Mehr Stress, weniger Frösche? Zoologisches Institut erforscht Umweltstress als mögliche Ursache für schleichenden Rückgang von Grasfröschen
In ihrem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt erforscht Biologin Dr. Katharina Ruthsatz am Zoologischen Institut der TU Braunschweig Populationsrückgänge beim Grasfrosch. Sie untersucht, inwiefern die Entwicklung vom Grasfrosch durch Faktoren wie Temperaturschwankungen und Nitratbelastung im Wasser beeinflusst wird.
Der Grasfrosch sei nach wie vor die am weitesten verbreitete heimische Amphibienart, so Dr. Katharina Ruthsatz. In den vergangenen Jahren seien jedoch drastische Populationsrückgänge festgestellt worden. Gründe dafür könnten Störungen im Zusammenhang mit den anthropogenen globalen Umweltveränderungen wie die Zerstörung von Lebensräumen, die fortschreitende Urbanisierung und die expandierende Landwirtschaft sein.
Amphibien reagieren auf Umweltstressoren
Aber auch in Lebensräumen, die von diesen direkten Störungen nicht betroffen sind, sei ein Populationsrückgang festzustellen, weiß Ruthsatz. Möglicherweise verursachten Verschmutzung, Krankheitserreger und der Klimawandel stetige, schleichende Populationsrückgänge. Amphibien würden auf solche Stressfaktoren mit einem Anstieg des Stresshormonspiegels reagieren, der sich auch auf die Entwicklung, Morphologie, Physiologie und Immunfunktion auswirke.
„Eine vorausgegangene Studie konnte zeigen, dass vor allem der Stressor Temperatur eine erhebliche Rolle bei der gleichmäßigen Verteilung von zur Verfügung stehender Energie für Entwicklung, Wachstum und den Umwandlungsprozessen während der Metamorphose spielt“, erklärt Ruthsatz.
Frühwarnsystem signalisiert Stress
Hier setzt das aktuelle Forschungsprojekt von Katharina Ruthsatz an. Die Wissenschaftlerin möchte die Rolle dieser subletalen Umweltstressoren in den schleichenden Populationsrückgängen des Grasfrosches erklären. Insbesondere untersucht Ruthsatz die kurz- und langfristigen Effekte von Temperaturschwankungen und Nitratbelastungen, die in den Laichgewässern des Grasfrosches als äußert relevant bewertet werden.
„In einer vorangegangenen Arbeit konnten wir zeigen, dass Gewässerbelastung mit Chemikalien, die die Metamorphose beim Grasfrosch beeinflussen, das Akklimatisierungspotenzial dieser Art herabsetzt. Zudem beeinträchtigen auch diese Stoffe die für die Metamorphose zur Verfügung stehenden Energiebudgets negativ“, sagt Ruthsatz.
Zwei Teilversuche
Die neue Studie basiert zum einen auf einer Feldstudie, die die Effekte verschiedener Nitratbelastungen in Laichgewässern auf den Stresshormonspiegel bei Kaulquappen und erwachsenen Grasfröschen untersucht. Zum anderen wird in einer Laborstudie erforscht, welche Effekte verschiedener Nitratbelastungen und Temperaturschwankungen auf Stress-Biomarker während und nach der Metamorphose unter kontrollierten Bedingungen auftreten.
Feldversuche in den „Kleiwiesen“
Die „Kleiwiesen“ bei Braunschweig-Waggum sind ein Laichgebiet des Grasfroschs mit niedriger Nitratbelastung, da angrenzend keine landwirtschaftliche Nutzung stattfindet. Es dient in dem Forschungsprojekt als nicht belastetes Kontrollgewässer. Vor Ort werden über drei Jahre sowohl bei Kaulquappen als auch bei erwachsenen Tieren die Stresshormonausschüttung gemessen. Das geschieht nicht-invasiv, also ohne dass die Tiere verletzt werden müssen, denn Amphibien geben Stresshormone über die Haut und den Urin ins Wasser ab.
Für die Untersuchung werden jeweils im Frühjahr weibliche und männliche Tiere in Plastikgefäße mit sterilem, chlorfreiem Wasser gesetzt. „Das machen wir nachts direkt am Laichgewässer, um den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere nicht zu stören“, betont Wissenschaftlerin Dr. Katharina Ruthsatz. Nach einer Stunde würden die Tiere wieder freigelassen und das Wasser sofort bei Minus 18 Grad Celsius eingefroren. Später im Labor könnten dann die Stresshormone herausgefiltert und ihre Konzentration bestimmt werden.
Laborexperimente im Zoologischen Institut
Aus den Kleiwiesen wurden im April 2021 die ersten Laichballen entnommen und in einen klimatisierten Raum im Zoologischen Institut der TU Braunschweig gebracht. Nach dem Schlüpfen wurden die Kaulquappen auf insgesamt 54 Aquarien verteilt. Dem Wasser wird kontrolliert Nitrat zugegeben. „Wir unterscheiden dabei auch Kaulquappen von Elterntieren, die früher oder später an dem Gewässer angekommen sind“, so Ruthsatz.
Dadurch dass es im Jahresverlauf durch den Klimawandel immer früher warm werde und es danach gegebenenfalls noch einmal kälter werde, könne es sein, dass die Phänologie der Grasfrösche, die periodisch wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen, beeinflusst wird. Eine weitere Versuchsgruppe konnte ganz ohne Nitratbelastung unter Laborbedingungen schlüpfen. Die Forschungen finden im Zoologischen Institut in der von Professor Miguel Vences geleiteten Abteilung Evolutionsbiologie statt.
„Alle überlebenden Tiere werden im Anschluss an die Experimente umgehend wieder in ihrer Heimat im Braunschweiger Stadtteil Waggum freigelassen“, erklärt Katharina Ruthsatz.
Besserer Schutz für einheimische Amphibien
Ziel des Forschungsprojektes ist es zu verstehen, wie sich die beiden Stressfaktoren Temperaturschwankungen und Nitratbelastungen kurz- und langfristig auswirken. Die Ergebnisse sollen Grundlage dafür sein, einheimische Amphibien wie den Grasfrosch besser zu schützen. Die Erkennnisse könnten für Erhaltungsstrategien genutzt werden, bevor die Population der Tiere im gesamten Verbreitungsgebiet dramatisch zurückgeht.
Dr. Katharina Ruthsatz
Die Biologin leitet seit Juli 2020 am Zoologischen Institut der TU Braunschweig eine unabhängige Arbeitsgruppe in der Abteilung von Professor Vences. Zunächst studierte sie an der Universität Hamburg Biologie und Deutsch auf Lehramt. Als ihr nach der Masterarbeit das Angebot gemacht wurde zu promovieren, nutzte sie die Chance und promovierte ebenfalls an der Uni Hamburg zum Thema „ Amphibians in a changing world: an ecophysiological perspective on amphibian metamorphosis”. Das Interesse für Amphibien begleitet sie bereits seit ihrer Kindheit.