Internationale Graduiertenschule mit Chile geplant Gemeinsame Forschungen zum Abbau von Erdöl durch Bakterien
Eine lange Forschungsverbindung trägt Früchte. Der wissenschaftliche Austausch und die Zusammenarbeit zwischen der TU Braunschweig und der Universidad de Chile in Santiago de Chile sollen durch eine gemeinsame Graduiertenschule zu extrem anpassungsfähige Bakterien, die Erdölrückstände abbauen können, vertieft werden. Dazu war Dr. Ignacio Poblete, assoziierter Professor für Bioverfahrenstechnik aus Santiago de Chile als Gastwissenschaftler am Braunschweiger Zentrum für Systembiologie (BRICS) zu Besuch.
Ignacio Poblete kennt Braunschweig bereits sehr gut: Er forschte von 2008 bis 2012 in Braunschweig. 2012 promovierte er am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der TU Braunschweig im Bereich der Systembiologie. Im Anschluss war er als Postdoc am Institut für Bioverfahrenstechnik der TU Braunschweig. Mittlerweile arbeitet Ignacio Poblete als Professor für Chemie- und Bioverfahrenstechnik an der Universität von Santiago de Chile. Er ist Leiter des Biosystems Engineering Lab, das sich auf die Entwicklung mikrobieller Systeme zur Herstellung von Industriechemikalien und zur biologischen Sanierung persistenter und toxischer Verbindungen mithilfe von Mikroorganismen spezialisiert hat.
Extremophile Bakterien als gemeinsame Forschungsgrundlage
Seit seiner Promotion in Braunschweig hält Ignacio Poblete den Kontakt zu Wissenschaftler*innen an der TU Braunschweig und so besteht seit einigen Jahren eine Kooperation zwischen dem Labor von Ignacio Poblete und dem Institut für Mikrobiologie am BRICS. Der gemeinsame Forschungshintergrund sind dabei Bakterien, die an extremen Standorten leben, die sogenannten Extremophilen. Diese Mikroorganismen haben sich extremen Umweltbedingungen angepasst, die für andere Lebewesen als lebensfeindlich gelten. Aufgrund der Lage des Landes sind in Chile solche Bakterien zu finden: So erstreckt sich das südamerikanische Land vom Norden in den Süden über 4275 Kilometer entlang der Anden und des pazifischen Ozeans. Neben der hohen Berge findet sich im Norden Chiles auch die Atacamawüste, eine der trockensten Regionen der Welt. Südöstlich von Chile befindet sich das chilenische Antarktisterritorium, ein von Chile beanspruchter Teil der Antarktis, das international nicht anerkannt ist.
Extremophilen bauen Erdölrückstände im Eis ab
Sowohl in der lebensfeindlichen Atacamawüste als auch in der Antarktis können von den Forscher*innen vor Ort Bakterien-Isolate gewonnen werden. So konnten die deutschen und chilenischen Wissenschaftler*innen Dr. Rebekka Biedendieck, TU-Institut für Mikrobiologie, und Prof. Ignacio Poblete bereits gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) eine neue antarktische Bakterienspezies charakterisieren, die Biopolymere, Carotinoide und Antioxidantien produziert. Aufgrund der hohen Umweltverschmutzung in der Antarktis kommt für die dort lebenden Bakterien eine weitere extreme Anpassung hinzu: Einige der Extremophilen aus antarktischen Regionen bauen Erdöl-Rückstände aus dem Eis ab. „Diese biologische Zersetzung zu nutzen, ist ein Ziel der gemeinsamen Forschung an den Bakterien“, berichtet Ignacio Poblete, der dazu und zu der Produktion von Biopolymeren während seines Besuchs an der TU Braunschweig informierte. Außerdem bereicherte er die Lehre mit zwei Biotechnologie-Vorlesungen.
Planung einer deutsch-chilenischen Graduiertenschule
Aus den gemeinsamen Interessen in der Forschung ist die Idee entstanden, eine gemeinsame Graduiertenschule der TU Braunschweig und der DSMZ mit der Universität Santiago de Chile zu gründen. Einer der Hauptgründe für seinen Besuch war die weitere gemeinsame Planung des Konzepts. Thematisch soll es bei der Graduiertenschule um die mikrobiellen Ökosysteme extremer Standorte und die Molekularbiologie, z. B. Proteasen, also proteinspaltende Enzyme, in Extremophilen (Isolate aus der Atacamawüste und der Antarktis) gehen. Die deutschen und chilenischen Promovierenden der Graduiertenschule sollen sich mit unterschiedlichen Aspekten des gleichen Bakteriums befassen und jeweils ein Forschungsjahr in Chile bzw. in Deutschland verbringen und natürlich auch die jeweilige Sprache lernen. Zudem ist ein- bis zweimal im Jahr ein gemeinsamer Retreat der Promovierenden geplant.
Das deutsch-chilenische Forschungsteam, das bereits einige gemeinsame Forschungsergebnisse veröffentlicht hat, steckt nun mitten in der Planung und Vorbereitung für einen Förderantrag der internationalen Graduiertenschule.