10. August 2023 | Magazin:

Windenergie-Forschung und Lehre an der TU Braunschweig

Windenergie-Forschung und Lehre haben an der Technischen Universität Braunschweig Tradition. Wie stark sich dieser Bereich institutsübergreifend entwickelt, zeigt eine Reihe von laufenden Projekten, Kooperationen und neuen Messkampagnen. Ein Überblick.

Das Institut für Flugführung ist im September 2023 mit Flugzeug-Messungen an der internationalen Windenergie-Messkampagne AWAKEN in den USA beteiligt. Die Klaus-Tschira-Stiftung ermöglicht es, dass das Forschungsflugzeug Cessna F406 Ende August den Überführungsflug in die USA antritt und dann vor Ort bei einem groß angelegten Experiment in den Great Plains die Nachläufe von Windparks vermessen wird. Untersucht wird, wie schnell sich der Wind hinter Windparks an Land wieder erholt. In zwei großen Projekten wurden bereits Flüge zur Untersuchung der Erholung der Windgeschwindigkeit  hinter Offshore-Windparks durchgeführt.

Am Institut für Strömungsmechanik werden die Vereisung von Rotorblättern sowie Maßnahmen gegen die Vereisung erforscht. Darüber hinaus werden grundlegende strömungsmechanische Aspekte untersucht, die für Windkraftanlagen relevant sind: von Messmethoden, über Profilaerodynamik, instationäre Aerodynamik, hin zu numerischen Methoden, turbulenten Strömungen, laminaren Grenzschichten und deren Transition.

Vereister Testzylinder mit verschiedenen mikrostrukturierten Folien im Braunschweiger Eiswindkanal des Instituts für Strömungsmechanik der TU Braunschweig. Bildnachweis: Vickram Singh

Insbesondere unter schwer zugänglichen offshore-Bedingungen ist es unerlässlich, Windenergieanlagen kontinuierlich digital zu überwachen. Mit datengetriebener Modellierung werden am Institut für rechnergestützte Modellierung im Bauingenieurwesen Methoden entwickelt, die ein genaues und energieeffizientes Structural Health Monitoring im Sinne digitaler Zwillinge ermöglichen, um die Lebensdauer und Effizienz von Windenergieanlagen zu maximieren.

Das Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen widmet sich neben der Entwicklung von Rotorblättern vor allem der Maximierung des Wirkungsgrades von Windparks. Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den Windturbinen ist es erforderlich, die Gestaltung und Betriebsstrategie der Turbinen unter Berücksichtigung des gesamten Windparks zu optimieren, um den Ertrag zu maximieren.

Am Institut für Dynamik und Schwingungen werden statistische Simulationsverfahren und effiziente Ersatzmodelle zur Zustands- und Lastschätzung von Windturbinen entwickelt.

Das Institut für Flugzeugbau und Leichtbau untersucht intensiv das Ermüdungsverhalten von (Glas-) Faserverbundwerkstoffen. Besonders relevant sind diese Erkenntnisse für die hochwechselbelasteten Rotorblätter von Windenergieanlagen. Durch die gewonnenen Erkenntnisse können das Ermüdungsverhalten und die Lebensdauer solcher Komponenten besser beschrieben und vorhergesagt werden. Des Weiteren befassen sich die Forscher*innen intensiv mit dem Größeneffekt von dickwandigen, lasttragenden Faserverbundbauteilen, wie sie beispielsweise für Rotorblätter von Windenergieanlagen genutzt werden.

Das Institut für Mathematische Optimierung beschäftigt sich mit der optimalen Leistungsabgabe von Windparks. Es entwickelt eine Methodik zur Bestimmung windparkweit optimaler Einstellung der Rotorblätter.

Im neu ausgebauten Großen Wellenkanal des Forschungszentrums Küste in Hannover ist innerhalb des Projekts NuLIMAS eine groß-skalige Experimentalkampagne geplant. Bildnachweis: Connor McBriarty/TU Braunschweig

Das Leichtweiß-Institut für Wasserbau führt derzeit Forschung an drei Windenergieprojekten durch: Im Projekt NuLIMAS entwickelt ein internationales Forschungsteam einen numerischen Code zur Simulationen von schwerem Versagen des Meeresbodens (Verflüssigung) induziert durch Wellen und Strukturbelastungen. Dabei dient eine schwimmende Offshore-Windenergieanlage als Fallstudie und wird im Großen Wellenströmungskanal (GWK+) des Forschungszentrums Küste (FZK) im großen Maßstab getestet.

Das Anemoi-Projekt untersucht chemische Emissionen von Offshore-Windenergieanlagen und deren Einfluss auf Ökosysteme und Aquakulturen. Da die mögliche Verschmutzung der Meeresumwelt durch gelöste und partikelförmige Schadstoffe aus den Windkraftanlagen, beispielsweise aus den Korrosionsschutzsystemen, weitgehend unbekannt ist, werden im Projekt relevante chemische Emissionen von Offshore-Windkraftanlagen identifiziert, Auswirkungen auf Ökosysteme und Aquakulturen bewertet und Verbesserungsvorschläge formuliert, um chemische Emissionen von Offshore-Windanlagen zu reduzieren.

Das Projekt EnviSim4Mare zielt auf eine verbesserte Konstruktion von Offshore-Windenergieanlagen ab und liefert Erkenntnisse über ingenieursmäßige Bemessungskennwerte für Offshore-Strukturen unter dem Einfluss von marinem Bewuchs, wozu ausführlich Testkampagnen in den Versuchseinrichtungen des LWI durchgeführt werden.

Windpark in der Nordsee. Bildnachweis: Ocean Breeze Energy GmbH & Co. KG

Das Institut für Stahlbau beschäftigt sich mit Lebensdauer und Restlebensdauer von Stahltragwerken. Untersucht und bewertet wird dabei die Materialermüdung an Kerben, beispielsweise an Schweißnähten. Das Institut widmet sich zudem der Reparatur von Ermüdungsrissen unter Last. Ein weiterer Schwerpunkt der ist das Windingenieurwesen. An dem institutseigenen Grenzschichtwindkanal werden statische und dynamische Untersuchungen an Bauwerken durchgeführt.

Darüber hinaus haben Studierende seit vielen Jahren in verschiedenen Studiengängen und Vorlesungen die Möglichkeit, sich mit Windenergie zu beschäftigen, etwa im Bachelor-Studiengang Maschinenbau und Sustainable Engineering of Products and Processes und in den Master-Studiengängen Maschienenbau, Computational Sciences in Engineering, Nachhaltige Energietechnik und Umweltingenieurwesen.