16. September 2024 | Magazin:

Kunst und Wissenschaft: Durch Dialog neue Perspektiven öffnen Science and Art Lab bringt Spitzenforschung und Kunst in unterschiedlichen Ausdrucksformen zusammen

Was verbindet Wissenschaft mit der Kunst? Was kann sich durch das Zusammenspiel der beiden Bereiche ergeben? Zu diesen Fragen führten wir ein Gespräch mit Henrike Wenzel und Dr. Jule Hillgärtner, die seit Sommer dieses Jahres das Projekt Science and Art Lab an der Technischen Universität leiten. Sie sprechen darüber, wie sie mit dem Projekt den Diskursraum zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft mit Leben füllen möchten und stellen die ersten beiden Formate der Pilotphase mit dem Fokus auf den beiden Exzellenz-Clustern SE2A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation und QuantumFrontiers vor.

Frau Wenzel, Frau Hillgärtner, ein Projekt-Lab für Wissenschaft und Kunst überrascht etwas an einer Technischen Universität. Was hat es mit Ihrem „Science and Art Lab“ auf sich?

Science and Art Lab versteht sich als Plattform auf der Wissenschaft und Kunst einander begegnen können. Dabei sind die Ränder dieser Plattform offen und die Medien und Formate vielfältig, um möglichst viele unterschiedliche Zugänge zu erlauben. Unsere Projekte sind immer auch eine Einladung ans interessierte Publikum, sich an komplexe Inhalte anzunähern.

Warum ist gerade an einer Technischen Universität die Verbindung von Wissenschaft und Kunst sinnvoll und wozu kann die Verbindung beitragen?

Wir sind davon überzeugt, dass das Zusammenkommen von Kunst und Wissenschaft neue Perspektiven eröffnet. Im besten Fall entstehen sogar wechselseitige Impulse oder Synergien, die letztlich dazu beitragen können, gemeinsam Lösungen für gesellschaftliche Transformationsprozesse voranzutreiben. Aber zunächst kann die Begegnung mit Menschen, die sich denselben Themen auf ganz unterschiedliche Weisen annähern, ein anderes Bewusstsein für das eigene Tun ergeben. Im Austausch miteinander kommt es fast wie von alleine zur Reflexion. Und genau das ist eines der zentralen Charakteristika von Kunst.

Wie kann Kunst dazu beitragen Wissenschaft besser zu verstehen?

Da sind wir eher vorsichtig, weil wir die Kunst nicht als vermittelnde Instanz verstehen, die Forschungsergebnisse ästhetisch nachbildet oder vereinfacht und hübsch darstellt. Im Gegenteil. Die Kunst, um die es uns geht, hat eine eigene, unabhängige Position, die – ähnlich der Wissenschaft – eine zusätzliche Komplexitätsebene ins Spiel bringt. Trotzdem kann genau über diese Perspektive ein Zugang geschaffen werden. Aber das funktioniert im besten Fall in beide Richtungen als reizvolles Wechselspiel: Über die Kunst zur Wissenschaft, über die Wissenschaft zur Kunst.

Was verbindet Wissenschaft mit der Kunst und was kann sich durch das Zusammenspiel der beiden Bereiche ergeben bzw. wo sehen Sie die Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft?

Das ist eine schöne Frage, die uns auch immer wieder beschäftigt. Anstatt die (durchaus vorhandenen, zahlreichen) Unterschiede zu betonen, macht es gerade für die Idee des Science and Art Lab Sinn, über die Gemeinsamkeiten beider Sphären nachzudenken. Abgesehen von einer gewissen Besessenheit, die es sowohl in der Kunst als auch in der Spitzenforschung braucht, ist es wahrscheinlich eine grundlegende Neugierde und die Motivation, Dinge grundlegend verstehen zu wollen. Und sicherlich spielt darüber hinaus in beiden Bereichen der Zufall keine unwichtige Rolle. Aber natürlich darf der Umgang mit Themen in der Kunst wesentlich freier sein, insofern Künstler*innen nicht auf wissenschaftliche Beweise angewiesen sind, um ihre Arbeiten zu entwickeln. Hier gibt es die Möglichkeit zu spekulieren, Themen zu mischen, überraschende Zusammenhänge zu behaupten und offen mit Impulsen von außen zu spielen.

Wen möchten Sie mit Ihren Formaten ansprechen?

Science and Art Lab gründet auf der Idee eines Dreiecks aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft. Daher denken wir unser Publikum bei jedem Format von Anfang an mit. Allerdings sind die Formate unterschiedlich gelagert: Während die einen sich explizit an ein Universitäts-externes Publikum richten, geht es in anderen eher darum, Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig und Künstler*innen in einen engen Dialog zu setzen, der – zumindest vorerst – eher intern stattfindet.

Ihr erstes Format ist der Kurzfilmabend Fly High am 26. September in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster SE2A und in Kooperation mit dem Braunschweig International Film Festival. Was erwartet die Besucher*innen?

Der Kurzfilm „Apocalypse Airlines“ zeigt einen „Fake“-Werbespot für eine fiktive Fluggesellschaft, der uns mit unseren eigenen Widersprüchen konfrontiert: Camille Tricaud, Franziska Unger, 2019, Bildnachweis: KurzFilmAgentur Hamburg e.V.

Wir freuen uns, zu einem sehr vielfältigen Abend einzuladen: Mit Podiumsgespräch, der Präsentation neuester Forschungsergebnisse des Clusters, der Premiere des Imagefilms von SE2A und unserem Kurzfilmprogramm. Insgesamt zeigen wir zehn Videos, die sich mit dem Fliegen beschäftigen: Da ist ein sehr humorvolles wie kritisches Musikvideo dabei, eine Stummfilmaufnahme mit den ersten Flugversuchen von Wilbur Wright, eine sehr schräge Darstellung einer Zukunftsvision zur Idee der „Teleportation“ und gerade eben hinzugekommen auch ein früher Film von Stanley Kubrick. Wir möchten sowohl im Filmprogramm als auch in den Gesprächen eine breite Palette an Sichtweisen aufs Fliegen vermitteln: technische und natürliche, gesellschaftspolitische, verspielte und fantastische.

Der Filmemacher Jan van Ijken hat mit den mysteriösen Flügen der Stare, die zu Tausenden in dichten Schwärmen fliegen eines der spektakulärsten Naturphänomene gefilmt. 2015, NL, Courtesy The Artist

Gibt es bereits weitere Formate, die Sie planen und wenn ja welche?

Ja, aktuell läuft auch gerade die Science and Art Lab-Residency an. Aus einem Pool von über 100 internationalen Bewerbungen haben eine Jury und die Mitglieder des Exzellenzclusters QuantumFrontiers sich für die Künstlerin Mareike Bernien entschieden. Sie wird bis Januar 2025 immer wieder mit den Forscher*innen des Clusters zusammenarbeiten und ihr künstlerisches Rechercheprojekt entwickeln. Vergleichbar ist das mit einer*m Gastwissenschaftler*in, allerdings mit künstlerischem Fokus. Hier geht es vorrangig um den Dialog zwischen Künstlerin und Forschenden, wobei wir aber auch in diesem Zusammenhang öffentliche Veranstaltungen planen, um punktuell Einblicke in diesen Prozess zu ermöglichen.

Was möchten Sie am Ende der Pilotphase Ihres „Science and Art Lab“ erreicht haben?

Wir hoffen, dass wir nach und nach immer mehr Menschen an der TU Braunschweig und darüber hinaus von der Idee unseres Labs begeistern können. Und dass wir in der Pilotphase verschiedene Formate ausprobieren konnten: Neben dem Kurzfilmabend und der Residency planen wir aktuell noch eine Leerstandsbespielung in der Innenstadt. Hier möchten wir Workshops, Screenings, Gesprächsabende und Lesenachmittage umsetzen. Außerdem sind wir gerade dabei uns mehr und mehr mit vergleichbaren Initiativen an Universitäten in Deutschland und auch international zu vernetzen. Das Thema „Science and Art“ liegt gerade in der Luft – da ist es gut, dass die TU Braunschweig vorne mitmischt. Gleichzeitig wollen wir uns mit anderen verbünden, um uns gegenseitig im Sinne von „Best Practice“ auszutauschen und gemeinsam mehr Sichtbarkeit zu erreichen.

Vielen Dank!