Zuversichtlich in die Zukunft
Präsidentin Prof. Angela Ittel nimmt nach den Entscheidungen der Exzellenzinitiative die strategische Forschungsausrichtung ihrer Universität in den Blick. Ein Gespräch mit Dr. Jörn Rieckhoff, Pressesprecher der TU Braunschweig.

TU Braunschweig-Präsidentin Prof. Angela Ittel. Bildnachweis Kristina Rottig/TU Braunschweig
Am 22. Mai wurden wichtige Entscheidungen für den Forschungsstandort Deutschland getroffen, indem die Exzellenzclusteranträge nach einem mehrstufigen Auswahlprozess erneut oder erstmalig bewilligt wurden. Wie schätzen Sie das Ergebnis für die TU Braunschweig ein?
Die TU Braunschweig zeichnet sich seit Jahrzehnten durch interdisziplinäre Spitzenforschung mit dezidiertem Fokus auf die Ingenieurwissenschaften aus. Daher ist es eine Bestätigung der herausragenden Qualität unserer Forschung und Infrastruktur, die wir in am Standort Braunschweig stetig weiterentwickeln, dass wir mit den beiden Clustern QuantumFrontiers und SE2A in der Endauswahl des Exzellenzwettbewerbs vertreten waren. Derart komplexe Verbundprojekte lassen sich nur langfristig entwickeln, und wir haben uns in harter Arbeit auf die hochkarätige Begutachtung im letzten Herbst in Bonn vorbereitet.
Natürlich haben wir beiden Clustern sehr fest die Daumen gedrückt. Letzte Woche Donnerstag wurde dann die Entscheidung der Gutachtenden veröffentlicht, dass QuantumFrontiers im hochkompetitiven wissenschaftlichen Wettbewerb erfolgreich war, während unser Cluster SE2A leider keine weitere Förderung für die zweite Förderperiode erhalten wird.
Das ist auf der einen Seite natürlich eine sehr enttäuschende Nachricht. SE2A ist Teil unseres gesellschaftlich hochrelevanten Schwerpunkts der nachhaltigen Mobilität, den wir auch weiterhin – zusammen mit unseren nationalen und internationalen Partnern – aufrechterhalten werden.
Unabhängig davon werden wir die schriftlichen Gutachten sehr genau analysieren, um produktiv nachzuvollziehen, welche für eine Förderung essenziellen Aspekte in diesem Cluster nicht hinreichend aufgebaut wurden. Diese Hinweise werden die Grundlage für die weitere Entwicklung des Schwerpunkts bilden.
Auf der anderen Seite ist es eine hervorragende Nachricht, dass QuantumFrontiers sich in der absoluten Spitzenliga durchgesetzt hat. Es hat uns wahnsinnig gefreut, dass wir damit in unserem wissenschaftlichen Ökosystem die Partnerschaft mit der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Leibniz Universität Hannover (LUH) weiter vertiefen können. Dieses Cluster hat sich beeindruckend entwickelt und ein hochkarätiges Netzwerk aufgebaut: im Rahmen der wissenschaftlichen und auch in den ganzheitlichen Transferaktivitäten. Wir positionieren uns als TU Braunschweig weiter auf der Landkarte der Exzellenz. Darauf können und sollten wir alle sehr stolz sein.

TU Braunschweig-Präsidentin Prof. Angela Ittel mit Wissenschaftsminister Falko Mohrs (m.), Prof. Ralph Bruder (Präsident der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, li.), Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner (Präsidentin der Medizinischen Hochschule Hannover) und Prof. Volker Epping (Präsident der Leibniz Universität Hannover). Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig
Was macht das Cluster QuantumFrontiers so relevant für die heutige Zeit?
In diesem Cluster werden die Technologien der Zukunft entwickelt, und das erfordert langfristige Grundlagenforschung an der Kontrolle und Vermessung kleinster Objekte aus der Quantenwelt. Da diese Forschung sich immer an Rande des Mess- oder Vorstellbaren bewegt, ist es uns so wichtig, Programme einzubinden, mit denen sich die Wissenschaft für die Gesellschaft öffnet. So werden beispielsweise in unterschiedlichen Formaten auch Schülerinnen und Schüler explizit angesprochen, um diese Thematiken erfahrbar zu machen. In so einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ist die Entwicklung eines derartigen Großforschungsprojekts regelrecht ein Fest! Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Bereich riesiges Potenzial liegt. Und das können wir nun an der TU Braunschweig in den nächsten Jahren maßgeblich mitgestalten.
Was bedeutet dieser Erfolg für unsere Universität?
Wissenschaftlich werden wir in diesem Bereich – trotz hoher Konkurrenz – weiter in der Spitzenforschung fest verankert bleiben. Dass wir diese Art der Sichtbarkeit auf der Exzellenzkarte erreicht und erhalten haben, gibt uns strategisch die Möglichkeit, uns national und international als starke Partnerin zu positionieren. Von diesem Image profitieren auch andere Schwerpunkte der TU Braunschweig. Man traut uns die Kompetenz zu, ein erfolgreiches Cluster dauerhaft zu entwickeln. In dieser Perspektive liegt für mich eine Keimzelle, um weitere ertragreiche Forschungsvorhaben aufzubauen.
Wie profitiert unsere Region wenn ein Cluster wie QuantumFrontiers für weitere sieben Jahre an den Start gebracht wird?
Neben den positiven Effekten innerhalb unserer Universität wird es weitere Ausgründungen geben. Das heißt, es entstehen Arbeitsplätze für hochqualifiziertes Personal. Auch werden wir weitere internationale und nationale Experti:innen für unser wissenschaftliches Ökosystem begeistern können. Dass sie damit auch unsere Region beleben, ist ein hochwillkommener Nebeneffekt.
Daneben haben es Universitäten, die sich auf der Exzellenlandkarte ausweisen, leichter, weitere attraktive Kooperationspartner zu gewinnen und Fördergelder in benachbarten Feldern einzuwerben. Ein Beispiel für ein aus dem Cluster herausgewachsenes Forschungszentrum ist das Nitride Technology Center. Auch für unsere Studierenden ist es hochattraktiv, wenn sie Professor:innen und Dozenten:innen mit direktem Kontakt zu dieser Spitzenforschung in der Lehre erleben dürfen.

TU-Präsidentin Prof. Angela Ittel bei der Landespressekonferenz nach Bekanntgabe der Exzellenzcluster. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig
Kommen wir zum anderen TU-Cluster, SE2A, das nicht in der Förderperiode ab 2026 vorgesehen ist. Welche Zukunft sehen Sie in diesem Forschungsfeld, gerade auch mit Blick auf die traditionelle Bedeutung für den Standort Braunschweig?
Mobilität ist ein langjähriger, profilgebender Forschungsschwerpunkt der TU Braunschweig, und das schlägt sich in der hervorragenden Infrastruktur nieder: unsere Forschungszentren, unser Forschungsflughafen, dazu die enge Zusammenarbeit im Wissenschaftsökosystem mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das sich sehr aktiv mit uns im Cluster engagiert hat.
Nachhaltige Mobilität bleibt ein extrem relevantes Zukunftsthema. Daran haben die aktuellen Entscheidungen der Exzellenzinitiative nichts geändert. Hier kann die Spitzenforschung der TU Braunschweig einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Verständigung leisten, wie wir global mobil bleiben, ohne unsere Umwelt zu schädigen.
Wird sich die strategische Ausrichtung der TU Braunschweig nach der Entscheidung eher graduell verändern?
Mobilität ist und bleibt einer unserer Schwerpunkte. Wir wollen uns nun nicht zurückziehen, sondern wir werden – aufbauend auf den Spitzenleistungen der letzten 7 Jahre – neue Themen definieren. Hierzu sind wir auch bereits mit dem Ministerium im Gespräch. Zudem werden wir unsere langfristige Strategie, neue Potenzialbereiche für zukünftige Forschungscluster aufzubauen, konsequent weiterverfolgen.
Dafür haben wir mit unserem vor wenigen Monaten bewilligten, hoch dotierten Antrag in dem Wissenschaftsprogramm zukunft.niedersachsen eine hervorragende Grundlage gelegt. In diesem Zuge werden wir zwei Themenfelder unter dem Titel BrigtBrain bzw. ReSpace! strategisch ausbauen. Ich bin absolut begeistert, weil sich hier Experten und Expertinnen ganz unterschiedlicher Fachdisziplinen den drängenden Fragen unserer Zeit stellen. In BrightBrain etwa werden in Synergie unserer Forschungsschwerpunkte Metrologie und Engineering for Health für Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Diabetes neue Forschungsansätze entwickelt. Mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft liegt in dieser Art der Grundlagenforschung ein immenses Zukunftspotenzial. Ebenso bei ReSpace!, das unsere Forschungsschwerpunkte Mobilität und Stadt der Zukunft verbindet. Respace! untersucht die Lebensqualität der Zukunft und wie wir weiter mobil sein können – allerdings in „reaktionsfähigen Räumen“, die die Veränderungen der Umwelt nachhaltig miteinplanen.
Die beiden Forschungsprogramme gehören zur Ausschreibung Potenziale strategisch entfalten. Dafür wurden der TU Braunschweig im Februar 22,5 Mio. € zugesprochen, der höchsten Fördersumme in Niedersachsen. Gibt dieser bemerkenswerte Erfolg Rückenwind für die Weiterentwicklung der Universität?
Die inhaltliche Ausrichtung des Antrags ist hochgradig relevant. Die Fördersumme gibt uns nun die Möglichkeit, in den nächsten fünf Jahren mit unseren Partnerinnen und Partnern das wissenschaftliche Ökosystem auszubauen. Neben PTB, DLR und Fraunhofer, die ich bereits erwähnt habe, existieren schon heute besonders enge Kooperationen mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), dem Thünen-Institut und dem Julius Kühn-Institut (JKI). Dabei geht es darum, genau die Schnittstellen, die ich eben beschrieben habe, zu stärken und unsere Kooperationsmöglichkeiten zu erleichtern und auch selbstverständlicher zu machen.
Im Gesamtbild eines vertrauensvoll und kooperativ ausgerichteten Wissenschaftsökosystem wird die TU Braunschweig auch international noch sichtbarer und daher als attraktive Partnerin gelten. Die Initiative startet am 1. Juli dieses Jahres und ermöglicht uns die Implementation tragender Unterstützungsformate in Forschung, Studium & Lehre, Transfer und Governance &, Administration für alle Mitgliedergruppen unserer Universität.
Abseits dieser vielfältigen Planungen und Potenzialbereiche: Wie sehen sie die nächsten Jahre der TU Braunschweig?
Zunächst ist zu betonen, dass wir uns als Universität in den letzten Jahren sehr gut entwickelt haben. Gerade mit Blick auf das Thema Exzellenz ist es entscheidend, dass wir an unserer Langzeitstrategie gefeilt und neue Forschungspotenziale identifiziert haben. Mehrere Initiativen sind gestartet, die spürbar unsere Verwaltung unterstützen und dem Bürokratieabbau dienen. Selbstverständlich haben wir neben der Forschung und der Verwaltung ganz gezielt auch die Qualität und gesellschaftliche Relevanz der Lehre im Blick, um für Studierende ein attraktiver Standort zu sein und zu bleiben. Insofern ist es bemerkenswert, dass unseren Anträgen – sowohl als TU Braunschweig als auch zusätzlich im Universitätsverbund mit Göttingen und Lüneburg – eine Millionenförderung von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre zugesprochen wurde. Hiermit werden wir innovative Lehr- und Lernformate flächendeckend implementieren können. Zudem bleibt es meine Priorität, dass wir uns weiterhin sichtbar in der regionalen Wirtschaft vernetzten und sehr offen mit unseren Partnern in der Stadt und Gesellschaft kommunizieren und arbeiten.
Kurzum, mit unseren Themen sind und bleiben wir vorne an und sind auf einem guten Weg, sodass wir zuversichtlich und selbstbewusst in die Zukunft gehen. Ich danke allen Mitgliedern der TU, die tagtäglich ihren Beitrag zu diesem Transformationsprozess leisten.