31. Juli 2015 | Magazin:

Mehr als ein Farbklecks: Chemiker entdecken Corrol-Radikal Forschungsergebnisse in »Angewandte Chemie« veröffentlicht

Der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll, der rote Blutfarbstoff oder auch das Vitamin B12: Sie alle bestehen aus Molekülverbindungen, die der Klasse der Metalloporphyrinoide angehören. In metall-freier Form verfügen diese über eine besondere Verteilung der Elektronen und gelten mit ihren „geschlossenen Schalen“ als chemisch robust und damit wenig reaktiv. Professor Martin Bröring von der Technischen Universität Braunschweig ist es nun mit seinem Team gelungen, eine Porphyrinoid-Verbindung mit einer „offenen Schale“ herzustellen, zu isolieren und zu untersuchen – und sie machten dabei eine ganz besondere Entdeckung.

 

Prof. Martin Bröring mit seinerm Projektmitarbeiter Peter Schweyen.

Prof. Martin Bröring mit seinerm Projektmitarbeiter Peter Schweyen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie (IAAC) der TU Braunschweig trauten ihren Augen kaum, als sie auf dem Computerbildschirm ein grafisches Modell der Verbindungen ihres Corrol-Radikals zu Gesicht bekamen. „Die Verbindung war überraschend flach und sah einer so genannten Inkblot-Grafik, wie sie aus der Psychoanalyse bekannt ist, zum Verwechseln ähnlich“, erklärt Martin Bröring. Er ist Professor für Bioorganische Chemie am IAAC und hat es zusammen mit seiner Arbeitsgruppe auf das Backcover der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ geschafft. „Selbstverständlich ist an unseren Ergebnissen noch etwas mehr dran als die Ähnlichkeit zu einem Farbklecks“, scherzt Bröring.

Verbindungsmodell des Coroll-Radikals. (IAAC/TU Braunschweig)

Verbindungsmodell des Coroll-Radikals. (IAAC/TU Braunschweig)

Dem Braunschweiger Chemiker und seiner Arbeitsgruppe ist es gelungen, ein Corrol-Radikal herzustellen, zu isolieren und zu untersuchen. Dabei handelt es sich um ein Mitglied aus der Stoffklasse der Porphyrinoide, die in der Biosphäre für viele lebenswichtige Prozesse, insbesondere im Energiehaushalt von Pflanzen und Tieren, wichtig sind. Gerne würde man die derartigen Fähigkeiten auch in der Technik einsetzen und für Anwendungen optimieren, erklärt Bröring. Dementsprechend groß sei das Interesse an der Erforschung von Varianten der natürlichen Porphyrinoide, so der Chemieprofessor weiter. „Auf der Suche nach Wolframkomplexen mit dem kleinen Bruder des Porphyrins, dem Corrol, bekamen wir unerwartet eine neue Verbindung in die Hände. Diese erwies sich schnell als metallfrei, war aber trotzdem weitgehend planar gebaut, was sehr ungewöhnlich für einen Corrolliganden ist“, erläutert Martin Bröring und ergänzt: „Zudem versagte hier die übliche Analytik, die für metallfreie Systeme auf der Untersuchung und Interpretation der diamagnetischen Feinstruktur beruht. Weitere Untersuchungen mit spektroskopischen und theoretischen Methoden brachten schließlich die Erkenntnis, dass es sich hier um das bislang unbekannte und paramagnetische Corrol-Radikal handeln musste.“

Back-Cover der Angewandten Chemie. (WILEY-VCH)

Back-Cover der Angewandten Chemie. (WILEY-VCH)

„Freie und nicht durch Kopplungen an Metalle stabilisierte Radikale sind sehr selten. Daher war es umso überraschender, dass hier das Radikal eines so prominenten und vielstudierten Makrozyklus vorliegen soll. Die Detailuntersuchung zeigt, dass der Radikalcharakter innerhalb des Moleküls gerade an den Stellen besonders stark ist, die aufgrund der Seitengruppen nicht für Substrate zugänglich beziehungsweise bereits abreagiert sind“, erklärt Professor Bröring das Forschungsergebnis und führt weiter dazu aus: „Dies ist ein Beispiel für eine kinetische Stabilisierung, die eine reaktive Verbindung generell von der Weiterreaktion mit ihrer Umgebung abhalten kann. Der Zufall wollte es, dass unter den gewählten Reaktionsbedingungen gerade dieses Substitutionsmuster erhalten wurde, das die Isolierung und Beobachtung des normalerweise höchst reaktiven Radikals erlaubte.“

Das Corrol-Radikal, so Martin Bröring abschließend, lasse sich im Labor unter normalen Bedingungen handhaben und habe nach ersten Erkenntnissen eine eigene Komplexchemie, die mehr der Chemie der Porphyrine als der Corrole ähneln würde. Der Radikalcharakter, so der Chemiker weiter, sei daher auch in den Folgeprodukten zu finden, was die Einsatzmöglichkeiten der Porphyrinoide erweitere. Insbesondere in der Katalyse sowie im Bereich molekularer Materialien würden sich aus dem Befund neue Aspekte ergeben, die es nun auszuloten gelte.

 

Zur Publikation

  • „The Corrole Radical“; P. Schweyen, K. Brandhorst, R. Wicht, B. Wolfram, M. Bröring, Angew. Chem. 2015, 127, 8331-8334; Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 8213-8216.

 

Weitere Informationen

  • Den Artikel und des Backcover Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ vom 06. Juli 2015 finden Sie hier.
  • Den Wettbewerb „Rorschach Chemistry – What Do You See?“ auf der Seite Chemistry Views finden Sie hier.

 

Kontakt

Prof. Dr. Martin Bröring
Institut für Anorganische und Analytische Chemie (IAAC)
Technische Universität Braunschweig
Hagenring 30
38106 Braunschweig
Telefon: 0531/391-5302
E-Mail: m.broering@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/iaac/broering