Schwindet das Vertrauen in Wissenschaft? Forschungsprojekt "TruSDi" untersucht Vertrauensbeziehung zwischen Wissenschaft und digitalisierten Öffentlichkeiten
Gerade in der Corona-Pandemie wird deutlich: Im Internet verbreiten sich Desinformationen, auch über vermeintlich wissenschaftliche Inhalte, rasend schnell. Einer der Gründe: Viele Nutzer*innen erhalten ihre Informationen zunehmend über Newsfeeds in sozialen Medien – zusammengestellt von Algorithmen. Die Bedeutung professioneller Gatekeeper wie Journalist*innen hingegen nimmt ab. Entwicklungen wie diese sind in Verbindung mit veränderter Wahrnehmung von Glaubwürdigkeit im Netz Ausgangspunkt für das im August 2021 gestartete und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsprojekt „The trust relationship between science and the digitized publics“ (TruSDi). Darin soll die Vertrauensbeziehung zwischen Wissenschaft und digitalisierten Öffentlichkeiten untersucht werden.
Wie sieht diese Vertrauensbeziehung aus? Welche Rolle spielt dabei die voranschreitende Digitalisierung? Diesen Fragen werden die Forscher*innen in den nächsten drei Jahren nachgehen. Ein vor dem Hintergrund der heutigen Mediennutzung hochgradig relevantes Vorhaben.
Bislang keine empirische Klarheit über Vertrauensverlust
„Internationale oder länderspezifische bevölkerungsrepräsentative Umfragen zur öffentlichen Wahrnehmung von Wissenschaft wiesen in den letzten Jahrzehnten ein eher konstant hohes Wissenschaftsvertrauen nach. Dabei wurde Vertrauen allerdings in der Regel nur als einer von vielen Aspekten erfasst und in der Komplexität des Konstrukts nicht angemessen abgebildet“, erläutert Projektleiterin Dr. Anne Reif vom Institut für Kommunikationswissenschaft (IfKW) der Technischen Universität Braunschweig. „TruSDi“ möchte diese Forschungslücke schließen und Vertrauen als vielschichtige und individuelle Beziehungsvariable untersuchen.
„Es schließt an meine Dissertation und eine Kooperation mit der Uni in Stellenbosch in Südafrika an“, so Reif. Dort hat sie Ende 2020 gemeinsam mit dem emeritierten Soziologen Professor Peter Weingart von der Universität Bielefeld und Kommunikationswissenschaftler Dr. Lars Guenther von der Universität Hamburg eine Umfrage durchgeführt – eine Onlineumfrage zum gleichen Thema, wie es nun für Deutschland geplant ist. Zusammen mit Professorin Monika Taddicken, Leiterin des IfKW, bilden sie das Team des Forschungsprojekts „TruSDi“. Ab Oktober wird an der Uni Hamburg noch ein Doktorand mitarbeiten.
„Wir haben in Südafrika das Wissenschaftsvertrauen der Bevölkerung untersucht, ihr Informationsverhalten an verschiedenen Kontaktpunkten online sowie offline und auch danach gefragt, inwieweit sich ihr Vertrauen in Wissenschaft durch die Corona-Pandemie verändert hat“, erklärt Anne Reif. „Die ersten Auswertungen zeigen, dass es in Südafrika fünf verschiedene Vertrauensgruppen beziehungsweise digitalisierte Öffentlichkeiten gibt. Insgesamt gesehen ist das Vertrauen während der Pandemie hoch, es gibt aber auch eine Gruppe, die sich unsicher zeigt. Eine weitere kleine Gruppe an Personen ist stutzig – vertraut also eher nicht – und kommt kaum mit Wissenschaft in Berührung. Zukünftig lohnt sich ein differenzierter Blick auf die Bevölkerung hinsichtlich möglicher Vertrauensänderungen.“
Spezifische und ausdifferenzierte Instrumente nötig
Oft wird die enorme Heterogenität digitaler Kommunikation nicht erfasst, so die Projektgruppe. Dass das Internet in einigen Bevölkerungsgruppen zur Informationsquelle Nummer Eins für wissenschaftliche Inhalte geworden ist, wird zwar erkannt, allerdings divergieren sowohl die online kommunizierten wissenschaftlichen Inhalte als auch die Rezeptionsmuster von Online-Kommunikationen sehr stark. Um Bezüge und Zusammenhänge zwischen Wissenschaftsvertrauen und digitalisiertem Kommunikationsverhalten analysieren zu können, bedarf es spezifischerer und ausdifferenzierterer Instrumente.
Methoden-Mix in fünf Forschungsmodulen
Das Forschungsteam möchte in „TruSDi“ Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Vertrauen in Wissenschaft und moderner Kommunikationstechnologie auf der Ebene der Nutzer*innen, der Inhalte und der gesellschaftlichen Strukturen gewinnen. Dafür kommt in fünf Forschungsmodulen und einem Modul zur Öffentlichkeitsarbeit ein Methoden-Mix aus Panelbefragungen mit qualitativen Interviews, einer Inhaltsanalyse und Rezeptionsexperimenten zum Einsatz.
Verschiedene Bereiche öffentlicher Wissenschaftskommunikation sollen betrachtet und miteinander in Bezug gesetzt werden. Neben wissenschaftskritischen Kommentaren in sozialen Medien zum Beispiel auch massenmediale Inhalte im Fernsehen, öffentliche Vorträge oder andere Wissenschaftsveranstaltungen. Am Ende des Projekts im Sommer 2024, sollen die Ergebnisse Erkenntnisse über dynamische Veränderungen in den Vertrauensbeziehungen und Erklärungsansätze liefern.