16. April 2024 | Magazin:

Mit Computertomografie dem Boden auf den Grund gehen Professor Marius Milatz ist neuer Leiter des Instituts für Geomechanik und Geotechnik

Ton, Schluff, Sand, Kies, Fels – Professor Marius Milatz begeistert die Vielfalt und Komplexität natürlicher Geomaterialien. Seit Beginn des Sommersemesters leitet er das Institut für Geomechanik und Geotechnik der Technischen Universität Braunschweig. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit der Computertomografie, um Prozesse und Phänomene in Böden zu untersuchen. Welche Forschungsprojekte darüber hinaus im Fokus stehen, berichtet Professor Milatz im Interview.

Professor Marius Milatz ist neuer Leiter des Instituts für Geomechanik und Geotechnik. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?

Die TU Braunschweig ist eine renommierte, zur TU9-Allianz gehörende, große technische Universität in Norddeutschland mit einem breiten Forschungsumfeld in und um Braunschweig. Beispiele sind hier die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) oder das Forschungszentrum Küste (FZK). Als Norddeutscher freue ich mich, einen Beitrag zu Forschung und Lehre in diesem spannenden wissenschaftlichen Umfeld zu leisten und mit den verschiedenen Forschungseinrichtungen und der Industrie am Standort gemeinsam und interdisziplinär zu forschen. Dafür bieten auch die Forschungsschwerpunkte der TU Braunschweig „Mobilität“, „Metrologie“, „Engineering for Health“ und „Stadt der Zukunft“ sehr gute Möglichkeiten.

Das Institut für Geomechanik und Geotechnik, damals noch Institut für Bodenmechanik und Geotechnik, habe ich erstmalig im Rahmen des Treffens der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der norddeutschen Geotechnikinstitute im Jahre 2012 kennengelernt. Hier haben mich der fachliche Austausch unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden, die spannenden Exkursionen und das nette Miteinander am Institut begeistert.

Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung? Wie würden Sie Ihre Arbeit einer Person erklären, die nicht mit dem Thema vertraut ist?

Ich sehe mich als Geotechnik-Ingenieur mit dem Fachgebiet Bodenmechanik. Ein modernerer und etwas weiter gefasster Begriff ist hier auch die sogenannte Geomechanik, ein Begriff, der seit ein paar Jahren auch im Namen des Instituts für Geomechanik und Geotechnik an der TU Braunschweig wiederzufinden ist. Während sich die Geotechnik mit allen Arten von Fundamenten und Bauverfahren im Boden und mit dem Boden als Baustoff befasst, beschäftigt sich die Bodenmechanik bzw. Geomechanik mit vielfältigsten physikalischen, insbesondere mechanischen und hydraulischen, Vorgängen in Boden und Fels im engeren Sinne und mit sogenannten Geomaterialien im weiteren Sinne. Der Boden ist Baugrund und Baumaterial zugleich und muss alle Kräfte aus Bauwerken, wie zum Beispiel von Deichen, Staudämmen, Verkehrswegen und Fundamenten von Gebäuden und Windenergieanlagen, aufnehmen.

Als Bodenmechaniker begeistert mich die Vielfalt und Komplexität der Erscheinungsformen von natürlichen Geomaterialien, von Ton, über Schluff, Sand und Kies bis hin zum Fels und von künstlichen Geobaustoffen, wie beispielsweise zementierten Böden oder Geotextilien. Ich untersuche und beschreibe die physikalischen Eigenschaften und das Materialverhalten von Geomaterialien im Forschungslabor sowie mit Hilfe von Computerberechnungen, um als Ingenieur daraus praktische Regeln für die Planung, die Berechnung und den Bau sicherer geotechnischer Bauwerke zu ermöglichen und um Bauverfahren zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Ernennung von Professor Marius Milatz mit unserer Präsidentin Angela Ittel und Professor Klaus Thiele, Dekan der Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Was sind die Hauptforschungsbereiche und -projekte, an denen Sie an der TU Braunschweig arbeiten werden?

Als Postdoktorand in einem Graduiertenkolleg an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) habe ich mich in den letzten Jahren mit bildgebenden Verfahren, insbesondere mit der Computertomografie (CT), beschäftigt, um verschiedene Prozesse und physikalische Phänomene, insbesondere Kapillareffekte, in Böden zu untersuchen. Ich möchte bildgebende Verfahren in die geomechanische Grundlagenforschung einbringen und an der TU Braunschweig ein Labor für hydraulische und mechanische Experimente an verschiedensten Geomaterialien mit CT-Bildgebung aufbauen. Auf diese Weise können Einblicke in das physikalische Verhalten der Materialien auf der Mikroskala, das heißt der Größenskala einzelner Sandkörner und kleiner, gewonnen werden, um das auf der Makroskala beobachtete Materialverhalten besser zu verstehen. Dies umfasst natürliche Prozesse, wie zum Beispiel die Durchströmung des Bodens mit Wasser, Kapillareffekte oder die Durchwurzelung durch Pflanzen, aber auch technische Vorgänge, wie die Zementierung oder Vereisung von Boden in geotechnischen Bauverfahren des Spezialtiefbaus und Tunnelbaus.

Neben der geomechanischen Grundlagenforschung mit CT-Bildgebung und darauf aufbauenden computerbasierten Simulationen des Materialverhaltens möchte ich mich darüber hinaus in der angewandten Forschung mit verbesserten, nachhaltigen geotechnischen Bauweisen befassen, mit Problemen im maschinellen Tunnelbau und mit Fragestellungen bei der Interaktion von Boden, Wasser und Bauwerk, wie sie für Offshore-Windenergieanlagenfundamente und im Küstenschutz relevant sind. Hierfür ist eine Zusammenarbeit mit der Bauindustrie, aber auch mit anderen universitären Einrichtungen und Instituten geplant, darunter das Leichtweiß-Institut für Wasserbau und der Große Wellenkanal am Forschungszentrum Küste in Hannover.

Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?

Die ungeheure Vielfalt, die das physikalische Verhalten der natürlichen Materialien Boden und Fels, die uns überall umgeben, bietet, hat mich schon immer begeistert. Mein Interesse an der Geologie und Paläontologie sowie an Naturwissenschaften wurde schon im Kindesalter durch meine Eltern geweckt. In der Geotechnik kann ich diese Interessensfelder weiterverfolgen, da es viele Schnittstellen zu anderen Disziplinen, wie zum Beispiel zur Geologie, gibt und durch Forschung einen Beitrag leisten, damit wir mit den über viele Jahrmillionen entstandenen komplexen Geomaterialien sicher bauen können.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten aus?

Bodenständigkeit, Neugierde, Teamgeist