Gehen oder bleiben? Francesco Ducatelli zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Erasmus-Programm
Vom 15. bis zum 17. Oktober 2020 werden europaweit – trotz erschwerter Bedingungen durch die Corona-Pandemie – die #ErasmusDays gefeiert. Im Mittelpunkt steht dabei alljährlich die Idee, die europäischen Werte, die Vorteile der Mobilität und die Ergebnisse der Erasmus+ Projekte in den öffentlichen Fokus zu stellen. Auch die TU Braunschweig beteiligt sich an den #ErasmusDays. In einer dreiteiligen Magazin-Serie steht die Frage im Fokus: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie eigentlich auf das Erasmus-Austauschprogramm?
Viele Studierende fragen sich zurzeit: Macht ein Auslandssemester aktuell Sinn? Was muss ich bei der Planung beachten? Und was passiert, wenn mein Zielland ein Risikogebiet wird? Über diese und viele weitere Fragen hat Henrike Hoy vom International House mit Francesco Ducatelli, Erasmus+ Hochschulkoordinator der TU Braunschweig, gesprochen.
Wie hat das Corona-Virus Sie persönlich und Ihre Arbeit in den vergangenen Monaten beeinflusst?
Durch die Covid-19-Pandemie hat sich sowohl persönlich als auch beruflich Einiges bei mir verändert. Erasmus hat mich in der Vergangenheit sehr geprägt, ich habe viele Kontakte zu Menschen aus anderen Ländern und Kulturen. Diese Kontakte musste ich nun auf eine digitale Ebene verlagern. Ich vermisse schon den persönlichen Kontakt, aber ich gewinne auch diesen neuen Wegen etwas Positives ab und merke, dass sich bestimmte Kontakte sogar intensiviert haben.
Beruflich ist die Quantität der Mobilitäten, der Auslands- und Austauschaufenthalte, natürlich stark zurückgegangen, dafür ist die Beratung zu den einzelnen Mobilitätsvorhaben viel intensiver und umfangreicher geworden. Jeder Austauschaufenthalt ist jetzt ein ganz individueller Fall mit Rahmenbedingungen, die sich immer wieder verändern. Bei der Planung und Durchführung stehen wir im Mobilitätsbüro allen mobilen Mitgliedern der TU Braunschweig zur Seite und unterstützen sie nach Kräften und Möglichkeiten.
Wie ist die Lage jetzt? Sind Bewerbungen für ein Auslandssemester mit Erasmus+ aktuell möglich?
Bewerbungen sind in jedem Fall möglich. Dabei muss man bedenken, dass die Planung eines Auslandsaufenthalts eine Vorlaufzeit von etwa einem Jahr hat. Wer also aktuell über einen Erasmus-Aufenthalt nachdenkt, wird voraussichtlich erst zum Wintersemester 2021/22 ins Ausland gehen. Wie sich die Corona-Pandemie bis dahin entwickelt, kann natürlich niemand voraussagen. Aber es gibt natürlich die Möglichkeit, dass sich die Lage dann wieder etwas entspannt hat.
Wir empfehlen unseren Studierenden deshalb zum Beispiel, den Aufenthalt so zu planen, dass Flüge, Unterkünfte und ähnliches gegebenenfalls wieder storniert werden können. Natürlich können wir nicht ausschließen, dass sich die Situation im Gastland oder an unseren Partnerhochschulen kurzfristig ändert und Aufenthalte nicht realisiert werden können. Diese Unsicherheitsfaktoren müssen Studierende berücksichtigen, wenn sie über eine Bewerbung nachdenken.
An vielen Hochschulen im Ausland findet die Lehre zurzeit wie auch an der TU Braunschweig online statt – lohnt sich ein Auslandssemester dann überhaupt?
Das Erasmus+ Programm hat Förderungsmöglichkeiten für die Online-Lehre ins Leben gerufen. Studierende, die beispielsweise erst später in ihr Zielland einreisen können und ihr Auslandsstudium zuvor online von Deutschland aus starten, erhalten die normale Programmförderung. Auch wenn man im Ausland ist und dort komplett online studiert, erhält man die Förderung im Rahmen einer „blended mobility“. Sicherlich unterscheiden sich die Erfahrungen eines Auslandsaufenthaltes in Corona-Zeiten von den „normalen“ Erasmus-Erfahrungen, da viele außeruniversitäre Aktivitäten vor Ort eingeschränkt sind, aber wir haben inzwischen viele sehr positive Rückmeldungen von Studierenden, die in der letzten Zeit im Ausland waren oder noch dort sind. Bei vielen scheint sich das Bedürfnis des europäischen Zusammenhalts sogar verstärkt zu haben.
Können bereits geplante Auslandssemester verschoben oder abgesagt werden?
Vor Beginn einer Mobilität kann der Auslandsaufenthalt verschoben oder abgesagt werden. Wir können allerdings nicht zusichern, dass dann im kommenden Semester erneut der gleiche Austauschplatz zur Verfügung steht. Wenn man bereits im Ausland ist und wegen der Corona-Pandemie zurückkehren muss, greift im Erasmus-Programm die sogenannte Force Majeure-Regelung, die die Studierenden dann finanziell unterstützt.
Was passiert, wenn Länder, in denen sich Studierende der TU Braunschweig aufhalten, zu Risikogebieten erklärt werden?
Ich rate in diesem Fall dazu, schnellstmöglich mit unserem Team aus dem Mobilitätsbüro Kontakt aufzunehmen und sich zur weiteren Vorgehensweise auszutauschen, um die bestmöglichste Lösung zu finden. In einigen Fällen kann eine Fortsetzung der Mobilität sinnvoll sein, in anderen Fällen sprechen vielleicht mehr Argumente für eine Rückreise.
Wie sieht denn Ihre Empfehlung für die kommenden Monate aus – ins Ausland gehen oder bleiben?
Diese Entscheidung muss immer individuell und oft sehr kurzfristig getroffen werden. Am besten lässt sich das in einer persönlichen Beratung und in enger Abstimmung mit der jeweiligen Hochschule im Ausland entscheiden. Die Planung eines Auslandsstudiums verlangt den Bewerberinnen und Bewerbern im Moment also eine Menge Flexibilität ab. Man kann alles sehr gut vorbereiten, aber dann kommt es vielleicht ganz anders. Im Vordergrund muss immer die Frage nach dem verantwortlichen Verhalten in der aktuellen Corona-Situation stehen. Von der Einreise in Risikogebieten und der Durchführung eines Auslandsaufenthalts „um jeden Preis“ raten wir dringend ab!
Wir unterstützen unsere Bewerberinnen und Bewerber bestmöglich, indem wir die aktuelle Lage beobachten und im engen Austausch mit unseren Partneruniversitäten stehen. Für Fragen stehen wir immer gerne zur Verfügung und haben Online-Sprechstunden und virtuelle Info-Veranstaltungen eingerichtet, die dafür gerne genutzt werden können.