Sicherheitskritische Systeme: Interaktion zwischen Mensch und Technik besser verstehen Fragen an Professor Lars Gerhold, Lehrstuhl Psychologie soziotechnischer Systeme
Lars Gerhold startete im Oktober 2022 an der TU Braunschweig. Hier baut er den neuen Lehrstuhl „Psychologie soziotechnischer Systeme“ auf. Dieser Lehrstuhl ist einzigartig in Deutschland, denn hier wird die Verbindung von Mensch und (digitaler) Technik – etwa die Akzeptanz von Warnsystemen – untersucht. Professor Gerhold interessiert besonders die Wahrnehmung und das Handeln von Menschen sowie der Einfluss von Technologien. Wir haben ihn gefragt, was ihn an diesem Forschungsgebiet und als Berater für die Politik begeistert.
Professor Gerhold, sind Sie gut an der TU Braunschweig angekommen?
Ja, sehr gut. Meine Kolleg*innen, die Mitarbeitenden in den Abteilungen und den Sekretariaten haben mich toll aufgenommen und unterstützen mich in den ersten Wochen bei allen Fragen rund um die Einrichtung des neuen Lehrstuhls. Die Nähe zum schönen Campus und die Vorlesungen im frisch sanierten Audimax sind ebenso eine echte Freude. Langsam kehren erste Routinen ein, woran man merkt, dass man ankommt.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Grund für meine Entscheidung war zum einen der neu geschaffene Lehrstuhl „Psychologie soziotechnischer Systeme“ und zum anderen die offene Art der Hochschulleitung und des Instituts, die mir und meinen Ideen sehr aufgeschlossen gegenüberstanden. Dieser Lehrstuhl ist hoch innovativ und bislang einzigartig in Deutschland. Die TU Braunschweig geht damit in eine Vorreiterrolle und mir gefällt der Gedanke, hier gestalten zu können. Die Dynamik der Digitalisierung betrifft uns alle in vielen Lebenslagen und die inhaltliche Ausrichtung des Lehrstuhls ist damit zukunftsweisend.
Wie würden Sie Ihre Arbeit einer fachfremden Person erklären?
Mein Forschungsgebiet sind „sicherheitskritische soziotechnische Systeme“. Das sind Systeme, deren Funktionieren für die Gesellschaft und den Einzelnen von hoher Relevanz, ggf. sogar überlebenswichtig sind. Denken Sie z.B. an Warn-Apps: Diese bieten innovative Möglichkeiten, Menschen vor Gefahren wie extremen Wetterereignissen wie beispielsweise Hochwasser zu warnen. Wenn diese aber ausfallen, nicht genutzt oder die Warnungen ignoriert werden, sind Menschenleben in Gefahr. Die Interaktion zwischen Mensch und Technik in diesem Feld zu untersuchen und zu verstehen, macht einen bedeutenden Teil meiner Forschungsarbeit aus. Dabei setzen wir auf innovative Technologien und wollen zukünftig durch VR- und AR-Technologien Schadensereignisse in einem Testlabor Sicherheit simulieren, um die Wahrnehmung und das Handeln von Menschen auf der einen und den Einfluss von Technologien auf diese Prozesse auf der anderen Seite besser zu verstehen.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Das war die Risikoforschung, die mir im Laufe meines Studiums und meiner ersten Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter begegnet ist. Zu verstehen, warum Menschen sich vor etwas fürchten und was sie zum Handeln antreibt oder nicht, hat mich begeistert. Warum haben Menschen Angst vor dem Fliegen, rasen aber zugleich mit dem eigenen Pkw auf der Autobahn? Wie verändern drastische Ereignisse wie ein Terroranschlag oder ein Hochwasser wie im letzten Jahr in Deutschland die Wahrnehmung und das Bewusstsein der Menschen gegenüber Gefahren?
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler?
Ich darf mich im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Leiter des Forschungsforums Öffentliche Sicherheit regelmäßig mit Abgebordneten des Deutschen Bundestages zu Fragen der öffentlichen Sicherheit austauschen. In einem Fall – es ging um die Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall – wurde eine Entscheidung im Bundesrat zu einer Gesetzesnovellierung verschoben, weil man zunächst die Ergebnisse unserer Forschungsarbeit abwarten wollte. Zu sehen, dass man in einem offenen Dialog mit Politiker*innen mit wissenschaftlichen Ergebnissen dazu beitragen kann, politische Entscheidungen auf solidere Beine zu stellen, hat mich beeindruckt.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Ich sehe mich als Lernbegleiter. Meine Lehre soll eine Einladung an die Studierenden sein, in ein Thema einzusteigen. Durch meine Didaktik und den Wechsel unterschiedlicher Methoden versuche ich, Spaß am Lernen zu erzeugen und die Studierenden zu animieren, sich Themen selbstständig zu erarbeiten. Lernfreude und Autonomieerleben wirken positiv auf den Lernerfolg.
Was möchten Sie Studierenden mit auf den Weg geben?
Studieren ist mehr als das Lernen und Wiedergeben von Inhalten. Genießen Sie die Zeit und die Möglichkeit, sich intensiv mit Themen zu beschäftigen, die sie interessieren. Tauschen Sie sich mit anderen aus und lernen sie voneinander. Entwickeln Sie Werte, für die es sich lohnt, einzustehen.