Krankheiten verstehen und therapieren Forschungsschwerpunkt "Infektionen und Wirkstoffe" präsentiert sich auf Postermarktplatz
Das Angebot auf dem Postermarktplatz des Forschungsschwerpunkts „Infektionen und Wirkstoffe“ ist riesig. 40 Projekte und Arbeitsgruppen mit insgesamt 90 Teilnehmer*innen stellten hier am 19. Juli ihre Forschung vor und gaben gleichzeitig einen guten Überblick über die große Bandbreite des Forschungsschwerpunkts. Diese reicht von der Erforschung neurodegenerativer Krankheiten über Drug Targeting bis hin zur Erstellung bioinformatischer Prognosemodelle. Wir haben uns auf dem Marktplatz umgesehen und mit einigen Wissenschaftler*innen gesprochen.
Neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer sind Volkskrankheiten. Um diese zu bekämpfen, forscht Dr. Susann Ludewig in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Martin Korte. „In unseren Forschungsprojekten wollen wir molekulare und zelluläre Mechanismen verstehen, die Lern- und Gedächtnisprozessen bei Gesundheit und Krankheit unterliegen“, beschreibt Dr. Ludewig das Forschungsanliegen in der AG Neuroinflammation und Neurodegeneration (NIND) am Helmholtz- Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der AG Zelluläre Neurobiologie am Zoologischen Institut. „Insbesondere sind wir an der Rolle von Infektionen und damit verbundenen Entzündungsreaktionen beim Fortschreiten oder sogar Ausbruch von neurodegenerativen Erkrankungen interessiert. Das Verständnis dieser Prozesse könnte es in Zukunft ermöglichen, Therapien und präventive Maßnahmen für neurologische Störungen und neurodegenerative Krankheiten zu entwickeln.“
Dabei steht vor allem die Kommunikation zwischen dem Immun- und dem Nervensystem im Fokus der Wissenschaftler*innen. Lange Zeit wurde angenommen, dass das zentrale Nervensystem und das Immunsystem getrennt voneinander agieren. Studien der beiden AGs konnten allerdings beweisen, dass Gehirne mit Alzheimer-Symptomatik sensibler und stärker auf Krankheiten und Entzündungen, wie beispielsweise eine Sepsis oder eine Grippe, reagieren als gesunde Gehirne.
Wirkstoffe an den richtigen Ort bringen
Bei der Therapie neurodegenerativer Krankheiten könnte auch das sogenannte Drug Targeting eine Rolle spielen. „Drug Targeting“ beschreibt den zielgenauen Transport von medizinischen Wirkstoffen zum Wirkort im Körper bzw. in den Zellen. Daran forschen Nina Baumann und Johanna Pfeifer aus der AG Bunjes am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie. Die Arbeitsgruppe Bunjes beschäftigt sich vor allem mit der Formulierung von schwer wasserlöslichen Stoffen. „Formulierung“ bezeichnet in der Pharmazie die Einarbeitung von Wirkstoffen in die Arzneiform. Dafür werden zum Beispiel nanopartikuläre Drug-Delivery-Systeme verwendet – also Kombinationen von Wirkstoffen mit Trägerpartikeln, die sie zum Zielort in der Zelle transportieren sollen. Eine andere Möglichkeit zur Formulierung von schwer wasserlöslichen Stoffen ist die Einarbeitung in Lipidpellets, deren Bestandteile sich nach der Anwendung fein verteilen.
In der Arbeitsgruppe von Professorin Heike Bunjes wird außerdem an der Entwicklung und Charakterisierung von implantierbaren Formulierungen für die kontrollierte Freisetzung von therapeutischen Proteinen gearbeitet. Solche Implantate können dabei helfen, Verletzungen der Muskulatur zu heilen. Aktuell wird an einem Implantat geforscht, das wachstumsfördernde Proteine freisetzt und so die Regeneration der Sehnen-Knochen-Verbindung nach einem Abriss der Rotatorenmanschette in der Schulter beschleunigen soll.
Krankheitsursachen mit KI finden
Einen bioinformatischen Ansatz zur Erforschung von Infektionen und Wirkstoffen hat hingegen Gihanna Galindez, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Peter L. Reichertz-Institut für medizinische Informatik, gewählt. Dafür hat sie eine neue Methode des maschinellen Lernens zur Rekonstruktion eines differenziellen Netzwerks aus Genexpressionsdaten von zwei Patientengruppen entwickelt. Damit können zum Beispiel Daten von Diabetikern und Nicht-Diabetikern miteinander verglichen werden. Das Tool findet dann heraus, welche Gen-Gen-Beziehungen sich zwischen diesen beiden Gruppen unterscheiden. „Dies würde uns eine bessere Vorstellung von den molekularen Veränderungen vermitteln, die dafür verantwortlich sein könnten, warum die Diabetiker krank geworden sind. Das könnte uns dann ermöglichen, bessere Behandlungsmethoden zu finden“, so Galindez. Das Prinzip ist bei vielen Krankheiten anwendbar. In das Software-Tool lassen sich Daten verschiedenster Patient*innengruppen einspeisen und mit den Datensätzen gesunder Menschen vergleichen.
„Was unser Labor macht, ist im Grunde Data Science in der Biomedizin. Wir verwenden und entwickeln hauptsächlich maschinelle Lerntools und andere statistische Werkzeuge sowie einige netzwerkbasierte Analysen großer Datensätze, um mehr über die Ursachen von Krankheiten zu erfahren. Wir befassen uns mit Themen wie der Identifizierung von Biomarkern, der Subtypisierung von Patient*innen und dem Repurposing von Medikamenten“, fasst Galindez ihre Methodik zusammen.
Netzwerken mit Postern
Neben der Präsentation der eigenen Forschung sollte der Postermarktplatz in erster Linie die Vernetzung im Forschungsschwerpunkt „Infektionen und Wirkstoffe“ stärken und neue Forschungskooperationen anregen. Die Forscher*innen sollten selbst über den Markt schlendern, sich die Poster der anderen Wissenschaftler*innen ansehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Dr. Anita Remus, Koordinatorin des Forschungsschwerpunkts und Organisatorin des Postermarktplatzes, zeigt sich äußerst zufrieden: „Der Postermarktplatz war ein voller Erfolg. Ich habe nur positives Feedback erhalten.“
Die Gelegenheit zum Netzwerken wurde auch von den Wissenschaftler*innen rege genutzt: „Es wurden so einige Visitenkarten ausgetauscht und mögliche weiterführende Analysen diskutiert“, berichtet Dr. Susann Ludewig. Nina Baumann und Johanna Pfeifer ergänzen: „Wir haben den Postermarktplatz als eine gelungene Veranstaltung wahrgenommen, um viele andere Arbeitsgruppen und deren Forschungsgebiete in einer schönen Atmosphäre kennenzulernen. Es war spannend, die vielen verschiedenen Methoden und Gerätschaften kennenzulernen, mit denen bei uns im Forschungsschwerpunkt gearbeitet wird.“