16. Januar 2018 | Magazin:

Mit 86 zur Promotion Richard Brüdern ältester Doktorand der TU Braunschweig

Ausruhen, das Rentnersein genießen, ist nicht Richard Brüderns Sache. Ganz im Gegenteil: Eine 508 Seiten umfassende Dissertation zu Wasserrädern hat er dem Institut für Bauwerkserhaltung und Tragwerk vorgelegt und kurz vor Weihnachten auch verteidigt. Und das mit 86 Jahren. Damit ist der Braunschweiger wohl der älteste Promovend der Carolo-Wilhelmina.

Freuen sich über die gelungene Disputation: Richard Brüdern (r.) mit seinem „Doktorvater“ Professor Klaus Thiele. Foto: Kristina Rottig/TU Braunschweig

„Ich bin einfach nicht geeignet, mich als Pensionär zur Ruhe zu setzen“, antwortet Richard Brüdern auf die Frage, warum er sich mit über 80 zu seiner Promotion entschlossen habe. „Da sucht man sich nochmal Arbeit.“ Aber nicht nur das: Es hat auch mit seiner Leidenschaft und seinem Engagement für die Wasserräder zu tun. Das gesamte Material, das er über viele Jahre zusammengetragen hatte, sollte nicht verloren gehen. „So viel Leistung muss auch einen Stempel kriegen“, betont Professor Hartmut Wittenberg von der Leuphana Universität Lüneburg, der extra zur Disputation angereist ist. Mit Richard Brüdern tauscht er sich seit längerem über hydraulische Probleme aus, und er war es auch, der die Dissertation angeregt hat.

Technik trifft Historie

Herausgekommen ist ein dickes Werk zum Thema „Wasserräder – Eine Beurteilung aus historischer und rechnerischer Sicht“. Wichtig für Richard Brüdern, dass in seiner Arbeit sowohl die technische als auch die historische Sicht berücksichtigt wird. „Nur so können auch vernünftige Lösungen erzielt werden“, sagt er.

Die detaillierte Darstellung des geschichtlichen Verlaufs mache vor allem den Wert der Dissertation aus, so Professor Klaus Thiele, kommissarischer Leiter des Instituts für Bauwerkserhaltung und Tragwerk und „Doktorvater“ von Richard Brüdern. Historiker hätten bereits Interesse an der Arbeit bekundet.

Vom Mühlenbauer zum Maschinenbauer

Die Begeisterung für die großen Schöpfräder entstand auf seinen Reisen in den Nahen Osten. In Syrien und Jordanien, aber auch in der Türkei, Katar, Tunesien, Sudan und Pakistan war er für das Maschinenbauunternehmen MIAG und später als beratender Ingenieur für die Zementbranche unterwegs. Nach einer Lehre als Mühlenbauer und einer kaufmännischen Ausbildung bei der MIAG hatte Richard Brüdern im Abendgymnasium das Abitur nachgeholt und anschließend an der damaligen Technischen Hochschule Braunschweig von 1953 bis 1959 Maschinenbau studiert, bevor er wieder zur MIAG ging und dort als Konstrukteur der Zementabteilung arbeitete.

Von Wasserrädern und Wassermühlen

1960 reiste Richard Brüdern erstmals nach Syrien und beschäftigte sich dort mit den Wasserrädern am Orontes, der zu diesem Zeitpunkt noch viel Wasser führte. Als der Ingenieur 1980 die Wasserräder erneut besuchte, liefen diese nur noch stundenweise für den Tourismus. „Deshalb habe ich überlegt, wie man dies verbessern kann“, berichtet Richard Brüdern in seinem Promotionsvortrag. Wie kann die Arbeitszeit unter den derzeitigen Wasserverhältnissen verlängert werden? Wie können die Reparaturarbeiten reduziert werden? Die syrischen Wasserräder liegen dem Ingenieur so am Herzen, dass er sich auch weiterhin für ihren Betrieb einsetzt und bereits mit einem Experten darüber im Austausch ist, wie dies in die Wege geleitet werden könnte.

Gefragter Mühlenexperte

Doch nicht nur für technische Denkmale in Syrien oder der Türkei engagiert sich Richard Brüdern, sondern auch für Mühlen in Deutschland. Er selbst kaufte 1966 die Wassermühle Rotemühle in Schwülper und hat diese instand gesetzt. Das Interesse daran wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Seine Eltern waren Besitzer einer Windmühle, sein Urgroßvater gründete die Windmühle in Völkenrode. Als Mühlenexperte ist Richard Brüdern auch mit 86 immer noch gefragt. Doch seine Wassermühle musste er inzwischen aufgeben. „Mit fast 87 kann man keine Mühle mehr betreiben“, musste er leider feststellen.

Und manches muss man in dem Alter auch nicht mehr machen, so wie die eigentlich für Doktoranden vorgeschriebenen Fortbildungen. „Seine Lebenserfahrung haben wir als hinreichende Weiterbildung angerechnet“, so Professor Thiele.