26. Oktober 2021 | Magazin:

Wenn der Riss im Stahlbeton zu breit wird Jonas Cramer aus dem Graduiertenkolleg 2075 im Porträt

Wie entstehen und verändern sich Risse in Stahlbetonbauwerken? Dazu forscht Jonas Cramer im Graduiertenkolleg 2075 „Modelle für die Beschreibung der Zustandsänderung bei Alterung von Baustoffen und Tragwerken“ des Forschungsschwerpunkts „Stadt der Zukunft“. Ganz korrekt heißt sein Forschungsvorhaben „Lokale Betrachtungen zur Rissbreitenentwicklung unter Betriebsbeanspruchungen“. Wir stellen den Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz im Kurzporträt vor.

Jonas Cramer bei der Messung von Rissbreiten mit einer digitalen Rissbreitenkamera. Bildnachweis: Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz/TU Braunschweig

Wer sind Sie und woran forschen Sie?

Mein Name ist Jonas Cramer und ich habe Bauingenieurwesen an der TU Braunschweig studiert. In meiner Masterarbeit habe ich mich mit Rissen in Stahlbetonbauteilen – wie sie zum Beispiel in Brücken auftreten können – und deren zeitlichem Verhalten beschäftigt. Das Thema mag erstmal sehr trocken klingen, jedoch hat mich dieses Thema und die damit verbundene Forschung fasziniert. Letztlich habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB), Fachgebiet Massivbau angefangen. Für das Graduiertenkolleg 2075 habe ich mich dann im Nachhinein beworben, da mich die Vielfältigkeit überzeugt hat und meine bisherigen Forschungen perfekt in den Kontext passten, aber hierzu später mehr…

Welcher Fragestellung gehen Sie konkret nach?

Bevor ich jetzt mit Begriffen wie „Gebrauchstauglichkeit“ oder „Makroebene“ um mich werfe, versuche ich mich einfach zu halten. Zusammengefasst beschäftige ich mich mit der Bildung von Rissen unter Berücksichtigung von Langzeiteffekten in Stahlbetonbauteilen, also wie entstehen und verändern sich diese Risse über die Lebensdauer eines Bauwerks. Hierzu muss man zunächst wissen, dass Risse in Stahlbetonbauwerken ganz normal sind. Ja, sogar erforderlich, damit der eingelegte Bewehrungsstahl überhaupt wirksam wird. Der Clou ist jedoch, die Rissbreite auf einen Wert unter 0,2 bis 0,4 Millimeter zu begrenzen, damit hieraus keine Schäden resultieren. Wie gesagt, im Stahlbetonbau ist ein schmaler Riss in der Regel kein Schaden!

Mit Rissen verbunden ist auch immer eine Alterung des Bauwerks. Hier kann man vielleicht die menschliche Faltenbildung ins Spiel bringen. Sind die Falten erst einmal da, gehen sie im Allgemeinen auch nicht von alleine wieder weg. Ähnlich wie beim Menschen kann man einem Riss aber auch eine Substanz injizieren, sollten die Falten – äh, die Risse – einmal zu groß werden.

Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?

Personen, die mich nach meinem Forschungsthema fragen, haben dies häufig schon bereut, da diese Frage zumeist zu einem langen Monolog meinerseits führt. Unterbrechungen unerwünscht!

Die Begeisterung ist also definitiv da, woran ich diese genau ausmachen würde, vermag ich gar nicht zu sagen. Grundsätzlich gefällt mir die Abwechslung am Institut, wo auch der eine oder andere Versuch zu beiträgt. Denn was kann es Besseres geben, als fürs Kaputtmachen bezahlt zu werden? Okay, die Versuchsvorbereitung und die Auswertung der Daten sind natürlich nicht zu vernachlässigen. Dazu kommt das Erfolgserlebnis, wenn der Versuch mit einem eigens erstellten Berechnungsmodell korrekt nachgerechnet werden kann (wir sprechen hier von „Validierung“). Vorher muss dazu aber auch der eine oder andere Misserfolg überwunden werden (das nennen wir „Kalibrierung“).

Welche Relevanz hat das Thema für die Stadt der Zukunft?

Auch zukünftig werden wir wohl kaum auf Gebäude bzw. Bauwerke verzichten können und Beton bzw. Stahlbeton kommt spätestens bei der Gründung, also dem Fundament, zum Einsatz. Von entscheidender Bedeutung ist aus meiner Sicht, Bauwerke langlebig zu gestalten und somit ressourcenschonend und nachhaltig zu bauen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Bauweisen weiterzuentwickeln und die Langlebigkeit im Fokus zu behalten sowie Prognosen zur Alterung erstellen zu können. Denn wie bereits angemerkt: Nicht jeder Riss ist gleich ein Schaden. Was natürlich niemals zu kurz kommen darf, ist die Standsicherheit eines Bauwerks. Wir müssen uns also sicher sein, dass eine Alterung – sei es im Stahlbetonbau, im Stahlbau, im Holzbau oder sonst wo – nicht zu einem Tragsicherheitsproblem führt.

Was ist das Besondere, am Graduiertenkolleg „Modelle für die Beschreibung der Zustandsänderung bei Alterung von Baustoffen und Tragwerken“ mitzuwirken?

Besonders am Graduiertenkolleg ist sicherlich, dass man es hier mit vielen verschiedenen Fachbereichen zu tun hat, sodass einem neben ehemaligen Studienkolleg*innen auch mal Doktorand*innen aus dem Maschinenbau über den Weg laufen. Hierdurch eröffnen sich völlig neue Perspektiven, durch die man sich ständig weiterentwickelt und auch lernt, mit vermeintlich Fachfremden (und das sind wir letztlich alle, sofern es nicht um unser eigenes Thema geht) wissenschaftliche Themen zu diskutieren und voranzutreiben. Es geht also nicht nur darum, sich mit dem eigenen Thema auseinanderzusetzen, sondern man ist auch mittendrin in anderen Themenfeldern und hilft sich gegenseitig.