7. Juni 2019 | Magazin:

Mit Moos gegen schlechte Luft: Bringt das etwas? Arbeitsgruppe der TU Braunschweig nimmt Modellprojekt unter die Lupe

Am Rudolfplatz und auf dem Mittelstreifen der Hans-Sommer-Straße zwischen Sport- und Gauß-IT-Zentrum stehen seit April zwei Mooswände, in Aluminiumrahmen gefasst und drei Mal vier Meter groß. Sie sind Teil eines Klimaschutzprojekts der Stadt Braunschweig und sollen die Luftqualität verbessern. Eine Arbeitsgruppe um den Stadtklimatologen Professor Stephan Weber wird die Daten, die in den Wände der Firma Green City Solutions erhoben werden, auswerten. Wir haben vorab mit ihm gesprochen.

„Die Mooswände sind ein Projekt der Stadt Braunschweig“, erklärt Professor Stephan Weber zu Beginn des Gespräches. Sein Team, die Arbeitsgruppe Klimatologie und Umweltmeteorologie des Instituts für Geoökologie, sei um die Auswertung der Messdaten gebeten worden. Dabei helfe man natürlich gerne.

Mooswand an der Hans-Sommer-Straße
Mooswand an der Hans-Sommer-Straße

Mooswand an der Hans-Sommer-Straße

Auf der Hans-Sommer-Straße fahren nach Angaben der Stadt Braunschweig etwa 25.000 Kraftfahrzeuge pro Tag. Hier steht – zwischen Sportplatz und Gauß-IT-Zentrum – eine der zwei Mooswände. Foto: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Mooswand
Mooswand

Mooswand

Hinterm Netz: Die Mooswände sind beidseitig begrünt. Ein interner Wasserspeicher soll das Austrocknen verhindern. Foto: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Mooswand
Mooswand

Mooswand

Moos hat keine Wurzeln, sondern nimmt alle Nährstoffe direkt aus Luft und Niederschlägen auf. Mit seinen feinen Verästelungen bildet es dafür eine möglichst große Blattoberfläche aus. Das macht es wiederum für die Nutzung in den Mooswänden attraktiv. Foto: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Lokale Luftfilterwirkung der Mooswand

Portrait Professor Dr. Stephan Weber

Stephan Weber ist seit August 2010 Professor für Geoökologie – Klimatologie und Umweltmeteorologie an der TU Braunschweig. Er forscht unter anderem zu Wechselwirkungen zwischen Oberfläche und bodennaher Atmosphäre. Foto: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Die Mooswände sind in ihrem Inneren mit einer Messtechnik ausgestattet, die Daten zur Rußpartikelkonzentration und Feinstaubbelastung erhebt. Die Messungen finden unmittelbar vor und hinter der Wand statt; die Luft wird durch verbaute Ventilatoren durch die beidseitig bemooste Wand hindurchgesogen. Genaueres kann Professor Weber nicht sagen, denn: „Die Messtechnik stammt nicht von uns. Wir können zunächst nur eine statistische Analyse der zur Verfügung gestellten Rohdaten vornehmen.“ Effektstudien wie diese seien zudem schwierig, weil sie vielen verschiedenen Außeneinflüssen unterliegen. Windrichtung, Wochentag, Prozesse in der Atmosphäre, die Einrichtung von Umweltzonen oder eine Nassreinigung der Straße – all das beeinflusst tagtäglich die Messungen.

Eigene Untersuchung zu ultrafeinen Partikeln

Professor Weber nimmt die Mooswände zum Anlass, im Laufe des nächsten Jahres punktuell eigene Messungen an der Wand durchzuführen. Sie sollen Teil einer studentischen Abschlussarbeit am Institut werden. Gemessen wird die Belastung mit ultrafeinen Partikeln, also Partikeln, die noch sehr viel kleiner sind als der Feinstaub, der im Fokus des städtischen Projekts liegt. Zum Vergleich: Als ultrafeine Partikel (UFP) bezeichnet man Partikel, die kleiner als 100 Nanometer beziehungsweise 0,1 Mikrometer sind. Feinstaub kommt auf vergleichsweise riesige 10 Mikrometer. Im Gegensatz zu Feinstaub, der viele grobe Partikel zum Beispiel durch Abrieb von Bremsen und Reifen enthält, entstehen ultrafeine Partikel vor allem durch Verbrennungsprozesse. Zu 85 bis 90 Prozent entstammten sie an verkehrsbelasteten Standorten dem Auspuff, so Weber. Und wie Feinstaub hätten sie klare gesundheitliche Effekte, wenn sie eingeatmet werden und sich in der Lunge ablagern. Die Untersuchung zu den ultrafeinen Partikeln machten sie ganz aus eigener Neugier, erzählt Weber.

Besser wären weniger Autos

Die Braunschweiger Mooswände stehen an zwei vielbefahrenen Orten der Stadt. Professor Weber: „Zur Verbesserung der Luftqualität wäre es viel wichtiger und sinnvoller, wenn dort 20 oder 200 Autos pro Stunde weniger vorbei fahren würden. Wir sollten zunächst emissionsseitig denken.“ Trotzdem: „Als Stadtklimatologe bin ich natürlich ein Freund von Begrünungen“, sagt Stephan Weber. Nicht zuletzt forscht er selbst seit Jahren zu den Auswirkungen von urbanem Grün. So laufen seit 2014 Untersuchungen zur Kohlendioxidaufnahme bei einem begrünten Dach. Allerdings nicht in Braunschweig: „Wir setzen mikrometrologische Messtechnik ein, das ist state-of-the-art. Für diese Methode brauchen wir große Flächen.“ Und die hat er mit einer Fläche von knapp 9.000 m² ausgerechnet auf einem Parkdeck des zukünftigen Berliner Flughafens gefunden. „Der Flughafen hat seit vielen Jahren funktionierende Gründächer“, kommentiert Professor Weber lächelnd. In diesem Jahr will er einen Datensatz über die vergangenen vier Messjahre veröffentlichen. Aber das ist eine andere Geschichte.