„Sonntags wird eine Fahrspur zum Geh- und Radweg“ Future City Goes Global: Mit Tom Rothe in Rio de Janeiro
Wie sieht die lebenswerte Stadt von morgen aus? Um darauf Antworten zu finden, tauschen sich Wissenschaftler*innen des Forschungsschwerpunkts „Stadt der Zukunft“ mit Forscher*innen weltweit aus. In der Reihe „Future City Goes Global“ nehmen sie uns mit in andere Städte, zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Tom Rothe vom Institut für Mechanik und Adaptronik präsentierte kürzlich Forschungsergebnisse des Sonderforschungsbereichs „Additive Manufacturing in Construction“ (AMC) auf einer Konferenz in Rio de Janeiro, Brasilien, und konnte dort auch die Küstenmetropole erkunden.
Herr Rothe, was war der Grund Ihrer Reise?
Ende Juli 2023 habe ich an der „11th International Conference on Fiber-Reinforced Polymer (FRP) Composites in Civil Engineering (CICE 2023)“ in Rio de Janeiro teilgenommen. Hier hatte ich die Möglichkeit, meine aktuellen Forschungsergebnisse vorzustellen, die ich innerhalb des Sonderforschungsbereichs/Transregio TRR277 „Additive Manufacturing in Construction“ erarbeitet habe. Da sich die Konferenz sehr stark auf die Faserverbundwerkstoffe in der Bauindustrie fokussiert hat, konnte ich viele Kolleg*innen aus der ganzen Welt treffen, die auf einem sehr ähnlichen Themengebiet wie ich selbst forschen. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, die additive Fertigung im Bauwesen anderen Wissenschaftler*innen näher zu bringen, die sich in ihrer alltäglichen Forschung nicht hauptsächlich hiermit befassen.
Welche Forschungsthemen genau standen während Ihres Aufenthalts im Mittelpunkt?
In meinem Konferenzbeitrag habe ich den von uns entwickelten Prozess zur individualisierten Herstellung von Faserverbund-Bewehrungssträngen vorgestellt, also eine textilbasierte Verstärkung für 3D-gedruckte Bauteile aus Beton. Neben dem Prozess habe ich die Ergebnisse erster mechanischer Untersuchungen prsäentiert, die die von uns hergestellten Bewehrungsstränge mit kommerziell erhältlichen Bewehrungsstäben vergleichen. Gleichzeitig war mein Ziel, Input von Kolleg*innen zu erhalten. Es war sehr schön, viele Forscher*innen persönlich kennenzulernen, deren Arbeiten man bereits gelesen und zitiert hat.
Diese Kombination aus Natur, Geographie und Urbanismus wirkt einmalig.
Was hat Sie am meisten in der Stadt beeindruckt? Was war Ihr persönliches Highlight?
Beeindruckend war die Schönheit der Landschaft, in die sich diese Millionenmetropole eingliedert. Wenn man von der Christusstatue über das Meer und die Küste blickt und hierbei die zahlreichen kleinen Inseln aus dem Meer ragen sieht, ist das wirklich überwältigend. Genauso andersherum der Blick vom Zuckerhut in Richtung Stadt, während die Sonne über Rio de Janeiro untergeht. Diese Kombination aus Natur, Geographie und Urbanismus wirkt einmalig.
Was macht diese Stadt aus? Was könnten wir uns für deutsche Städte abschauen?
Da in Rio de Janeiro quasi das ganze Jahr über schönes Wetter herrscht, spielt sich ein Großteil des Lebens draußen und am Strand ab. Wenn man morgens an der Strandpromenade entlangläuft, sieht man zahlreiche Jogger*innen, Fitness-Kurse oder Schwimmgruppen im offenen Meer. An Sonntagen wird zudem eine komplette Fahrspur der Strandpromenaden in Ipanema und an der Copacabana gesperrt, um von Fußgänger*innen und Fahrradfahr*innen genutzt zu werden.
Was man sich von den Brasilianer*innen abschauen kann, ist die größere Ruhe und Gelassenheit, mit der Alltagsgeschäfte erledigt werden. So ist das Leben auf der Straße zwar hektisch und laut, an der Supermarktkasse oder beim Bezahlen im Restaurant läuft alles jedoch mit mehr Gelassenheit und weniger Hektik ab, als man das in Deutschland gewohnt ist.
An Sonntagen wird eine komplette Fahrspur der Strandpromenaden in Ipanema und an der Copacabana gesperrt, um von Fußgänger*innen und Fahrradfahr*innen genutzt zu werden.
Was ist in der Stadt das Fortbewegungsmittel Nummer 1?
In Rio de Janeiro gibt es eine breite Streuung verschiedener Fortbewegungsmittel. An den großen Straßen sieht man sehr viele Busse fahren, die vor allem auch die Randgebiete und ländlichen Regionen an die Stadt anbinden. Weiterhin gibt es ein gut ausgebautes und sicheres U-Bahn-Netz und im Zentrum fahren Straßenbahnen. Zudem gibt es überall Leihräder, die einfach per App ausgeliehen werden können. Die orangenen Räder sind weit verbreitet und vor allem in Strandnähe unübersehbar.
Jedoch zählt Rio de Janeiro zu den gefährlichsten Städten Amerikas, weshalb einem speziell als Tourist*in geraten wird, sich mit Einbruch der Dunkelheit sehr aufmerksam in der Stadt zu bewegen. Daher werden Taxis oder Uber-Fahrzeuge ebenfalls häufig genutzt, was allerdings zu starkem Verkehr und teilweise langen Staus führt.
Welche Forschungs-Kooperationen sind geplant?
Mein primäres Ziel war es, meine Forschung zu präsentieren und anderen Forschenden näher zu bringen. Konkret hatte ich auf der Konferenz die Möglichkeit, einige Kolleg*innen von der TU Dresden und RWTH Aachen kennenzulernen, die in ähnlichen Bereichen forschen. Nach der Konferenz haben wir beschlossen, uns in Zukunft enger auszutauschen, was mit einem gegenseitigen Besuch beginnen soll.