21. Juli 2020 | Magazin:

Globale Kriminalitätsbekämpfung erforschen Fünf Fragen an Politik-Professorin Anja Jakobi

Globale Kriminalität begegnet uns häufig in den Nachrichten oder in Filmen und Fernsehserien. Was aber versteht man darunter und wie sehen internationale Institutionen aus, die solche Verbrechen bekämpfen? Damit beschäftigt sich Professorin Anja Jakobi. Sie leitet das Institut für Internationale Beziehungen am Department für Sozialwissenschaften der Technischen Universität Braunschweig. Mit ihrem Team forscht sie unter anderem zu verschiedenen Aspekten der globalen Kriminalitätsbekämpfung. Unsere Redakteurin Anna Krings hat mit ihr über ihre Forschung und ihr kürzlich in Großbritannien bei Palgrave Macmillan erschienenes Lehrbuch „Crime, Security and Global Politics“ gesprochen.

Professorin Jakobi, einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist die globale Kriminalitätsbekämpfung. In Ihrem Lehrbuch geben Sie einen Überblick zu dem Thema. Was versteht man eigentlich unter globaler Kriminalität?

Professorin Anja Jakobi. Bildnachweis: Anja Jakobi/TU Braunschweig

Globale Kriminalität ist ein relativ offener Begriff. Das hängt damit zusammen, dass Nationalstaaten Kriminalität zum Teil sehr unterschiedlich definieren. Ganz allgemein sind es kriminelle Aktivitäten, die über Grenzen hinweg stattfinden und deshalb transnational, also länderübergreifend sind. Das kann auf unterschiedliche Arten geschehen: Kriminelle können selbst Landesgrenzen überschreiten. Verbrechen können aber auch in einem Land geplant und in einem anderen Land ausgeführt werden oder sie haben Effekte über Ländergrenzen hinweg. Im Fokus unserer Forschung stehen schwerwiegende Verbrechen, die im Rahmen internationaler Organisationen bekämpft werden.

Was sind Beispiele dafür?

Das klassische Beispiel ist der globale Drogenhandel. Aber auch die Bereiche Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Korruption zählen zur globalen Kriminalität. Ein Beispiel für ältere Kriminalität, die schon relativ früh auf der internationalen Agenda stand, ist die Piraterie. Aber auch heute noch gibt es Piraten, die Schiffe auf See überfallen. Das ist eine alte Kriminalitätsform, die weltweit fast verschwunden war, und dann in den letzten 20 Jahren wieder zugenommen hat. Heute ist allerdings das Lösegeld für die Piraten üblicherweise interessanter als die Fracht. Kriminalität – und damit auch deren Bekämpfung, verändert sich also über Zeit. Cyber-Kriminalität – ein breites Feld, das zum Beispiel die Beschädigung von sicherheitsrelevanter Infrastruktur oder das Teilen illegaler Inhalte umfassen kann – ist dagegen noch eine vergleichsweise junge Kriminalitätsform, die Staatsgrenzen mit Leichtigkeit überwindet. Dann gibt es natürlich auch globale Kriminalität, die im Kontext von Krieg stattfindet, also Kriegsverbrechen. Auch der Menschenhandel ist ein Beispiel für globale Kriminalität. Ein Bereich, der international bisher nicht so stark durch internationale Gesetze reguliert wird wie andere, ist die globale Umweltkriminalität, beispielweise der globale Handel mit illegal gerodetem Holz.

In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit internationalen Institutionen, die globale Kriminalität bekämpfen. Was genau erforschen Sie dabei?

Wir schauen uns an, welche internationalen Institutionen zur globalen Kriminalitätsbekämpfung entstehen beziehungsweise entstanden sind und warum das jeweilige institutionelle Design so aussieht, wie es aussieht. Dabei untersuchen wir auch, warum bestimmte Bereiche ausgebaut und andere nicht ausgebaut werden oder warum manche Institutionen vielleicht defizitär sind und andere nicht. Häufig gibt es in der Öffentlichkeit die Vorstellung, dass die internationale Politik viel unternimmt, wenn ein Problem sehr groß ist. Das ist aber nicht immer der Fall. In manchen Bereichen wird sehr stark ausgebaut, obwohl das Problem vielleicht nur wenige Staaten betrifft. Andere Probleme, wie beispielsweise die Cyber-Kriminalität, betreffen zwar viele Staaten, sind aber international wenig durch Gesetze reguliert. Einige Staaten haben genau daran ein Interesse, weil nicht existente Regeln natürlich auch nicht binden, und damit auch keine Regeln verletzt werden. Die Bekämpfung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung sind dagegen Bereiche, in denen es besonders viele Regeln und Gesetze gibt. Auch solche Sachverhalte erforschen wir.

Mit welchen Methoden machen Sie das?

Das hängt sehr stark von dem Forschungsprojekt ab. Wir reden im Moment über meine Forschung, aber es gibt an unserem Institut natürlich noch viele andere Arbeiten zu dem Thema. Einige Institutsmitglieder haben zum Beispiel Interviews in Kolumbien geführt, und die Bedingungen analysiert, unter denen Personen kriminell werden. Andere haben Kontakte zu nationalen und internationalen Polizeibehörden. Natürlich ist aber die Auseinandersetzung mit den betreffenden internationalen Regelwerken, entsprechenden Dokumenten und dem Forschungsstand auch ein großer Teil unserer Arbeit. Wir nutzen dabei auch quantitative Forschungsmethoden, um zum Beispiel zu erheben, welche Staaten bestimmte Instrumente eingeführt haben oder welche Regularien von einem Staat zum anderen übernommen werden. Wir haben außerdem einen Fokus auf Statistiken zu globaler Kriminalität.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, ein Lehrbuch über globale Kriminalitätsbekämpfung zu schreiben?

Es gibt viele Bücher über einzelne Kriminalitätsbereiche wie Drogen- oder Menschenhandel und deren Bekämpfung. Aber ein Überblickswerk zu globaler Kriminalitätsbekämpfung fehlte, obwohl dieser Bereich ja seit Jahren in der internationalen Politik stark ausgebaut wird, und weltweit viele Forschungsprojekte und Lehrtätigkeiten existieren. Diese Lücke wollte ich füllen, weil ich auch seit langem in diesem Bereich arbeite. Das Buch ist eine englischsprachige Einführung in das Thema und behandelt den aktuellen Forschungsstand und verschiedene Forschungsansätze. Es ist so konzipiert, dass es erweitertes Grundlagenwissen für Studierende liefert, aber auch für fachfremde Personen verständlich ist, die sich für das Thema interessieren. So ein Überblickswerk braucht eine gute Balance: Welches Vorwissen ist bei den Leserinnen und Lesern vorhanden, was muss erklärt und was zur Festigung wiederholt werden? Dazu sind solche Werke thematisch sehr breit gefächert. Das macht es zu einer besonderen Herausforderung, die natürlich aber auch Spaß macht.