11. Oktober 2019 | Magazin:

Neuronale Netze gegen Lebensmittelunverträglichkeiten Von der Idee zum Start-up

„Take it or leave it“, kurz, TIOLI, ist ein Start-up, das eine App für Menschen mit Lebensmittelintoleranzen entwickelt. Die Technologietransferstelle unterstützt die Gründerinnen und Gründer gerade bei ihrem EXIST-Antrag. Zum Gründungsteam gehören Ira Saric-Ormuz (28), Thomas Kimmel (23) und Alex Schacht (33). Ira hatte die Idee und wollte schon immer ein Unternehmen gründen. Mit ihr hat Anke Bergmann von der Technologietransferstelle  der Technischen Universität Braunschweig gesprochen.

Mit ihrem Start-up TIOLI wollen Ira Saric-Ormuz, Thomas Kimmel und Alexander Schacht (v.l.) Menschen mit Lebensmittelintoleranzen das Leben erleichtern. Bildnachweis: André Zierfuß/Tioli

Seid Ihr alles Studierende? Wie habt Ihr Euch gefunden?

Wir sind ein Dreier-Team. Ich komme aus Kroatien und studiere an der Ostfalia Entrepreneurship and Innovation Management. Davor habe ich in Kroatien und an der TU Wien meinen Master in Wirtschaftsingeneurwesen gemacht. Alex hat einen Master in Informatik an der TU Braunschweig abgeschlossen. Er arbeitet in einem Entwicklungsunternehmen und ist bei uns der Hauptapp-Programmierer. Thomas studiert Physik im letzten Mastersemester an der TU Braunschweig. Während des Studiums hat sich bei ihm schon abgezeichnet, dass er eher in die Programmierschiene gehen möchte und dadurch ist er auf Alex und mich gestoßen.

Wolltest Du schon immer gründen?

Ich hatte schon immer viele Gründungsideen. Daher habe ich mich auch für das Entrepreneurship-Studium bei Professor Reza  Asghari entschieden. Ich wollte andere Menschen kennen lernen, die auch Ideen haben. Menschen, die Visionen ernst nehmen und nicht nur die Risiken sehen.

Wie unterstützt Euch heute die Carolo-Wilhelmina bei Eurem Vorhaben?

Zurzeit arbeiten wir im Inkubator der TU Braunschweig und können dort die Räumlichkeiten nutzen. Dieser ist gerade gut besucht. So haben wir viel Kontakt zu anderen Gründerinnen und Gründern und es findet ein reger Informations- und Erfahrungsaustausch statt. Wir erhalten Feedback durch einen Coach, der bei dem Antrag für unser EXIST-Gründerstipendium wichtig ist. Die Erstellung des Antrags stellt unsere Hauptaufgabe dar. Hier kommt es darauf an, dass wir unsere Funktionsweise der App und deren innovativen Anteil, das maschinelle Lernen, herausstellen. Professor Wolf-Tilo Balke vom Institut für Informationssysteme wird unser Mentor sein. Es ist super, dass wir einen Experten zur Seite haben, der uns im Bereich der künstlichen Intelligenz unterstützen wird.

Zur App: Welches Problem wollt Ihr damit lösen?

Menschen, die an einer Lebensmittelintoleranz leiden, sind in ihrer Lebensmittelauswahl eingeschränkt und potenziell verunsichert. Die erste Herausforderung besteht darin, herauszufinden unter welchen Intoleranzen die Betroffenen leiden. Klassische Ernährungstagebücher können diese Information nicht zuverlässig liefern, weil die Analyse durch Zeitmangel des Arztes und die Komplexität der Datenmenge beschränkt wird. Eine zusätzliche Herausforderung ist es, dass die auftretenden Unverträglichkeiten trotz gleicher Intoleranz von Person zu Person unterschiedlich ausfallen können.

Was ist Eure Lösung?

TIOLI will das Leben von Menschen mit Lebensmittelintoleranzen vereinfachen. TIOLI ist ein Akronym für „Take It Or Leave It“. Unsere App gibt Empfehlungen, welche Produkte bei den unterschiedlichen Lebensmittelintoleranzen vermieden werden sollen, und schlägt mögliche Produktalternativen vor. Konkret bedeutet das, dass die Nutzerinnen und Nutzer beim Einkaufen den Barcode eines Produktes scannen. Auf der Basis seines Profils bekommt er eine einfache Antwort: „TAKE IT“ oder „LEAVE IT“.

Was ist das Innovative an Eurem Produkt?

Der Nutzer scannt die Produkte mit dem Smartphone ein. Nach dem Verzehr bewertet er diese dahingehend, wie gut er sie vertragen hat. Dazu werden auch Produktinformationen, inklusive der Inhaltsstoffe zur Optimierung seines persönlichen Profils genutzt. Technisch betrachtet ist das persönliche Profil ein neuronales Netz, das das Wissen über die Unverträglichkeiten auf neue oder unbekannte Produkte übertragen kann. Es liefert so eine Prognose, ob das betrachtete Produkt unbedenklich ist. Es wird ein adaptiver Prozess zur Verbesserung des Lernprozesses angewendet, der auf den Erfahrungen aller Nutzerinnen und Nutzer mit dem gleichen Intoleranzprofil basiert. Im Bereich der Klassifikation von Bildern hat dieses Verfahren bereits zu einer deutlichen Beschleunigung des Trainingsprozesses des neuronalen Netzes und zu besseren Ergebnissen bei kleinen Datensätzen geführt.

Welchen Rat würdet Ihr anderen Menschen geben, die gründen wollen?

Habt den Mut, Eure Idee umzusetzen. Geht auf Start-up-Events und redet mit Menschen, die auch Ideen haben und die auch darüber nachdenken, etwas zu gründen. Denn Familie und Freunde besitzen nicht immer einen Entrepreneurial Spirit. Oft verstehen sie den Gründungswunsch nicht und wollen dich auf einen „sicheren Weg“ führen: „Mach das nicht. Suche Dir lieber einen sicheren Job.“ Wenn Ihr aber sieht, wie begeistert andere Gründerinnen und Gründer sind und wie viel Spaß Gründen macht, dann findet Ihr auch den Mut, selber zu gründen.