29. April 2020 | Magazin:

Von Biologie, Physik und Erziehungswissenschaften Nachgefragt bei Promovierenden der TU Braunschweig

Ob in der Lehre, im Labor oder der Poststelle: Die Corona-Pandemie hat das Lehren, Forschen und Arbeiten an der Technischen Universität Braunschweig auf viele Arten beeinflusst. Knapp 1.500 Doktorandinnen und Doktoranden promovieren aktuell an der Carolo-Wilhelmina. Wie hat sich ihr Alltag verändert? Wir haben darüber mit drei Promovierenden gesprochen.

Lucas Well im Homeoffice. Bildnachweis: Lucas Well/TU Braunschweig

Er steht noch am Anfang seiner Promotion: Seit fünf Monaten promoviert Lucas Well am Institut für Genetik bei Professor André Fleißner im Rahmen eines Projekts mit der Hebräischen Universität Jerusalem. Im Fokus steht das Wachstum vom Neurospora crassa, dem Roten Brotschimmel. Filamentöse Pilze, zu denen auch der Rote Brotschimmel gehört, sind von herausragender Bedeutung in der Biotechnologie, Landwirtschaft und Medizin. Ihre Biologie ist bisher aber nur sehr unzureichend verstanden. Lucas Well untersucht, wie die Zellen von Pilzen wachsen, miteinander kommunizieren und sich zu Kolonien zusammenschließen.

Die Arbeit geht voran

Auch in Corona-Zeiten wird am Institut für Genetik weiter gearbeitet. Natürlich unter angepassten Bedingungen. Um den Sicherheitsabstand zu wahren, ist die Personenzahl in den Laboren auf maximal zwei beschränkt. Die Anwesenheit wird per Messenger und Kalender geregelt. „Wir Doktoranden unterstützen uns auch gegenseitig“, erzählt Lucas Well. „Wer gerade im Labor ist, macht einfache kleinere Arbeiten für die anderen mit.“

Zwei Tage ist Lucas Well aktuell im Institut und bearbeitet dabei so viele Proben wie möglich am Mikroskop. Mithilfe von fluoreszierenden Proteinen schaut er in Momentaufnahmen der Zellen des Pilzes, was passiert, wenn sich bestimmte Bedingungen oder Proteine verändern. Ausgewertet wird dann zu Hause. Ihm gefällt die Arbeit im Homeoffice: „Dadurch habe ich eine sehr freie Zeiteinteilung. Ich mache Arbeiten, wie die Bearbeitung der Mikroskopbilder, die sehr zeitintensiv ist, sofort. Im Arbeitsalltag vor Corona wären solchen Fleißarbeiten auch schnell mal nach hinten verschoben worden. Außerdem habe ich jetzt viel Zeit, um Literatur zu meinem Forschungsprojekt zu lesen.“

Zeitverzögerungen durch Corona

Grüße aus dem Homeoffice: Lena Bittermann ist theoretische Physikerin und Vorsitzende des Rats der Promovierenden. Bildnachweis: Lena Bittermann/TU Braunschweig

Lena Bittermann promoviert seit zwei Jahren am Institut für Mathematische Physik bei Professor Patrik Recher. Seit April 2019 ist sie außerdem Vorsitzende im Rat der Promovierenden. Dieser vertritt die Interessen von Promovierenden in den unterschiedlichen Hochschulgremien, wie zum Beispiel im Senat und bei den Fakultätsräten. Eine Herausforderung in der Corona-Krise für Promovierende allgemein sieht der Rat in möglichen Zeitverzögerungen. „Viele Arbeiten finden im Moment langsamer oder manchmal auch gar nicht statt, zum Beispiel in Laboren. Die Projekte vieler Promovierender sind aber befristet und die Projektzeiten laufen weiter“, sagt Lena Bittermann. „Auch die Befristung durch das WissZeitVG auf maximal sechs Jahre könnte ein Problem werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat hierfür aber bereits eine Übergangsregelung im Rahmen der Corona-Pandemie angekündigt. Wir stehen im Austausch mit dem Präsidium und Dr. Anne Fleige, Koordinatorin für wissenschaftlichen Nachwuchs im Forschungsservice und EU Hochschulbüro, und freuen uns sehr über die Unterstützung.“

Zettel, Stift und Computer

Als theoretische Physikerin untersucht Lena Bittermann Festkörper und insbesondere den Quantentransport in topologischen Systemen, deren interessante Eigenschaften Verwendung in Quantencomputern finden könnten. In Corona-Zeiten fehlt ihr besonders der persönliche Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen: „Normalerweise tauschen wir uns regelmäßig aus, auf dem Flur oder bei einem Kaffee, zum Beispiel über interessante Paper. Auch wenn wir uns per Videokonferenz sehen, das fehlt trotzdem.“ An ihrer Promotion kann sie dennoch in der aktuellen Situation weiter arbeiten, erzählt sie: „Meine Arbeit beinhaltet viele analytische Rechnungen. Was ich vor allem brauche, sind Zettel, Stift und Computer. Einige Bücher und Artikel habe ich mit ins Homeoffice genommen. Für größere Berechnungen haben wir am Institut einen eigenen Server, auf den ich auch von zuhause aus zugreifen kann.“

Sprachförderung im Elementarbereich

Tina von Dapper-Saalfels beschäftigt sich mit der sprachlichen Bildung im Elementarbereich. Bildnachweis: Tina von Dapper-Saalfels/Braunschweig

Seit Ende 2016 promoviert Tina von Dapper-Saalfels in den Erziehungswissenschaften bei Professorin Katja Koch. Der Fokus ihrer Promotion liegt auf der sprachlichen Bildung im Elementarbereich. Dabei untersucht sie, welche Kompetenzen die Erzieherinnen und Erzieher haben und brauchen, um gute sprachfördernde Situationen zu schaffen. Für ihre Forschung führt Tina von Dapper-Saalfels mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bildungseinrichtungen Interviews und filmt sie in Alltagssituationen mit den Kindern.

Die aktuelle Situation ist für Tina von Dapper-Saalfels eine große Herausforderung: Bildungseinrichtungen im Elementarbereich wie Kindergärten sind, außer für die Notbetreuung, geschlossen. Wann sie wieder öffnen, ist im Moment noch unklar. „Deshalb ist es für mich sehr schwierig, an neue Daten zu kommen“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin. „Probandinnen und Probanden springen von geplanten Interviews ab. Und auch wenn einige Einrichtungen im Notbetrieb geöffnet sind, ist es ungewiss, wer an meinen Untersuchungen teilnimmt bzw. ab wann Erhebungen wieder möglich sein werden.“ Im Moment kann Tina von Dapper-Saalfels noch bereits erhobene Daten auswerten, die vordergründig aus dem BMBF-Projekt „allE- Gelingensbedingungen alltagsintegrierter sprachlicher Bildung im Elementarbereich“ stammen. Danach muss sie abwarten, wie sich die Situation in der kommenden Zeit entwickeln wird.

Digitale Lehrveranstaltung

Neben ihrer Promotion betreut Tina von Dapper-Saalfels außerdem eine Lehrveranstaltung zur Didaktik der frühkindlichen Bildung. Zum Start des digitalen Sommersemesters hat sie diese Veranstaltung angepasst, wie sie erzählt: „Die Vorbereitung erfordert neue und vor allem kreative Ideen wie beispielweise bei der Auswahl der Lehrmethoden. Um möglichst verschiedene Methoden zu integrieren, habe ich eine Lernplattform erstellt. Darin werden die zu bearbeitenden Seminarinhalte zum Beispiel mit Screencasts und Erklärvideos unterstützt. Zusätzlich bieten Frage- und Diskussionsforen sowie einzelne Videokonferenzen die Möglichkeit miteinander in Austausch zu treten.“