„Wir wollten ein System, mit dem ein Hausarzt schnell testen kann“ Biologie-Studierende: Silbermedaille für Braunschweiger iGEM-Team
„Studenten sind faul und hängen nur auf Partys rum“, so das Klischee. Und das, obwohl das Deutsche Studentenwerk in seinen Studien regelmäßig zeigt, dass Vollzeit-Studierende durchschnittlich rund 35 Wochenstunden für ihr Studium aufwenden. Hinzu kommt ihre Arbeit in universitären Projekten – wie bei den Studierenden, die im Jahr 2022 das iGEM-Team der TU Braunschweig bildeten und in Paris einen Preis gewonnen haben. Ein Bericht von Christian Köcher.
Die „International Genetically Engineered Machine (iGEM) competition“ ist einer der größten international ausgetragenen Wettbewerbe für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem Bereich der synthetischen Biologie: Im Jahr 2022 traten über 350 Teams aus 41 Ländern gegeneinander an. Das Team der TU Braunschweig erreichte dabei eine großartige Silbermedaille.
Dass es überhaupt zu einem iGEM-Team der TU Braunschweig kam, ist Professor Boas Pucker vom Institut für Pflanzenbiologie zu verdanken: „Den Wettbewerb kenne ich seit 2016 gut und habe schon mehrere Teams bei einer Teilnahme unterstützt.“ Professor Pucker stellte den Wettbewerb Studierenden aus seinem und weiteren Fachbereichen vor. Und obwohl er darauf hinwies, dass die Teilnahme ein Jahr lang viel Arbeit neben dem Studium bedeuten würde – ohne dafür Studienpunkte zu erhalten –, bildete sich schnell ein Team aus Biologie-Studierenden: „Ich wollte etwas neben dem Studium machen. Und da kann man wirklich viel lernen – nicht nur Laborarbeit, sondern auch ringsherum“, so Sina Huxhagen. Und Samuel Meckoni ergänzt: „Ich fand besonders schön, dass man bei dem Projekt eigene Ideen entwickeln und dann auch selber umsetzen konnte. Im Studium ist sonst immer alles vorgegeben.“
Thema: Früherkennung von Speiseröhrenkrebs
Nach intensiver Recherche entschied sich das Team für das Thema „Früherkennung von Speiseröhrenkrebs“. Sina Huxhagen erklärt: „Es war relativ neu, dass Forscher Marker im Blut gefunden haben, mit denen man Speiseröhrenkrebs detektieren kann. Und alles schien so hilfsbedürftig: Weil die uneindeutigen Symptome erst spät auftreten, wird der Krebs lange nicht erkannt. Wir wollten ein System entwickeln, mit dem ein Hausarzt in seiner Praxis schnell testen kann. Im Moment müssen Hausärzte die meisten Blutproben zur Erkennung erst in ein Labor schicken.“
Prototyp für Marker-Erkennung beim Hausarzt
In Abstimmung mit Expert*innen und einem Arzt entwickelte das Team einen ersten Prototypen für ein Gerät, das beim Hausarzt stehen und einfach bedient werden kann: Der Arzt versetzt eine Blutprobe mit einer Chemikalie und schiebt sie in das Gerät. Durch die Chemikalie geben die gesuchten Marker Lichtsignale ab. „Der Clou daran ist, dass man mit unserem System geringe Mengen nachweisen kann: Jedes Signal wird noch einmal verstärkt“, so Sina Huxhagen. Mit Hilfe eines gewöhnlichen Handys werden die Lichtsignale erfasst und in ein Testergebnis umgewandelt. Das „LionDetect“ genannte System kann man auch für die Erkennung anderer Stoffe im Blut einsetzen – dazu muss die Chemikalie nur auf die betreffenden Marker ausgerichtet werden.
Zusätzliche Laborgeräte eingeworben
Mit Forschungs- und Entwicklungsarbeit allein war es in dem Projekt allerdings nicht getan: So musste das Team zusätzliche Laborgeräte und -materialien für ihr Projekt einwerben. Unter den Unterstützern waren die Ecki Wohlgehagen Stiftung, die Bürgerstiftung und der Braunschweigische Hochschulbund. Die umfangreichste Aufgabe aber lag in der Erstellung einer Dokumentation als Online-Wiki: „Eigentlich steht da alles drin – von vorne bis hinten: kurze Beschreibung, was wir gemacht haben, aber auch der biologische Hintergrund von dem Thema, wie wir uns nach außen verkauft haben – einfach alles, was wir in dem iGEM-Jahr gemacht haben“, sagt Huxhagen. Und Benjamin Harder ergänzt: „Das Wiki ist die wichtigste Bewertungsgrundlage für die Judges.“
Finale in Paris
Das Finale des Wettbewerbs bildete die Projekt-Präsentation bei einer Großveranstaltung in Paris. Sina Huxhagen: „Paris war am coolsten – dort hat man alle anderen Projekte gesehen und sich mit den ganzen anderen Teams verbunden gefühlt. Hier in Braunschweig hat man immer für sich gearbeitet und dort hat man erst einmal gemerkt, wo man überhaupt teilgenommen hat.“ Aber auch sonst waren die Studierenden zufrieden, wie Melina Nowak resümiert: „Es war schon stressig. Es gab viele positive, aber auch negative Dinge in dem Jahr – aber letztendlich war alles positiv für die persönliche Weiterentwicklung.“
Für das nächste Jahr haben bereits einige Studierende ihr Interesse an einer Wettbewerbs-Teilnahme bekundet. Mit dem Klischee der faulen Studierenden kann also wirklich etwas nicht stimmen.
Autor: Christian Köcher