Kieloben in der Oker Architektur-Studierende bauen eine Installation für den Lichtparcours 2020
Mitten auf der Oker, östlich der Wendentorbrücke, liegt ein Boot mit dem Kiel nach oben. Ein diffuser Lichtschein schimmert darunter ins Wasser hinein, flackert und erlischt wieder. Die Installation „Kieloben“ soll ab dem 13. Juni beim Lichtparcours der Stadt Braunschweig als eins von 15 Kunstwerken zu sehen sein, entworfen und gebaut von Architektur-Studierenden des Instituts für Architekturbezogene Kunst (IAK) der Technischen Universität Braunschweig.
Der Entwurf von Victoria Hermesmann – entstanden im vergangenen Wintersemester im Seminar „Low Tech Kraftwerk“ – erzählt von einem aktuellen und schmerzlichen Thema unserer Zeit. Bei „Kieloben“ geht es um ein Boot, das sein Ziel nicht erreicht. Es kentert mit allem und jedem, was es zuvor getragen hat. „Menschen ertrinken bei ihrem Wunsch nach Leben. Doch die Zahlen schockieren nicht mehr. Es fehlt die Empathie“, beschreibt die Masterstudentin, wie sich die Idee zu ihrem Entwurf entwickelte. „Ich möchte diese Zahlen anders vermitteln, denn dahinter stehen jedes Mal Menschen mit ihren Hoffnungen und Träumen.“ Seelen, die im Schiffsbauch gefangen sind.
Ein Lichtschein im Wasser
Ein Tau verbindet das gekenterte Boot mit der Plattform am Ufer. Ziehen Besucherinnen und Besucher an dem Seil, leuchtet das Boot im Dunkeln schimmernd auf. Ein Lebenszeichen? Die Seelen der Verstorbenen? Sobald die Anstrengungen eingestellt werden, erlischt auch wieder das Licht. „‘Kieloben‘ hat mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Ein umgekipptes Boot weckt mehrere Assoziationsketten bei den Betrachterinnen und Betrachtern. Es ist eine politische Arbeit, die aber durch ihre Reduktion und durch die Einbindung der Bevölkerung eine neue Qualität entwickelt“, sagt Professorin Folke Köbberling, Leiterin des IAK.
„Kieloben“ setzte sich als Entwurf gegen 14 andere Studierenden-Arbeiten des Seminars durch, die einer Jury präsentiert wurden. Als Grundlage der Entwürfe für ein wasserkraftbezogenes Kunstwerk diente eine Studienarbeit von Daniel Gehrmann von der Abteilung Wasserbau und Gewässermorphologie des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau (LWI). Darin untersuchte er das Gebiet an der Oker, Oberstrom Wendentor/Mühlenpfordtstraße.
Damit „Kieloben“ ab dem 13. Juni beim Lichtparcours zu Wasser gelassen werden kann, beschäftigen sich jetzt 15 Studierende und die beiden Künstler Michael Zwingmann und Bernd Schulz mit der Umsetzung des Entwurfs im Querumer Forst. Im Institut ist Kleingruppenarbeit und Mehrschichtbetrieb angesagt. Ausgestattet mit Behelfsmasken und selbstgefertigtem Gesichtsschutz mit an Bauhelmen befestigtem Acrylglas entsteht momentan der Bootskörper. „Dafür gab es vom Krisenstab der TU Braunschweig eine Sondergenehmigung“, so Folke Köbberling. „Wir können uns hier im großzügigem Institutsgebäude und dem weitläufigen Außengelände auf verschiedene Arbeitsplätze verteilen, so dass wir ausreichend Abstand zueinander haben“, ergänzt Michael Zwingmann.
Prinzip Hoffnung für den Lichtparcours
Inzwischen hat sich die Arbeit im „Uhlenbusch“ gut eingespielt, das Grundgerüst des 7,50 Meter langen Boots steht bereits, große Teile der Beplankung sind angebracht. Gerade arbeiten die Studierenden an den Auftriebskörpern, damit das Boot in der Oker nicht untergeht. Um den Holzkahn zur Oker transportieren zu können, wurde ein Bootsanhänger mit einem herausnehmbaren Boden versehen. Die angehenden Architektinnen und Architekten müssen noch überlegen, wie der Kubus am Okerufer in die Installation einbezogen wird, der noch aus einer früheren Lichtparcours-Ausstellung stammt.
Auch Victoria Hermesmann fährt immer wieder zum IAK und berät bei der Umsetzung des Entwurfs. „Für mich ist es eine riesige Ehre, dass ´Kieloben´ eines der Kunstwerke beim Lichtparcours sein wird“, sagt sie. „Ich freue mich zu sehen, wie der Entwurf von vielen Studierenden gemeinsam umgesetzt wird.“
Alle Beteiligten sind zuversichtlich, dass der Lichtparcours am 13. Juni tatsächlich eröffnet wird. Das städtische Kulturdezernat hat die große Hoffnung, dass die Lichtkunst-Ausstellung trotz der schwierigen Situation am geplanten Termin starten kann und hat das mit „Prinzip Hoffnung“ zum Motto gemacht. „Kunst und Kultur sind in dieser Zeit besonders wichtig“, betont Michael Zwingmann. „Und im öffentlichen Raum sollte es einfacher möglich sein, sie sich anzuschauen.“