ich bereits an einem regionalen Turnier teilnehmen und habe dort den ersten Platz gemacht. 2017 und 2018 habe ich bei den niedersächsischen Landesmeisterschaften in der Gewichtsklasse bis 73 Kilogramm gewonnen.

Wieso bist Du von Göttingen nach Braunschweig gezogen?

Ich bin wegen der Uni nach Braunschweig gekommen. Ich habe schon zwei Semester Bauingenieurwesen an der Universität Damaskus in Syrien studiert. Das Studium hat mir inhaltlich sehr gut gefallen und deshalb wollte ich gerne auch in Deutschland weiter studieren. Ich habe mich an mehreren Universitäten beworben und mir die unterschiedlichen Städte angeguckt. Mir war es wichtig, nach einem Ort zu suchen, an dem ich sehr gute Trainingsbedingungen habe. Am Ende habe ich mich für Braunschweig entschieden, weil mir die Stadt gut gefallen hat, auch vom Judo her, und mich die Universität überzeugt hat. Zum Hauptsitz des Olympiastützpunktes Niedersachsen in Hannover kann ich zum Training einmal in der Woche gut mit dem Zug pendeln.

Wie konntest Du an Dein bisheriges Studium anknüpfen?

Es war für mich sehr hilfreich, dass ich schon zwei Semester in Syrien studiert und hier an der TU Braunschweig den Studiengang noch einmal von vorne begonnen habe. Ich hatte nämlich ziemliche Schwierigkeiten mit den deutschen Fachbegriffen. So habe ich also das erste Jahr thematisch alles wiederholt, was ich schon in Syrien gelernt hatte, nur auf Deutsch. Für mich war das quasi ein Fachsprachen-Kurs für Deutsch.

Vollzeit studieren und Profi-Sport – wie klappt das nebeneinander?

Das schaffe ich eigentlich sehr gut. Ein Tag hat 24 Stunden und wenn man das gut organisieren kann, klappt das. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der oft Zeit verschwendet und viel auf Partys geht. Viele sagen, ich bin manchmal ein Langweiler, aber ich konzentriere mich lieber auf meinen Sport und das Studium. Natürlich mache ich auch etwas anderes außer Judo und Studieren und unternehme etwas mit meinen Freunden. Aber das mache ich vielleicht etwas seltener als andere.

Wo trainierst Du in Braunschweig?

Ich trainiere beim Braunschweiger Judo Club und einmal in der Woche beim Olympiastützpunkt in Hannover. Als ich neu in Braunschweig war, habe ich beim Uni-Sport trainiert. Irgendwann hat der Judo-Trainer dort aufgehört und ich habe seine Stelle bekommen. Das war vor ungefähr einem Jahr. Ich hatte schon ein wenig Erfahrungen mit dem Unterrichten von Kindern. Jetzt mit Erwachsenen ist es etwas anders, aber es macht auch Spaß.

Und welchen Gurt hast Du bisher erreicht?

Man fängt mit dem weißen Gurt an und erreicht nach gelb, orange, grün, blau und braun am Ende den schwarzen Gürtel. Ich habe den schwarzen Gürtel seit 2013. Aber da hört es noch nicht auf. Ich mag den Vergleich mit der Uni sehr gerne: Ich würde sagen, der schwarze Gürtel ist der Bachelor und danach gibt es aber noch den Master, die Promotion und so weiter. Auch beim Judo geht es nach dem Schwarzen Gürtel weiter, vom 1. bis zum 9. Dan.

Jetzt geht es bald los – wie schätzt Du Deine Chancen bei der WM ein?

Um realistisch zu sein: Ich werde kein Weltmeister. Meine Vorbereitungszeit war nur sehr kurz. Die anderen Kämpfer haben oft nur ihren Sport, ich studiere noch nebenbei. Aber ich bemühe mich, einen oder zwei Kämpfe zu gewinnen. Es kommt auch darauf an, gegen wen ich im ersten Kampf antrete. Mit viel Glück könnte ich den 7. oder vielleicht auch 5. Platz erreichen.

Wir wünschen viel Erfolg bei der WM in Tokio und drücken die Daumen!