6. Dezember 2023 | Magazin:

Post aus … Graz PostDoc Cordula Reisch vom Institut für Partielle Differentialgleichungen berichtet über ihren Forschungsaufenthalt in Österreich

Allgemeine Informationen

Hier lebe ich momentan:

In Graz in der Steiermark in Österreich.

Das mache ich in Graz:

Ich arbeite zusammen mit Bao Q. Tang und Cinzia Soresina vom Institut für Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen der Karl-Franzens-Universität Graz an einem Forschungsprojekt auf dem Gebiet partieller Differentialgleichungen. Wir beschäftigen uns mit Gleichungen, die ich in meiner Dissertation für die Modellierung von Leberentzündungen verwendet habe, und bei denen die Stärke des Zustroms an Immunzellen in das Lebergewebe darüber entscheidet, ob die Infektion ausheilt oder nicht.

Im aktuellen Projekt erforschen wir allgemeiner die Auswirkung nichtlokaler Effekte auf die Stabilität von Gleichgewichtszuständen. Dazu verbinden wir unsere Expertisen in der Angewandten Analysis und für numerische Bifurkationen, um herauszufinden, wie stark die Änderungen in einem kleinen räumlichen Gebiet sein dürfen, um die Stabilität von Lösungen nicht zu stören. Verwandte Problemstellungen führen auch zu Turing-Mustern, die beispielsweise die Musterbildung von Zebrafischen erklären. Das Problem, das wir untersuchen, zeigt ähnliche Störungsmuster, die jedoch eine andere Ursache haben. Neben vielen Lösungsansätzen haben wir während der Zeit in Graz bestimmt ebenso viele offene Fragen für weitere gemeinsame Forschungsprojekte gefunden.

Mein Aufenthalt dauert insgesamt:

… knapp 4 Monate und wird durch ein DAAD-Kurzstipendium für PostDocs gefördert.

Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:

Der Aufenthalt gibt mir die Möglichkeit, fokussiert an einem Thema zu arbeiten, das einerseits an Bekanntes anknüpft, bei dem ich aber auch viel Neues lerne. Der Austausch vor Ort mit den Kolleg*innen erlaubt einen viel schnelleren Fortschritt, als es über die Entfernung sonst möglich ist. Gleichzeitig bietet die Arbeit in einem anderen Institut neue Sichtweisen auf Methoden und die Forschungswelt. Vom Institut für Mathematik an der Universität Graz wusste ich zudem durch einen kurzen Aufenthalt im Oktober 2022 bereits, wie international die Gruppe ist, dies ermöglicht mir Einblicke in viele verschiedene Wissenschaftssysteme.

Leben vor Ort

So wohne ich in Graz:

Ich wohne in Graz in einem Studierendenwohnheim, das mir von den Kolleg*innen vor Ort empfohlen wurde. Auf meiner Etage teile ich mir die Küche mit 13 Mitbewohner*innen aus aller Welt, zudem wohnen Kolleg*innen aus der Arbeitsgruppe im selben Haus. Das ist toll, da wir oft zusammen internationale Gerichte kochen und viel über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer Herkunftsländer reden.

Was unterscheidet das Forschen in Österreich von dem Deutschland?

Das universitäre System in Österreich ist sehr ähnlich zum deutschen System. Die Forschungsumgebung ist daher vergleichbar. Ein Unterschied ist die Struktur des Fachbereichs Mathematik. Während die TU Braunschweig fünf mathematische Institute mit jeweils zwei bis vier Professuren hat, sind alle mathematischen Gruppen in Graz in einem Institut vereint und teilen sich Gemeinschaftsräume. Dadurch kommt es zu einem stärkeren Austausch zwischen den Forschenden, unter anderem auch beim zweiwöchentlichen Pizza-Lunch.

Portrait von mir im Institut für Mathematik der Universität Graz. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Das Institut für Mathematik ähnelt von der Architektur her einem Gewächshaus: Während meines Aufenthalts im Herbst und Winter ist es wunderbar, die Sonnenstrahlen durch das Glasdach einzufangen. Morgens steige ich gerne die große Treppe hinauf und sehe das Gebäude als Gewächshaus für Ideen. Im Sommer wären meine Gedanken vielleicht andere gewesen. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Rings um Graz gibt es kleine Hügel mit Aussichtstürmen von denen man einen tollen Blick über die Stadt hat. Ich kann Graz-Reisenden die Spaziergänge nur empfehlen. Im Herbst kann man dort auch direkt Maronen sammeln, die frisch geröstet aus dem Ofen ein toller Snack sind. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Der nächste höhere Gipfel ist der Schöckl, zu dessen Fuß regelmäßig Busse aus der Stadt fahren. Auf 1445 m kommt zwar noch kein alpines Gefühl auf, ein Ausflugstipp für das Wochenende ist es aber unbedingt. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Ein Wahrzeichen von Graz ist der Uhrenturm auf dem Schlossberg. Die Besteigung des Bergs lohnt das ganze Jahr: Im Sommer lockt oben ein Biergarten mit Erfrischungen, im Herbst erstrahlt der Turm in Lichtinstallationen während des Klang-Licht-Fests und in der Adventszeit gibt es auf dem Schlossberg einen Weihnachtsmarkt. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Blick vom Schlossberg über das nächtliche Graz. Die Murinsel leuchtet bunt und verbindet als schwimmendes Café beide Uferseiten. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Beim Campus-Spaziergang mit zwei Kolleg*innen: Die Universitätsbibliothek ist eine elegante Verschmelzung historischer und moderner Architektur. Die Unterseite des modernen Überbaus schmückt ein Gemälde eines Kupferstiches. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Gemeinsamer Kochabend im Studierendenwohnheim mit Kolleg*innen und einem Forschungsgast, der Schnecken für eine typische vietnamesische Nudelsuppe mitgebracht hat. Ein besonderes Highlight für mich war vietnamesischer Hot Pot, entfernt vergleichbar mit Brüh-Fondue, nur natürlich deutlich würziger. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Ein typischer Steirischer Ausflug geht gerne auch in die Weingegend mit Einkehr in einem Buschenschank. Mit einer Gruppe aus Kolleg*innen haben wir den Allerheiligen-Feiertag mit Brettljause und Blick in die bunten Weinberge verbracht. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Mit dem Zug ist man aus Graz in knapp 3 Stunden auch in Wien. Zufällig habe ich den ersten Schnee in der Gegend in Wien im Garten von Schloss Schönbrunn erlebt. Wem die Christkindl-Märkte in Graz nicht ausreichen, hat in Wien eine noch größere Auswahl. Foto: Cordula Reisch/TU Braunschweig

Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:

In der Steiermark werden viele lokale Produkte angeboten, auf die Graz als „GenussHauptstadt Österreichs“ stolz ist. Hausmannskost mit Steirer Schnitzel (paniert in Kürbiskernen), Backhendl und Kürbiskernöl sind sehr typisch für die Gegend.

Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:

In Österreich verwenden viele Menschen gerne mehr als eine Grußformel: Servus, Pfiat di und Baba. Außerdem ist „Pascht (scho)“ eine vielseitig einsetzbare Floskel, die man einfach in den eigenen Sprachgebrauch aufnehmen kann.

Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes war …

Die größte Herausforderung war sicherlich die Umstellung auf die kurzen Öffnungszeiten von Supermärkten. In Graz gibt es viele kleine Läden in Wohngebieten, die oftmals nur bis 18:30 Uhr oder 19:00 Uhr geöffnet haben. Wenn man nach dem Feierabend noch Sport macht, ist es oft zu spät, um einkaufen zu gehen.

Das nehme ich von hier mit nach Hause:

Während des Aufenthalts habe ich enorm viel gelernt sowohl mathematisch als auch in anderen Bereichen. Ich nehme zusätzlich, neben Marillenkonfitüre, Kürbiskernöl und Käferbohnen, auch eine neue Schwimmtechnik und Rezepte der vietnamesischen Küche mit nach Hause.

Gut zu wissen

Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:

Einen Backhendl-Salat mit Erdäpfeln und Kürbiskernöl oder Käferbohnensalat. Ich bin auch ein großer Freund von den vielen Knödl-Variationen, zum Beispiel als Einlage in einer Kaspressknödel-Suppe.

Welches Fettnäpfchen sollte man in Österreich vermeiden?

Ein übliches Fettnäpfchen ist der Vergleich mit Deutschland. Gerade weil sich Österreich und Deutschland in vielem ähnlich sind, lohnt es sich, sich auf den Blickwinkel der Österreicher*innen auf Deutschland einzulassen und nicht alles, was man aus der eigenen Heimat kennt, immer nur positiv darzustellen.

Diesen Tipp gebe ich anderen Forschenden, die ins Ausland gehen möchten:

In der Promotions- und PostDoc-Phase bietet der DAAD gute Stipendien auch für relativ kurze Zeiträume. Bereits der gemeinsame Antrag mit ausländischen Partner*innen war für mich eine spannende Erfahrung und hat unsere gemeinsamen Forschungsfragen präzisiert. Vor Ort war für mich das Studierendenwohnheim die perfekte Unterkunft, da ich so auch außerhalb des Instituts Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen getroffen und so den eigenen Horizont erweitert habe.

Für mich war der Auslandsaufenthalt auch eine tolle Möglichkeit, eine neue Sportart auszuprobieren. Ich wollte schon lange eine vernünftige Kraul-Technik beim Schwimmen lernen und habe den neuen Alltag dazu genutzt, einen Schwimmkurs zur Technikverfeinerung zu belegen. Zufälligerweise fand ich in meiner Bürokollegin eine Mitstreiterin und wir sind regelmäßig gemeinsam ins Schwimmbad gegangen, um unsere Bahnen zu ziehen.