31. März 2020 | Magazin:

Von Shanghai direkt ins Home-Office Nachgefragt bei Rudong Yang und Jan Peter Heemsoth vom Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb

Als er im Januar aus China nach Braunschweig kam, breitete sich das Coronavirus in seinem Heimatland immer mehr aus. Rudong Yang von der Tongji Universität, Shanghai, freute sich darauf, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb (IVE) das internationale Forschungsprojekt EAST-Cities im Forschungsschwerpunkt „Stadt der Zukunft“ vorantreiben zu können. Jetzt forscht er – wie viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Braunschweig –  vom Home-Office aus. Ein Gespräch mit Rudong Yang und Jan Peter Heemsoth vom IVE.

Rudong Yang vor einem „lebensechten“ Modell einer sogenannten Y-Schwelle im Seminarraum des IVE. Das Foto entstand zu Beginn seines Braunschweig-Aufenthalts. Bildnachweis: IVE/TU Braunschweig

Herr Yang, Sie sind im Januar für das Forschungsprojekt „EAST-Cities“ nach Deutschland gekommen. Wie fühlen Sie sich gerade? Wie ist es für Sie, in Braunschweig zu sein?

Rudong Yang: Mir geht es gut. Die Kolleginnen und Kollegen vom Institut haben mich sehr freundlich aufgenommen. Ich kann kein Deutsch, aber alle im Team sprechen mit mir Englisch. Jetzt bleibe ich natürlich zu Hause, um mich zu schützen. Ich habe etwas Angst hinauszugehen.

Wie arbeiten Sie momentan? Können Sie Ihre Forschung vom Home-Office aus fortsetzen?

Jan Peter Heemsoth: Es ist tatsächlich etwas schwieriger als im Institut, vor allem die Kommunikation. Es ist etwas anderes, ob man sich direkt gegenübersitzt oder steht und miteinander spricht oder dies über Skype oder andere Tools macht. Und der „Flurfunk“ fehlt.

Wie kommunizieren Sie miteinander?

Interviews in Zeiten von Corona. Bildnachweis: Bianca Loschinsky/TU Braunschweig

Jan Peter Heemsoth: Rudong Yang ist sozusagen der „Mittelsmann“ auf chinesischer Seite im Department of Transportation Management Engineering von Professor Ruihua Xu an der Tongji Universität. Er übersetzt all unsere Ideen und Ergebnisse ins Chinesische und umgekehrt wieder ins Englische für uns. Die ganze Kommunikation funktioniert also hauptsächlich über Rudong.

Rudong Yang: Die meiste Kommunikation läuft vor allem über E-Mail. Aber natürlich bin ich auch nach Deutschland gekommen, um die Kommunikation zu intensivieren, sie effizienter zu machen und damit besser am Projekt arbeiten zu können. Auch durch meine Teilnahme an den Routine-Meetings wollen wir den Fortschritt des Projekts unterstützen.

 Wie kann die weitere Arbeit am Projekt angesichts der Corona-Krise gewährleistet werden?

Rudong Yang: Selbstverständlich setzen wir unsere Kooperation fort. Die Teams an der Tongji Universität und der TU Braunschweig sind es gewohnt, auch über die Distanz miteinander zu arbeiten. Leider kann der geplante Besuch der chinesischen Partner hier in Braunschweig nicht stattfinden. Das Treffen wäre natürlich gut gewesen, um die jeweilige Forschungssituation besser kennenzulernen.

Während des Besuchs sollte auch das Memorandum of Understanding für das EAST-Cities-Projekt unterzeichnet werden.

Jan Peter Heemsoth: Es wurde inzwischen unterzeichnet, aber eben auf einem anderen Weg: digital per E-Mail und per Skype. Aber die wichtigen Face-to-Face Meetings und die geplante Forschungswoche mussten jetzt leider verschoben werden.

Welche Tools nutzen Sie jetzt, um die Arbeit fortzusetzen?

Rudon Yang: Die deutschen Partner verwenden hauptsächlich die klassische E-Mail, auch wegen der Zeitverschiebung zwischen Braunschweig und Shanghai. Wir in China nutzen oft die Smartphone App Wechat, weil es der einfachste Weg für die Kommunikation ist.

In unserem Projekt stehen wir am Anfang der Phase 2. Als nächstes werden wir vielleicht bei der Entwicklung einer spezifischen Software oder Schnittstelle zusammenarbeiten, um dieses Teilprojekt zu unterstützen.

In Ihrem EAST-Cities-Teilprojekt forschen Sie zum Thema Mobilität. Worum geht es dabei genau?

Jan Peter Heemsoth: Im Teilprojekt Mobilität beschäftigen wir uns zusammen mit dem Institut für Konstruktionstechnik von Professor Thomas Vietor hauptsächlich mit dem Status Quo des Verkehrs der Stadtregion Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong, die als Forschungsgebiet ausgewählt wurde. Wir untersuchen, auf welchem Stand dort die Mobilität ist. In der nächsten Phase wollen wir herausfinden, ob es durch eine rastermäßige Aufteilung einer Stadt und dem Belegen dieser Rasterquadrate mit verschiedenen verkehrsrelevanten Eigenschaften – wie z.B. Einwohnerzahl und Pendler – möglich ist, daraus automatisiert ein Mobilitätskonzept abzuleiten.

Konkret: Inwiefern ist es möglich, durch Automatisierung oder Algorithmen einer Stadt ein Mobilitätskonzept aufzuerlegen? Dabei sind wir nicht an Bus, U- und S-Bahnen gebunden, sondern wollen erst einmal frei in alle Richtungen schauen, welche Mobilitätskonzepte und –träger für welche Verbindungen mit Hilfe dieses Algorithmus ausgegeben werden. Das ist das große Ziel für die nächsten vier Jahre, wenn das Projekt ab September weiter gefördert werden soll.

Wie arbeiten die verschiedenen Teilprojekte jetzt in dieser neuen Situation zusammen?

Jan Peter Heemsoth: Momentan sind wir dabei, den Antrag für die Verlängerung des Projektes zu schreiben. Wir hoffen, dass alle Gutachterinnen und Gutachter die derzeitige Situation im Auge haben.

Die Kommunikation mit China war ja schon immer digital und lief auch wunderbar. Wir hatten den Vorteil, dass wir rund um die Uhr an dem Projekt arbeiten konnten. Wenn wir in Braunschweig Feierabend gemacht haben, sind unsere chinesischen Kolleginnen und Kollegen fast schon wieder aufgestanden.

Herr Yang, wie lange planen Sie in Braunschweig zu bleiben?

Rudong Yang: Ich werde insgesamt sechs Monate in Braunschweig verbringen. Ich plane, Anfang Juli zurück nach Shanghai zu fliegen – wenn es die Situation zulässt und auch die Flugzeuge wieder normal fliegen. Trotz aller Widrigkeiten bin ich sehr froh, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, hier in Braunschweig an dem Projekt arbeiten zu können.